Den Rahmen für die Feierstunde am 5. Oktober bildet das internationale Symposium über „Functional Biointerfaces“, also über funktionelle Grenzflächen zwischen biologischen Materialien. Biochemische und biotechnische Anwendungen standen neben der präparativen makromolekularen Chemie auch im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses von Georg Manecke. So hat er frühzeitig erwogen, polymere Stoffe in den Dienst medizinischer Anwendungen zu stellen, beispielsweise zur Bindung, zum Transport und zur gezielten Freisetzung von Arzneistoffen. Er galt als Ausnahmeforscher mit großem Pioniergeist.
Manecke-Preisträger Kruss kombiniert in seiner Forschung auf innovative Weise Polymere mit Nanomaterialien mit dem Ziel, diese Hybride in der Biomedizin anzuwenden. Bereits in seiner Doktorarbeit befasste er sich mit biomimetischen Oberflächen und zeigte, wie nützlich Polymere sind, um Oberflächen chemisch zu gestalten und Wechselwirkungen mit Zellen und Gewebe zu untersuchen. Solche Gewebe-Material-Interaktionen zu verbessern, ist für medizinische Implantate äußerst wichtig. Nach seiner Promotion ging Kruss als DFG-Stipendiat ans Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo er sich mit Kohlenstoffnanomaterialien und Graphen beschäftigte. Er stellte Polymer/Kohlenstoffnanoröhren-Hybride her, die Biomoleküle wie Zucker aber auch Signalmoleküle binden, wodurch deren Fluoreszenz verändert wird. Diese hybriden Strukturen können somit als Biosensoren eingesetzt werden.
Zurzeit habilitiert sich Kruss an der Göttinger Georg-August-Universität am Institut für Physikalische Chemie, wo er auch eine Nachwuchsgruppe aufbaut. Seine Fragestellung lautet nun generell, wie man molekulare Erkennungsmotive aus Polymeren und Nanomaterialien herstellen und identifizieren kann. Mit neuen Polymer/Nanoröhren-Sensoren sollen bakterielle Motive detektiert werden, um bakterielle Infektionen in Krankenhäusern und Kontaminationen auf Medizinprodukten frühzeitig erkennen zu können.
Kruss trägt in Berlin über seine jüngsten Forschungsarbeiten vor. Den Festvortrag hält Professor Dr. Rolf Mülhaupt, Freiburg, über biomimetische Polymermaterialien. An Georg Manecke als Mensch und Wissenschaftler erinnern die Professoren Dr. Oskar Nuyken, München, und Dr. Rainer Haag, Berlin.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit über 31.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Treuhänderisch verwaltet die GDCh elf unselbstständiger Stiftungen. Zweck dieser Stiftungen ist die Vergabe von Preisen, Förderpreisen und Stipendien. Der Georg-Manecke-Preis wird an promovierte Naturwissenschaftler/innen für herausragende wissenschaftliche Leistungen der letzten Jahre vergeben. Er soll auch die wissenschaftliche Vernetzung auf internationaler Ebene fördern. Der Preis ist mit 7.000 Euro dotiert.