Gute Beziehung zum Therapeuten – weniger Schmerzen?

Bei Patienten mit chronischen Schmerzen, die gleichzeitig Schwierigkeiten haben, Bindungen aufzubauen, erzielen gängige Therapiekonzepte häufig keine nachhaltige Wirkung. Ann-Christin Pfeifer, Nachwuchswissenschaftlerin an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, untersucht im Rahmen einer Studie, ob ein kombiniertes Behandlungskonzept, das die Bindungs-Probleme gezielt mit in den Fokus rückt, den langfristigen Therapieerfolg für diese Patienten verbessern und die chronischen Schmerzen dauerhaft lindern kann. Für dieses Projekt ist sie mit dem Nachwuchsförderpreis der Deutschen Schmerzgesellschaft ausgezeichnet worden (Dotierung: 7.000 Euro). Ihre Hypothese: Entscheidendes Kriterium für eine gute Langzeitprognose ist eine gute Beziehung zwischen Patient und Therapeut. Vorläufige Ergebnisse einer Heidelberger Pilotstudie mit 52 Patienten, die im Laufe des Jahres veröffentlich werden sollen, unterstützen diese Annahme.

In der aktuellen Studie prüft Ann-Christin Pfeifer bei 150 Patienten mit lange bestehenden Rücken- und Nackenschmerzen erstmals, wie sich die subjektive Einschätzung der Arzt-Patienten-Beziehung nach Abschluss der insgesamt vierwöchigen Therapie unter anderem auf zwei Parameter auswirkt: den Spiegel des „Bindungshormons“ Oxytocin im Blut der Patienten und das Schmerzlevel drei Monate nach Therapieende. Die Kombinationstherapie umfasst Medikamente, Physiotherapie und psychotherapeutische Elemente, welche die soziale Interaktions- und Bindungsfähigkeit verbessern sollen. Die Studie ist ein Kooperationsprojekt der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie des Instituts für Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Marcus Schiltenwolf sowie Prof. Dr. Beate Ditzen.

Dauerhafte Therapieeffekte dank Bindungshormon?

Rund zwei Drittel der Schmerzpatienten sind „unsicher gebunden“, wie Psychologen z.B. Bindungsangst oder Bindungsvermeidung zusammenfassen. Das ist überdurchschnittlich häufig: Im allgemeinen Durchschnitt ist schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung davon betroffen. „Studien haben gezeigt, dass Schmerzpatienten mit solchen Bindungsproblemen es deutlich seltener als andere schaffen, einen anfänglichen Therapieerfolg länger aufrecht zu erhalten“, erläutert Psychologin Ann-Christin Pfeifer. „Die Bindungsfähigkeit scheint also einen nicht zu unterschätzenden Einfluss sowohl auf die Entstehung als auch die Heilungschancen chronischer Schmerzen zu haben.“ Eine wichtige Rolle auf psychobiologischer Ebene könnte dabei Oxytocin zukommen: Es wird während sozialer Bindungskontakte verstärkt ausgeschüttet und wirkt sich positiv auf die Vertrauensbildung aus.

„Genau dieser Vertrauensaufbau ist wichtig für eine gelungene therapeutische Beziehung und in Folge auch die Bereitschaft des Patienten, Empfehlungen seiner Ärzte über die Therapie hinaus einzuhalten“, so die Preisträgerin. Darüber hinaus wurde Oxytocin mit der Schmerzwahrnehmung in Verbindung gebracht: Ein hoher Spiegel des Hormons im Blut ging mit geringerer Schmerz¬empfindlichkeit einher. Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen ist der Oxytocin-Spiegel im Blut niedriger als bei schmerzfreien Vergleichspersonen. An diesen Punkten setzt die aktuelle Studie an: „Wir untersuchen unter anderem erstmals, ob bei dieser speziellen Patientengruppe der Oxytocin-Spiegel vor Therapiebeginn tatsächlich niedriger ist als bei anderen Schmerzpatienten, ob er sich unter bindungsorientierter Schmerztherapie verändert und wie lange diese Effekte anhalten“, so Pfeifer.

Deutsch-Australisches Netzwerk untersucht neue Formen der Schmerztherapie

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sieht in dem ausgezeichneten Projekt einen innovativen Ansatz, um die Versorgung von Schmerzpatienten zu verbessern. In den kommenden zwei bis fünf Jahren fördert es daher mit bis zu 600.000 Euro den Aufbau eines Deutsch-Australischen Forschungsnetzwerks zu Oxytocin, Schmerz und Bindung (German-Australian Research Network on Oxytocin, Pain and Attachment / GARNOPA) unter Heidelberger Federführung.

Speziell in der Schmerztherapie bestehen bereits seit 2015 unter Leitung von Professor Schiltenwolf enge Kooperationen zwischen Heidelberg und Forschungseinrichtungen in Brisbane, die sich zum Teil auch an der aktuellen Studie beteiligen. „Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Netzwerk dank der Förderung durch das BMBF nun noch weiter ausbauen können“, so Professor Ditzen, Direktorin des Instituts für Medizinische Psychologie und Koordinatorin des GARNOPA-Netzwerks. So soll unter anderem ein spezielles Verfahren zur standardisierten Bestimmung von Oxytocin im Blut etabliert und im „GARNOPA-Lab“ in Heidelberg für gemeinsame Projekte zur Verfügung stehen. Eine gemeinsame elektronische Plattform, entwickelt von Professor Dr. Petra Knaup-Gregori und Dr. Matthias Ganzinger, Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, fördert die digitale Vernetzung. Gemeinsam mit Professor Dr. Svenja Taubner, Direktorin des Instituts für Psychosoziale Prävention, wird ein internationales Handbuch mit Empfehlungen zur bindungsorientierten Schmerztherapie über diese Schnittstelle angepasst und verbreitet. Verbundpartner sind das Institut für Medizinische Psychologie, die Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, das Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, das Institut für Psychosoziale Prävention, alle Universitätsklinikum Heidelberg, sowie die University of Queensland, Australien.

Kontakt:
Ann-Christin Pfeifer
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221/56-35492
E-Mail: ann-christin.pfeifer@med.uni-heidelberg.de

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