Im Jobcoaching erfahren Menschen mit Behinderung Wertschätzung

Was ist Jobcoaching? Was macht diese Unterstützungsform für Menschen mit Behinderung im Berufsleben aus? Das Forschungsprojekt JADE kommt dieser Frage langsam näher. JADE bedeutet „Jobcoaching zur Arbeitsplatzsicherung definieren und evaluieren“ und ist ein dreijähriges, vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördertes qualitativ angelegtes Forschungsprojekt an der HAWK.

Bei der 2. JADE-Tagung „Mittendrin und außen vor“ wurden jetzt Zwischenergebnisse vorgestellt.
Ein Expert/inn/enkreis von rund 50 Personen füllte den Senatssaal am Goschentor und diskutierte Teilergebnisse des zweiten Arbeitspaketes der Studie. Was passiert, wenn ein Jobcoach für mehrere Monate mit an den Arbeitsplatz eines Menschen mit Behinderung kommt und ihm dort hilft, Lösungen für eine belastende Situation zu finden, in der sein Arbeitsplatz bedroht ist? Welche Wirkung hat Jobcoaching auf die betriebliche Zusammenarbeit? Wie sehen Arbeitgebende und Vorgesetzte Jobcoaching? Wie erleben es die betroffenen Personen selbst? Und wie die betrieblichen Schwerbehindertenvertretungen? Aber auch die Perspektive der professionellen Helferinnen und Helfer wurden untersucht. Wie erleben Jobcoaches und zuständige Mitarbeitende aus Integrationsfachdiensten und der Kostenträger Jobcoachingprozesse. Diese sechs Perspektiven wurden mit insgesamt 22 Leitfaden gestützten Interviews erhoben, kategorisiert, analysiert und auf Kernaussagen verdichtet.

Mehrere Interviewpartner/innen hatten beschrieben, wie sehr es sie verunsichert, wenn sie auf Grund einer falsch verstandenen Rücksichtnahme keine ehrliche Rückmeldung zu ihrer Arbeit bekämen, oder wenn, sozusagen als Gegenpol, ihre Fehler ständig wiederholt und betont würden. Im Jobcoaching erführen Betroffene Wertschätzung und würden schrittweise geleitet, alltagstaugliche, praktische Lösungen für die Probleme bei der Arbeit zu finden. Das stärke sie und tue ihnen gut. Die dargestellten Ergebnisse machten ebenfalls deutlich, dass sich auch Arbeitgeber/innen und Kolleg/inn/en durch Jobcoaching darin unterstützt fühlen, Lösungen für schwierige Situationen im Betrieb zu finden. So beschrieben Arbeitgeber/innen, wie sie indirekt durch das Jobcoaching verstanden hätten, ihre Unsicherheiten im Umgang mit den Beschäftigten mit Behinderung zu überwinden und eine angemessene Kommunikation aufzubauen. Die Teilnehmenden der Tagung fühlten sich durch die Ausführungen bestätigt. In ihrer Berufspraxis hatten sie offenbar oft Ähnliches erlebt. Allerdings – und das wurde hervorgehoben – wurde es noch nirgendwo so treffend beschrieben. Für die Tagung wurden alle Perspektiven in einem übersichtlichen Schaubild zusammengeführt und dargestellt.

Eingeleitet worden war die Tagung von einem Impulsvortrag mit dem provokanten Titel „Inklusion eine Illusion“ von Angelika Pannen-Burchartz, die einen sehr persönlichen und eigene Erfahrungen einbeziehenden Fokus auf die Perspektive der betroffenen Arbeitnehmer/innen setzte. Angelika Pannen-Burchartz ist als systemische Lehrtherapeutin auch in einer Weiterbildung zum Jobcoaching tätig. Ihr Eingangsvortrag führte die Zuhörer/innen in die Innenperspektive eines Menschen mit Behinderung. Was löst der Begriff „Geburtsfehler“ in einem Kind aus, das zum ersten Mal erfährt, dass es anders ist? Welche Mischung aus Schuld, Versagensängsten und Ehrgeiz wird dort angelegt? Und wie wirkt das im Erwachsenenalter fort? Wie zeigen oder verbergen Menschen ohne Behinderung ihre Verunsicherung in der ersten Begegnung? Der Kern ihrer Aussagen spiegelte sich auch im Datenmaterial der Studie.

Am Nachmittag wurde zu den einzelnen Perspektiven und zu herausfordernden Thesen an vorbereiteten Stationen in verschiedenen Räumen diskutiert. Auch hier ergaben sich wertvolle weitere Anregungen. Eine These galt der möglichen Instrumentalisierung von Jobcoaching durch Interessen der Beteiligten. Diese Möglichkeit wurde von einigen Anwesenden prinzipiell bestätigt. Es bestand daher Einigkeit darin, dass es sehr wichtig sei, die Interessen aller Beteiligten vor Beginn eines Jobcoachings zu klären und zu prüfen, ob die Maßnahme wirklich geeignet sei, um die betriebliche Inklusion eines Menschen mit Behinderung zu verbessern.

Zum Schluss der Tagung wurde noch auf Planungen zu einem Jobcoaching-Kongress hingewiesen, der zusammen mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Handwerkskammer Münster Ende 2019 durchgeführt werden soll. Bis dahin werden auch die Empfehlungen des Forschungsprojektes vorliegen, mit denen den Beteiligten von Jobcoachingprozessen praxisnah Unterstützung gegeben werden wird.

wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ulrike Marotzki

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