Internationaler Expertenaustausch: MEA-Meeting 2012

Auf Einladung des Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Instituts (NMI) Reutlingen trafen sich vom 10. bis zum 13. Juli über 300 Wissenschaftler und Entwickler aus 24 Ländern, um sich über aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich Mikroelektroden-Arrays (MEAs) und Neurochip-Technik auszutauschen. Im Mittelpunkt der Tagung in der Reutlinger Listhalle standen neben vielen neurophysiologischen Ergebnissen und klinischen Frage-stellungen vor allem auch materialwissenschaftliche Aspekte von MEAs und deren Weiterentwicklung. MEAs sind miniaturisierte Sensorchips, die elektrische Signale einzelner Zellen erfassen und stimulieren können. Sie dienen als Schnittstelle, um Nervenzellen mit elektronischen Schaltungen verbinden zu können und werden in der neurophysiologischen Grundlagenforschung, in der Hirnforschung und in der industriellen Wirkstofffindung für Krankheiten wie Epilepsie, Schlaganfall und Alzheimer eingesetzt. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage für Neuroimplantate wie zum Beispiel das Netzhautimplantat für Blinde. Auch die Entwicklung von Medikamenten und Therapien bei Herz-Kreislauf Erkrankungen profitieren davon.

Das vom NMI gemeinsam mit dem neurowissenschaftlichen Bernstein Center an der Universität Freiburg ausgerichtete Treffen ist das wichtigste internationale Informations- und Diskussions-Forum zur MEA- und Neurochip-Technik. „Zum MEA-Meeting führen wir im Zweijahresrhythmus Biologen, Ingenieure und Physiker aus aller Welt zusammen, um den Austausch und das Networking auf dem Gebiet der Neurowissenschaften zu unterstützen und neue Kooperationen anzubahnen. Die große internationale Teilnehmerzahl mit einem Zuwachs von über 30% gegenüber dem letzten MEA-Meeting unterstreicht das internationale Renommee des Treffens“, freut sich Prof. Dr. Hugo Hämmerle, Institutsleiter des NMI, über die viel beachtete Veranstaltung.

MEAs sind kleine Plättchen aus Glas. Sie können mit lebenden Nervenzellen und anderen elektrisch aktiven Zellen und Geweben besiedelt werden und messen deren Signale mit in die Oberfläche eingelassenen Mikroelektroden. Gleichzeitig können die Elektroden einzelne Zellen elektrisch stimulieren und darüber Netzwerkaktivität anregen. Die am NMI hergestellten MEAs ermöglichen die gleichzeitige Messung und elektrische Stimulation an bis zu 1000 Stellen der Präparate und Kulturen. „Wir wollen mit Hilfe dieser Forschungen verstehen, wie unser Nervensystem funktioniert. So können wir Ansätze für neue Therapien entwickeln für den Fall, dass das Orchester der Zellen nicht funktioniert“ so erklärt Dr. Alfred Stett, stellvertretender Institutsleiter des NMI und Organisator des Meetings, die grundlegende Zielsetzung.

1988 präsentierte das NMI mit dem ersten MEA eine Eigenentwicklung, die weltweit zu einer Schlüsseltechnologie in den Neurowissenschaften avancierte. Heute gehören MEAs zum Standardinstrumentarium der elektrophysiologischen Forschung. Die Multi Channel Systems MCS GmbH, Reutlingen, hat die Entwicklung des NMI bereits 1996 auf den Markt gebracht und den internationalen Vertrieb der elektronischen Messsysteme und Software aufgebaut. Inzwischen werden die Reutlinger Sensorchips in über 700 Laboren verwendet, um elektrische Signale von Netzhaut-, Nerven- und Herzpräparaten sowie von differenzierten Stammzellen zu analysieren. Die Hauptanwender von MEAs sind akademische Labors, in denen sich die Technologie als zuverlässiges Standardinstrument durchgesetzt hat. Mehr und mehr interessieren sich auch die Pharmaindustrie und Biotechnologieunternehmen für die Technologie. Diese Entwicklungen hat das MEA-Meeting stets begleitet.

Das MEA-Meeting 2012 berichtete über den Stand der Entwicklung dieser Sensorsysteme. Es präsentierte Forschungsergebnisse, die mit den Sensorsystemen erzielt wurden, und stellte neue Anwendungen in der physiologischen Grundlagenforschung, der Neuro-technologie und der pharmazeutischen Wirkstoffforschung vor. Mehr und mehr werden aktive Sensorarrays, sogenannte Neurochips, eingesetzt, die mit mehreren tausend Sensorpunkten die experimentellen Möglichkeiten nochmals deutlich verbessern. Gezeigt wurden Ergebnisse, die mit den ersten Generationen dieser Neurochips erzielt wurden. Mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung können die Sensorarrays hunderte, untereinander vernetzter Zellen gleichzeitig messen. Zur Verarbeitung der enormen Datenmengen, die bei diesen Experimenten gewonnen werden, sind neue Algorithmen erforderlich. Viele Beiträge zeigten neue Materialkombinationen, die die Sensoren noch empfindlicher und stabiler machen. Die begleitende Industrie-Ausstellung gab einen Überblick über aktuelle Systeme und Sensoren. Anbieter aus Japan, USA, der Schweiz und Deutschland waren hier vertreten und zeigten ihr Produktprogramm.

Nach oben scrollen