Grundrecht auf Palliativversorgung braucht weltweite Vernetzung von Klinik,Wissenschaft und Politik

Palliativversorgung, Dekubitus, Durchgangssyndrom: Pflege, Krebserkrankungen

Schwerst erkrankte Menschen und ihre Familien brauchen weltweit gleichberechtigten Zu-gang zu einer frühzeitigen, gut abgestimmten, vernetzten und schnittstellenübergreifenden Palliativversorgung. „Palliative Care must be part of the global health agenda“, forderte Prof. Phil Larkin, Präsident der European Association for Palliative Care (EAPC), bei der heutigen Eröffnung des 16. Weltkongresses der EAPC in Berlin. Der Kongress unter dem Titel „Global palliative care – shaping the future“ wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Bedeutung des Themas sowie die Rolle der EAPC als weltweiter Akteur in der Entwicklung und Umsetzung von Palliative Care wird auch unterstrichen durch mehr als 3.000 Teilnehmende aus über 100 Ländern – darunter Kongressgäste aus Australien, den USA, Kanada und Singapur.

EAPC-Weltkongress erstmals in Deutschland > 3.000 Teilnehmende aus 100 Ländern

Der Staatssekretär im Bundessozialministerium, Rolf Schmachtenberg, erklärte anlässlich der Kongresseröffnung: „Ohne wissenschaftlichen Austausch und fachliche Auseinandersetzung sind länderübergreifende Weiterentwicklungen für eine gute Hospiz- und Palliativ-Versorgung nicht denkbar. Ich begrüße nachdrücklich, dass der 16. Weltkongress der EAPC auch Personengruppen in den Blick nimmt, deren Versorgung und Begleitung ganz besonders herausfordernd ist, wie zum Beispiel Menschen mit schweren Behinderungen, Demenzerkrankte oder auch Menschen ohne festen Wohnsitz.“

Dr. Sébastien Moine, Vorsitzender des wissenschaftlichen Komitees des EAPC-Weltkongresses, betonte die wichtige Rolle Deutschlands in der globalen Gesundheitspolitik, welche sich zukünftig unmissverständlich für einen weltweit gleichberechtigten Zugang zur Palliativversorgung aussprechen müsse. Im Sinne einer guten Grundversorgung zeigte sich Dr. Moine erfreut darüber, dass die 2019 aktualisierte Version des „EAPC Primary Palliative Care Toolkit“ aktuell durch WONCA, die Gesellschaft der „World Family Doctors“, befürwortet wurde und noch während des Kongresses gestartet wird: „Here’s hoping for the dissemination of the palliative approach in primary care!“

Globales Ungleichgewicht am Lebensende schwer zu ertragen

„Das globale Ungleichgewicht in der Versorgung von sterbenden Menschen ist schwer zu ertragen.“ so Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der gastgebenden Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Weltweit müssen Gesundheitsstrategien hinsichtlich der Festschreibung eines grundlegenden Rechts auf Palliativ- und Hospizversorgung überprüft werden, welches sicherstellt, dass der erkrankte Mensch mit seinen An- und Zugehörigen im Mittelpunkt steht. Es gehört zur guten Tradition der EAPC-Kongresse, nationale Strategien auf den Weg gebracht zu haben.

„So haben wir in Deutschland, angestoßen durch den EAPC-Kongress 2007 in Budapest, eine Charta zur Betreuung und Begleitung schwer erkrankter Menschen implementiert und nationale Handlungsempfehlungen festgelegt. Doch gleichzeitig kämpfen lebensbegrenzend erkrankte Menschen in den Entwicklungsländern um den Zugang zu Schmerzmitteln – dies oft vergebens.“ Das internationale Netzwerk sei deshalb von außerordentlicher Bedeutung.

Palliativversorgung

Entsprechend sei es eine besondere Ehre, so PD Dr. Anne Letsch als Co-Chair des wissenschaftlichen Komitees und Vorsitzende des lokalen Organisationskomitees des Weltkongresses, dass Prof. Dr. Detlev Ganten, Präsident des World Health Summit, zum Abschluss über Anknüpfungspunkte an das bedeutende internationale Forum für globale Gesundheitsfragen, strategische Entwicklungen und Entscheidungen im Gesundheitsbereich sprechen wird.

Schwerstkranke Kinder und Jugendliche

Laut Dr. Sébastien Moine, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Komitees des Weltkongresses, hat sich dieses erstmals dafür entschieden, zwei wesentliche Inhalte für jeweils einen kompletten Tag in den Mittelpunkt zu stellen: Palliativversorgung von Kindern und Heran-wachsenden sowie die Integration von Onkologie und Palliativmedizin.

„Paediatric Palliative Care“ steht am 23. Mai im Fokus, dies auf Initiative von Dr. Julie Ling, Kinderpalliativmedizinerin wie auch Geschäftsführerin der EAPC. Erwartet werden rund 900 Teilnehmende. Dabei geht es sowohl um eine Studie zu „End of Life Decision Making in the Perinatal Period“ wie um die Palliativversorgung von Heranwachsenden in Uganda, um Symptommangement wie um Neues zum gezielten Einsatz verschiedenster Arzneimittel. Aktuelle Herausforderungen in der Entscheidungsfindung und in der Begleitung des Kindes bzw. Jugendlichen und seiner Familie sind ebenso Thema wie Lebensqualität und vorausschauende Planung mittels eines begleiteten Gesprächsprozesses zur Unterstützung der Kinder/Jugendlichen, Angehörigen und Gesundheitsfachkräfte.

