Im Heim oder zu Hause – Welche Pflege kommt für mich in Frage?

Pflege

Der größte Wunsch, der das Älterwerden begleitet, ist wohl der, dass die Lebensjahre bei voller körperlicher und geistiger Gesundheit dahinziehen mögen. Gleichzeitig steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland aber stetig. Bereits im Dezember 2017 meldete das Statistische Bundesamt 3,41 Menschen in Deutschland, die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Etwa drei Viertel, mehr als 2,5 Millionen Menschen, wurden im häuslichen Umfeld gepflegt, etwa 1,8 Millionen von ihnen ausschließlich durch Angehörige. 

Die Pflege von hilfsbedürftigen Menschen im häuslichen Umfeld birgt Vorteile, aber auch Herausforderungen. Nicht immer ist die häusliche Pflege die beste Wahl für Patienten und Pfleger. Viele Faktoren sollten im Einzelfall berücksichtigt werden, um die bestmögliche Versorgung im Falle einer Pflegebedürftigkeit sicherstellen zu können. 

Pflegefall werden: Ab wann ist Hilfe sinnvoll?

Auch wenn Menschen in jedem Alter durch einen Unfall oder eine Erkrankung zum Pflegefall werden können, begleitet die Sorge um die körperliche und geistige Gesundheit vor allem ältere Menschen. Eine Pflegebedürftigkeit ist gegeben, wenn ein Mensch aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft Hilfe im Alltag benötigt, etwa bei der Körperpflege, im Haushalt, beim Essen oder bei alltäglichen Erledigungen. 

Der Gesetzgeber betrachtet Menschen als pflegebedürftig, sofern sie mindestens sechs Monate lang Unterstützung in alltäglichen Bereichen benötigen. Da das Ausmaß an benötigter Hilfestellung sehr unterschiedlich ist, wird die Pflegebedürftigkeit in Pflegegrade eingeteilt, die sowohl den Umfang der Beeinträchtigungen im Alltag festlegt also auch die möglichen Leistungen, die im Rahmen der Pflege in Anspruch genommen werden dürfen: 

  • Pflegegrad 1:          Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
  • Pflegegrad 2:          Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
  • Pflegegrad 3:          Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
  • Pflegegrad 4:          Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
  • Pflegegrad 5:          Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit  besonderen Anforderungen an die Pflege

(Quelle: https://www.familienratgeber.de

Für die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen ist die Beantragung eines Pflegegrades erforderlich. Dieser erfolgt bei der zuständigen Pflegekasse. 

Sich selbst und Angehörige auf den Ernstfall vorbereiten

Ein Mensch kann ebenso plötzlich und unerwartet zum Pflegefall werden wie durch einen schleichenden Prozess. In beiden Fällen ist es ratsam, sich selbst und seine Angehörigen frühzeitig auf den Ernstfall vorzubereiten. 

Wünsche und Möglichkeiten besprechen

Zu einer guten Vorbereitung gehört in erster Linie, im familiären Rahmen darüber zu sprechen, welche Wünsche, Vorstellungen und Möglichkeiten für den Fall einer Pflegebedürftigkeit bestehen. Möchte ein Angehöriger beispielsweise lieber zu Hause oder im Pflegeheim versorgt werden? Machen die familiären und finanziellen Umstände es möglich, diesen Wunsch zu erfüllen? In welchem Umfang könnte eine häusliche Pflege gewährleistet werden und an welchem Punkt ist eine Pflege nur noch durch geschultes Personal möglich? 

Um auch rechtlich abgesichert zu sein, kann eine Patientenverfügung für alle Familienmitglieder sinnvoll sein. Über dieses rechtsgültige Dokument können Familienangehörige ihr Recht auf Selbstbestimmung für den Ernstfall in größtmöglichem Umfang wahrnehmen und gleichzeitig ihre Angehörigen entlasten. 

Finanzielle Absicherung

Ein Pflegefall ist auch eine finanzielle Herausforderung. Können Angehörige die Pflege übernehmen, sind häufig berufliche Einschränkungen erforderlich. Ein barrierefreier Umbau des häuslichen Umfeldes verursacht zusätzliche Kosten. Auch die Inanspruchnahme einer häuslichen Pflege oder die Unterbringung in einem Pflegeheim sind mit großen finanziellen Belastungen verbunden. Eine Pflegeversicherung schafft wirtschaftliche Sicherheit und kann Angehörige im Ernstfall finanziell entlasten. 

Pflegetagebuch führen

Ist abzusehen, dass ein Pflegegrad beantragt werden soll, ist eine gute Vorbereitung auf das anstehende Gutachten wichtig. Hierzu sollten Angehörige über mehrere Wochen ein Pflegetagebuch führen, in dem sie detailliert und mit Zeitangabe festhalten, bei welchen Tätigkeiten sie einen pflegebedürftigen Menschen täglich unterstützen und wieviel Zeit die Hilfe in Anspruch nimmt. Ein Pflegetagebuch ist eine gute Basis für die Festlegung des Pflegegrades durch den Gutachter. 

