Häufigste genetische Todesursache bei Kindern erstmals behandelbar

Seit Dienstag, 8. November 2016, ist erstmals eine Therapie für Säuglinge verfügbar, die unter Spinaler Muskelatrophie Typ 1 leiden. Bei der Erbkrankheit sterben Nervenzellen im Rückenmark ab, die die Muskeln steuern. Die schwerste Form der Erkrankung beginnt im Säuglingsalter und endet oft tödlich durch Ersticken oder Atemlähmung. Sie ist die häufigste genetische Todesursache im Kindesalter. Ein neuer Wirkstoff verlangsamt nun erstmals die krankhafte Nervenschädigung und führt so zu einer Besserung der Symptome. Eine klinische Zulassungsstudie, an der das Universitätsklinikum Freiburg maßgeblich beteiligt war, wurde wegen sehr positiver Ergebnisse im August 2016 vorzeitig beendet. Im Eilverfahren wurde nun die Zulassung auf europäischer und deutscher Ebene beantragt. Das Universitätsklinikum Freiburg ist eines von drei Zentren in Deutschland, das den Wirkstoff schon vor der offiziellen Zulassung im Rahmen eines sogenannten Härtefallprogramms einsetzen darf. Die ersten Patienten wurden bereits mit dem Medikament behandelt.

„Nach Jahrzehnten der Forschung haben wir endlich ein Medikament, mit dem wir den schweren Krankheitsverlauf der Säuglinge positiv beeinflussen können“, sagt Prof. Dr. Jan Kirschner, Leitender Oberarzt der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen des Universitätsklinikums Freiburg. „Wir sind den Familien und Selbsthilfegruppen sehr dankbar, die diesen Weg mit uns gegangen sind.“

Der nun eingesetzte Wirkstoff Nusinersen wurde unter anderem am Universitätsklinikum Freiburg im Rahmen einer internationalen klinischen Phase-III-Studie (ENDEAR) untersucht. Insgesamt waren 122 Säuglinge mit Spinaler Muskelatrophie Typ 1 beteiligt, die bei Studienbeginn unter sieben Monate alt waren. Bei einer Zwischenauswertung im August 2016 zeigte sich bereits nach 12 Monaten Behandlung der sehr positive Effekt von Nusinersen. Die mit dem Wirkstoff behandelten Säuglinge entwickelten sich motorisch deutlich besser als die Säuglinge der Kontroll-Gruppe, die nicht behandelt wurden.

Auch für die etwas weniger schwer betroffenen Kinder mit Spinaler Muskelatrophie Typ 2 konnten mittlerweile in einer Phase-III-Studie (CHERISH) eindeutige positive Effekte nachgewiesen werden. „Wir hoffen bald vielen betroffenen Patienten und Familien mit diesem Medikament helfen zu können“, sagt Prof. Kirschner. „Für die schwer erkrankten Säuglinge mit Spinaler Muskelatrophie Typ I ist das schon jetzt im Rahmen des Härtefallprogramms möglich. Betroffene Familien sollten mit dem behandelnden Arzt besprechen, ob eine Behandlung in Frage kommt.“

Ursache der spinalen Muskelatrophie ist ein Defekt im Gen SMN1. Die Folge ist eine mangelhafte Produktion des Proteins SMN, das für das Überleben der Nervenzellen notwendig ist. Der neue Wirkstoff wurde speziell für diese Erkrankung entwickelt. Er verändert den Ableseprozess eines sehr ähnlichen Gens (SMN2), wodurch eine gewisse Menge des SMN-Proteins produziert wird. Dies führt zur Verbesserung der Symptome.

Kontakt für Medienvertreter:
Prof. Dr. Jan Kirschner
Leitender Oberarzt
Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-44970
janbernd.kirschner@uniklinik-freiburg.de

Johannes Faber
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-84610
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