Europäische Gesellschaften für Onkologie & Palliativversorgung im Dialog

Ebenfalls als Novum werden sich am 24. Mai die EAPC und die European Society for Medical Oncology (ESMO) gemeinsam einen Tag lang mit den Schnittstellen von Onkologie und Palliativmedizin, der wechselseitigen Integration beider Fachgebiete und deren Implikationen für die Weiterbildung, teamorientierte Kooperation und den gemeinsamen Blick auf die Bedürfnisse des tumorerkrankten Menschen auseinandersetzen – 1.000 Anmeldungen für diesen Strang verweisen auf die Relevanz des Dialogs und der Zusammenarbeit beider Fächer.

Die rasanten Entwicklungen insbesondere in der Krebsbehandlung haben auch Auswirkungen auf moderne Palliativkonzepte, erläutert Privatdozentin und Internistin Anne Letsch, Vorstandsmitglied der DGP, Oberärztin und Leitung des Palliativbereichs in der Klinik für Hämatologie und Onkologie, Campus Benjamin Franklin, Charité Berlin: „Menschen mit Tumorerkrankungen leben länger, aber auch länger mit einer chronischen Erkrankung.“ Um die Palliativversorgung frühzeitig und bedarfsorientiert in den Krankheitsverlauf zu integrieren, sind Barrieren zu überwinden wie die Angst vor den Themen Sterben und Tod, die starke Sektorentrennung zwischen Versorgungsstrukturen, der Fachkräftemangel insbesondere in der Pflege.

Frühzeitige Integration von Palliative Care in weitere Fachgebiete

Inhaltlich setzt das umfassende Programm laut Dr. Sébastian Moine auch einen Schwerpunkt bezüglich der dringend notwendigen Integration multiprofessioneller Palliativversorgung in weitere Fachdisziplinen und Fachgebiete: Beispiele sind lebenslimitierende Erkrankungen aus dem neurologischen, kardiologischen oder pneumologischen Formenkreis. Ebenso werden bislang unterrepräsentierte Gruppen, denen der Zugang zur Hospiz- und Palliativversorgung erschwert ist, in den Blick genommen. Während es in der Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund gilt, gemeinsam kulturspezifische und sprachliche Barrieren zu überwinden, sind für den angemessenen Umgang mit schwer erkrankten Menschen mit Beeinträchtigungen beispielsweise Informationsmaterialien für die Beteiligten hilfreich.

Noch kaum öffentlich diskutiert wird in der Palliativversorgung der Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wie auch queeren Lebensweisen, dies soll sich ändern: In einem Open Meeting werden heute aktuelle Forschungsergebnisse zu entsprechender Zugangsgerechtigkeit am Lebensende vorgestellt. Zudem soll über Ideen und Möglichkeiten für weitere internationalen Aktivitäten diskutiert werden.

Gleichberechtigung wird bei diesem Kongress ebenfalls großgeschrieben. Außerdem über-flügelt die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sämtliche bisherigen EAPC-Kongresse – mit 500 Anmeldungen allein aus Deutschland, 300 aus UK, über 200 aus den Niederlanden, jeweils über 100 aus Spanien, Belgien, Dänemark, Schweiz, Schweden.

Einladung zum Internationalen Symposium Ehrenamt am 25. Mai

Sehr gern nutzte Rolf Schmachtenberg das Opening des Kongresses, um auch auf ein vom Bundesfamilienministerium gefördertes internationales Symposium zum Ehrenamt in der Hospiz- und Palliativversorgung mit rund 350 Teilnehmenden hinzuweisen, das am Samstag, 25. Mai stattfindet. Damit wird auch die beim EAPC-Kongress 2017 in Madrid initiierte „„Voice of Volunteering“ – the EAPC Madrid Charter on Volunteering in Hospice and Palliative Care“ mit Leben erfüllt. Tagungspräsident Prof. Dr. Lukas Radbruch: „Eine einmalige Gelegenheit, Spannendes zum Ehrenamt zu erfahren, sich miteinander auszutauschen und Netzwerke zu bilden!“ Eine besondere Freude sei es, M.R. Rajagopal aus Indien und Fatia Kiyange aus Uganda zu ihren Vorträgen zu begrüßen. Anmeldungen für die kostenfreie und simultan übersetzte Veranstaltung sind noch möglich.

Der Weltkongress in Kürze? Schöner als EAPC-Präsident Phil Larkin kann man das nicht ausdrücken: „We who we work in the field are as much about life as death, supporting patients and families to live and live well until the end. So, as the people of Berlin, we should embrace life and savour every moment that this congress and this city will offer us over the next few days.“ Welcome to Berlin!

#EAPC 2019: https://www.eapc-2019.org/home.html

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