Häusliche Pflege: Möglichkeiten und Herausforderungen

Eine Pflege im häuslichen Umfeld schafft Sicherheit und kann dazu beitragen, ein Höchstmaß an Eigenständigkeit und Lebensqualität zu bewahren. Oft genügen einzelne Anpassungen im Hinblick auf barrierefreies Wohnen, um es den Betroffenen zu ermöglichen, einen Teil ihres Alltags weiterhin eigenständig und selbstbestimmt zu gestalten. 

Ist ein hoher Grad der Pflegebedürftigkeit erreicht, können Angehörige die Betreuung oft nicht mehr vollumfänglich leisten. Ein Umzug in ein Pflegeheim ist aber nicht immer erforderlich. Eine 24-Stunden-Pflege im häuslichen Umfeld durch eine zertifizierte Fachkraft kann eine sinnvolle Alternative sein. In der privaten 24-Stunden-Pflege kommen ausgebildete Pflegekräfte in wechselnden Diensten nach Hause und unterstützen körperlich oder geistig eingeschränkte Menschen im benötigten Umfang. Eine ergänzende Betreuung durch Angehörige ist in den meisten Fällen möglich. 

Die Pflege im häuslichen Bereich ist flexibler als die Unterbringung in einem Pflegeheim und lässt sich auf die Ansprüche aller Beteiligten abstimmen. Mit einer stationären Unterbringung in einem Pflegeheim entsteht zudem eine finanzielle Belastung, die das monatliche Budget vieler Betroffener übersteigt und damit auch Angehörige in eine wirtschaftliche Schieflage bringen kann. 

Häusliche Pflege wird finanziell unterstützt 

Die Kosten für die unterschiedlichen Dienstleistungen im Bereich der häuslichen Pflege sind meist niedriger als in einem Pflegeheim, insbesondere dann, wenn Angehörige einen Teil des Pflegeaufwandes selbst tragen können. Außerdem ist es möglich, für die häusliche Pflege durch Angehörige oder einen häuslichen Pflegedienst umfangreiche Förderungen in Anspruch zu nehmen. 

Neben dem Pflegegeld stehen Betroffenen und ihren Pflegepersonen die Leistungen von Pflegediensten und verschiedene Sachleistungen zur Verfügung. Auch Pflegehilfsmittel und Pflegekurse für Angehörige werden finanziell unterstützt. Für die Anpassung des häuslichen Umfelds auf die Bedürfnisse der häuslichen Pflege stellt die Pflegekasse einen Zuschuss in Höhe von bis zu 4.000 Euro zur Verfügung. 

Zu den einzelnen Fördermöglichkeiten informiert das Bundesministerium für Gesundheit in seinen Online-Ratgeber Pflege

Trotzdem bleibt die Pflege im häuslichen Umfeld eine Herausforderung, die mit dem Grad der Pflegebedürftigkeit wächst. Vor allem bei geistigen Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel durch Alzheimer oder Demenz, kann die Pflegesituation eine große Belastung für beide Seiten mit sich bringen. 

Wenn die häusliche Pflege zur Belastungsprobe wird

Wenn Angehörige zum Pflegefall werden, müssen sich alle Betroffenen neuen Herausforderungen stellen. Um die Belastung für beide Seiten gering zu halten, ist es wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema Pflege auseinanderzusetzen. Die meisten älteren Pflegebedürftigen verlieren ihre Eigenständigkeit in einem voranschreitenden Prozess. Der Verlust eines selbstbestimmten Lebens kann traumatisch sein. Deshalb ist es wichtig, notwendige Schritte langsam umzusetzen, damit alle Betroffenen die Möglichkeit haben, sich an neue Lebensumstände zu gewöhnen. 

Auch für pflegende Angehörige können notwendige Veränderungen einen Einschnitt für ihr Leben bedeuten. Der Verlust ihres selbstbestimmten Lebens, eventuelle berufliche und damit auch wirtschaftliche Einbußen und die Auseinandersetzung damit, dass ein geliebter Mensch körperlich, geistig oder seelisch an Gesundheit und damit auch an Lebensqualität verliert. Durch eine Pflege im häuslichen Umfeld lässt sich der Einschnitt in das vertraute Leben vor allem für die pflegebedürftige Person schonender gestalten. 

Angehörige, die sich dafür entscheiden, ein Familienmitglied zu pflegen, sind von Anfang an in einer ausführlichen Beratung gut aufgehoben. Diese kann sowohl psychologische Unterstützung umfassen als auch fachliche Schulungen im Hinblick auf die Pflege eines eingeschränkten Menschen. Eine psychologische Beratung kann auch dabei helfen, mit den Anforderungen einer Ausnahmesituation gelassener umzugehen und auch die pflegebedürftige Person auf ihrem Weg aus einem vollständig selbstbestimmten in ein hilfsbedürftiges Leben zu begleiten. Eine entsprechende Unterstützung hilft Betroffenen auch dabei, den Schritt zu einer stationären Unterbringung im Pflegeheim zu gehen, sollte dieser unumgänglich werden. 

Ein offener und respektvoller Umgang mit dem Thema Pflegebedürftigkeit macht es möglich, in der individuellen Situation die beste Lösung für alle Beteiligten zu finden und den Weg mit einem Höchstmaß an Lebensqualität weiter zu beschreiten. 

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