Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass sich jährlich rund 20 Millionen Menschen weltweit mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) infizieren. In den meisten Fällen treten keine Symptome auf. Doch bei etwa 3,3 Millionen Betroffenen kommt es zu einer symptomatischen Erkrankung, die in schweren Fällen zu Fibrose oder Leberzirrhose führen kann. Laut WHO starben im Jahr 2015 weltweit etwa 44.000 Menschen an den Folgen der Infektion. In Deutschland erkranken jährlich schätzungsweise 400.000 Menschen. Besonders gefährdet sind Risikogruppen wie Organtransplantierte oder Menschen mit bereits geschädigter Leber, da bei ihnen das Risiko für einen schweren Verlauf deutlich höher ist.
„Wir wollten neue Therapieoptionen entwickeln und haben daher untersucht, welche Antikörper Menschen nach einer überstandenen HEV-Infektion bilden“, erklärt Dr. Patrick Behrendt, Leiter der Klinischen Nachwuchsgruppe „Translationale Virologie“ am TWINCORE und Oberarzt an der Klinik für Gastroenterologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Das Forschungsteam isolierte dazu Gedächtnis-B-Zellen aus dem Blut genesener Patienten. Diese Immunzellen produzieren Antikörper. „Bei der Analyse stellten wir fest, dass viele dieser Antikörper gezielt das HEV-Kapsid erkennen“, so Behrendt. Dieses Protein umhüllt die Erbinformation des Virus in infektiösen Partikeln. Es tritt jedoch auch als lösliches Protein frei im Blut von Patienten auf. „HEV nutzt dieses freie Kapsid, um das Immunsystem abzulenken und so der Immunabwehr zu entkommen“, erklärt er weiter.
Interessanterweise unterscheidet sich dieses lösliche Kapsid-Protein von der Variante, die in infektiösen Viruspartikeln enthalten ist. Diese spezifische Veränderung könnte ein Ansatz für neue Therapieformen sein. „Deshalb konzentrierten wir uns auf Antikörper, die ausschließlich infektiöse Viruspartikel erkennen“, sagt Dr. Katja Dinkelborg, Ärztin in Behrendts Arbeitsgruppe und eine der Erstautorinnen der Studie.
Wissenschaftler der Universität zu Lübeck entschlüsselten anschließend die genaue Struktur und Wirkweise dieser Antikörper. Das Team um Prof. Thomas Krey vom Institut für Biochemie analysierte die Bindungsmechanismen und konnte nachweisen, wie die Antikörper das Virus gezielt erkennen und neutralisieren. „Antikörper, die infektiöse Partikel angreifen, binden auf eine andere Weise als solche, die auch das lösliche Kapsidprotein erkennen“, erklärt Dr. George Ssebyatika, ein weiterer Erstautor der Studie aus Kreys Arbeitsgruppe. Mithilfe hochauflösender Röntgenstrukturanalysen gelang es dem Team erstmals, die exakte Interaktion der Antikörper mit dem Virus sichtbar zu machen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass speziell entwickelte Antikörper eine vielversprechende Möglichkeit sind, um Hepatitis-E-Infektionen besser zu behandeln“, ergänzt Krey.
Nun wollen Behrendt und Krey die neutralisierenden Antikörper mit antiviraler Wirkung weiterentwickeln, um sie für den klinischen Einsatz zu optimieren. Dafür erhalten sie zusätzliche Fördermittel vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), das auch die bisherigen Untersuchungen unterstützt hat. Zudem wurde die Studie vom Niedersächsischen Exzellenzcluster RESIST und der VolkswagenStiftung gefördert.
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Wissenschaftliche Ansprechpartner
Dr. Patrick Behrendt
Tel. (0)511-220027-133
Mail: patrick.behrendt@twincore.de
Originalpublikation
Ssebyatika, G., Dinkelborg, K., Ströh, L.J. et al. Broadly neutralizing antibodies isolated from HEV convalescents confer protective effects in human liver-chimeric mice. Nat Commun 16, 1995 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-57182-1
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