Die Orange ist ein wahres Nährstoff-Depot: Neben einer hohen Menge an Vitamin C enthält sie auch eine Vielfalt an Carotinoiden und Flavonoiden. Beide Nährstoffe werden damit in Verbindung gebracht, das Risiko von bestimmten Krebs- und Herzkreislauferkrankungen deutlich senken zu können. Denn als Antioxidantien schützen sie die Körperzellen vor schädlichen Umwelteinflüssen. Carotinoide spielen zudem aufgrund ihrer Provitamin A-Aktivität eine wichtige Rolle in unserer täglichen Ernährung.
Anders sieht es mit dem Ruf von Orangensaft aus. Vor allem sein natürlicher Zuckergehalt ist vielen Ernährungsberatern ein Dorn im Auge. Doch der Doktorand Julian Aschoff und Prof. Dr. Dr. Reinhold Carle vom Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel der Universität Hohenheim wollten es ganz genau wissen. Im März 2015 veröffentlichten sie eine Untersuchung mit einem in vitro-Modell, das nahelegte, dass Orangensaft eine bessere Quelle für Carotinoide darstellt als die Orange selbst. Nun haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse mit einer Humanstudie bestätigt.
Probanden mussten zwei Wochen auf Tomaten, Spinat & Co. verzichten
Zur Vorbereitung der randomisierten Crossover-Studie, in der nach dem Zufallsprinzip entweder zunächst die Orange oder der Orangensaft verzehrt wurde, mussten die zwölf Probanden zunächst zwei Wochen völlig auf Carotinoide verzichten. Im Verlauf des sogenannten „Wash-out“ waren grüne und rote Lebensmittel wie Tomaten, Karotten oder Spinat vom Speiseplan gestrichen und durften nicht verzehrt werden, damit die im Körper gespeicherten Carotinoide ausgewaschen werden.
Anschließend erhielten die Probanden einmal ein standardisiertes Frühstück mit Orangen und eines mit pasteurisiertem Orangensaft. Zwischen den beiden Testphasen lagen 14 Tage. Nach dem Frühstück entnahmen die Wissenschaftler den Probanden innerhalb von knapp zehn Stunden acht Blutproben und bestimmten anschließend den Carotinoid-Gehalt.
Doppelt so viele Carotinoide aus Saft wie aus Frucht
„In der Humanstudie hat sich unsere Hypothese aus der in vitro-Studie voll bestätigt. Orangensaft ist eine bessere Carotinoid-Quelle als eine Orange“, sagt Julian Aschoff. „Bei unseren Untersuchungen konnten wir feststellen, dass aus pasteurisiertem Orangensaft ungefähr doppelt so viele Carotinoide aufgenommen werden wie aus einer handelsüblichen Orange.“
Dies liege an der Herstellung des Saftes, so Prof. Dr. Dr. Reinhold Carle, Inhaber des Lehrstuhls für Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel und Initiator der Studie. „Bei der Herstellung des Orangensaftes werden Ballaststoffe wie beispielsweise Pektin oder auch Cellulose teilweise abgetrennt. Diese Stoffe hemmen die Absorption von Carotinoiden während der Verdauung. In der Orange sind mehr unverdauliche Ballaststoffe enthalten als im Saft, weshalb die Aufnahme der Carotinoide aus der Frucht stark vermindert ist.“
Orangensaft kann zu einer gesunden Ernährung beitragen
Auch die Konsistenz spiele bei der Nährstoffaufnahme eine Rolle, so Julian Aschoff weiter: „Beim Zerkauen einer Orange wird die Frucht nie komplett zerkleinert. Viele Zellen bleiben so intakt und schließen die Carotinoide ein. Das erschwert ihre Aufnahme und Verwertung.“
Im Vergleich zu Cola enthält Orangensaft zudem weder das für Kinder ungeeignete Koffein noch die allgemein bedenkliche Phosphorsäure. Außerdem wird Orangensaft im Vergleich zu Erfrischungsgetränken, zu denen auch Cola zählt, üblicherweise nicht zum Löschen des Durstes getrunken. „Der Verzehr von Obst und Gemüse in Deutschland liegt weit unter der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung“, so die Wissenschaftler. „Kaum ein Konsument hat Zeit, täglich genug Gemüse oder Früchte zu sich zu nehmen. In Maßen konsumiert, also ein Glas mit 200 ml pro Tag, kann Orangensaft so zu einer gesunden Ernährung beitragen und uns mit den Nährstoffen versorgen, die unser Körper benötigt.“
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle, Universität Hohenheim, Fg. Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel
T 0711 459 22314, E carle@uni-hohenheim.de
Dipl.-LM-Ing. Julian Aschoff, Universität Hohenheim, Fg. Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel
T 0711 459 23041, E julian.aschoff@uni-hohenheim.de
Dr. Ralf Schweiggert, Universität Hohenheim, Fg. Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel
T 0711 459 22995, E ralf.schweiggert@uni-hohenheim.de
Text: C. Schmid / Klebs