Professor Dr. Jan Siemens vom Pharmakologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg ist mit dem Galenus-von-Pergamon-Preis in der Kategorie „beste pharmakologische Grundlagenforschung“ ausgezeichnet worden. Der von der Springer Medizin „Ärzte Zeitung“ Verlagsgesellschaft gestifteten Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Professor Siemens entdeckte mit seinem Team erstmals einen molekularen Mechanismus in gereizten Nervenendigungen, der die erhöhte Sensibilität des sogenannten Capsaicin-Rezeptors für Schmerzsignale wieder rückgängig macht. Bisher waren nur zahlreiche Mechanismen der Sensibilisierung, allerdings keine Gegenmaßnahmen der Nervenzellen bekannt. Von der weiteren Erforschung des Signalwegs erhofft sich Siemens neue Erkenntnisse zur Entstehung chronischer Schmerzen und zu deren effektiven Behandlung.
Anhaltende Schmerzreize wie beispielsweise Entzündungen machen die feinen Nervenendigungen in Haut und Bindegewebe, die Schmerzmelder des Körpers, mit der Zeit überempfindlich. Die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten speziell die Sensibilisierung durch solche Schmerzreize, die Nervenzellen mit Hilfe des „Schmerzsensors“ TRPV1, eines Proteins an ihrer Oberfläche, erfassen. TRPV1 reagiert u.a. auf Inhaltsstoffe von Pfeffer, auf Hitze, Säure und bestimmte Entzündungs-Botenstoffe des Immunsystems. Hält der Schmerzreiz länger an, wie das bei jeder Entzündung der Fall ist, wird TRPV1 verändert oder häufiger gebildet, die Nervenenden melden dann bereits schwache Reize als Schmerz an das Gehirn.
Bekannter Botenstoff des Nervensystems beruhigt Nervenenden
Das Signal zur Beruhigung gibt ein Universal-Botenstoff des zentralen Nervensystems, GABA, der bisher nicht im Bereich der Nervenendigungen vermutet wurde. Dort entdeckte ihn die Arbeitsgruppe von Professor Siemens und wies auch den passenden Bindungspartner, das Eiweiß GABA-B1, auf den Nervenzellen nach. Die Wissenschaftler zeigten: Wird GABA-B1 aktiviert, versetzt es den TRPV1-Schmerzsensor wieder in seinen Ausgangszustand. „Der Signalweg wirkt sehr differenziert: Er schaltet das Schmerzprotein TRPV1 nicht komplett ab, sondern macht nur die erhöhte Reizbarkeit rückgängig. Die Nervenendigungen bleiben dadurch weiterhin empfänglich für Reize – das ist u.a. wichtig für die Regulation der Körpertemperatur“, so Siemens. „Wir haben damit vielleicht eine Ansatzmöglichkeit gefunden, gezielt die Schmerzüberempfindlichkeit auf Ebene der Nervenenden zu dämpfen, ohne dabei wichtige Regulationsprozesse im Körper zu stören.“ Ein entsprechender Wirkstoff könnte z.B. die Schmerzen bei chronischen Entzündungen lindern. Die prämierte Arbeit wurde in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.
Springer Medizin und die „Ärzte Zeitung“ vergeben seit 1985 jährlich den nationalen Galenus-von-Pergamon-Preis. Der Preis würdigt in vier Kategorien herausragende pharmakologische Forschungsarbeiten und Arzneimittel-Innovationen. Namensgeber ist Claudius Galenus von Pergamon, neben Hippokrates der einflussreichste Arzt der Antike, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte.
Literatur:
Hanack C, Moroni M, Lima WC, Wende H, Kirchner M, Adelfinger L, Schrenk-Siemens K, Tappe-Theodor A, Wetzel C, Kuich PH, Gassmann M, Roggenkamp D, Bettler B, Lewin GR, Selbach M, Siemens J. GABA Blocks Pathological but Not Acute TRPV1 Pain Signals. Cell. 2015 Feb 12;160(4):759-70. doi: 10.1016/j.cell.2015.01.022.
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
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