Dr. Paolo Cesare, Nachwuchsforscher aus dem Bereich Elektrophysiologie am Naturwissenschaftlichen und Medizinischen Institut an der Universität Tübingen (NMI), erhielt am 9. Juli 2015 anlässlich des Sommerfests von BioRegio STERN den 1. Preis des mit 2.000 Euro dotierten Ideenwettbewerbs Science2Start 2015. Der aus Italien stammende Biologe wird für die Entwicklung des MEAFLUIT-Systems ausgezeichnet – ein 3D-Zellmodell, das die Kommunikation zwischen Nervenzellen und die neuronale Signalweiterleitung in Echtzeit nachbilden und untersuchen kann.
Für die Enträtselung neuronaler Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Epilepsien oder auch Schmerz ist es notwendig, die zellulären und funktionellen Mechanismen bei der Kommunikation von Nervenzellen aufzuklären und besser zu verstehen. Hier setzt Paolo Cesare mit seiner Forschungsarbeit an und bietet mit seinem Testsystem MEAFLUIT nun die Möglichkeit, gestörte Mechanismen der Signalverarbeitung zu analysieren und die Wirkung potenzieller Medikamente auf die Funktion von Nervenzellverbänden zu testen.
„Bisher gab es kein Zellmodell, das diese Aufgabe erfüllt. Die klassische zweidimensionale Zellkultur spiegelt die Situation im lebenden Organismus zu wenig wider, als dass sie für die Wirkstoffentwicklung und Testung von Substanzen geeignet wäre. Neue Medikamente müssen daher mit Tierversuchen getestet werden. Dies wollen wir mit dem neuen, dreidimensionalen Testsystem ändern. Gleichzeitig erhoffen wir uns von dem Zellmodell neue Erkenntnisse für die Untersuchung neuronaler Erkrankungen“, beschreibt Cesare seine Erwartungen an die Entwicklung.
Für das MEAFLUIT-System verwendet Cesare Nervenzellen, die aus humanen Stammzellen differenziert worden sind, und positioniert sie im 3D-Zellmodell so, dass ihre Verbindungen untereinander denen im menschlichen Körper entsprechen. Durch das Anlegen eines magnetischen Feldes können dann einzelne Nervenfasern gezielt stimuliert und zelluläre Ursachen für eine gestörte Signalweiterleitung oder Schmerzempfindung leichter erforscht werden. Für Labore in der ganzen Welt eröffnet das neue Testverfahren die Möglichkeit, die Signalverarbeitung neuronaler Verschaltungen in vitro über lange Zeit und mit einem hohen Durchsatz zu messen.
Die aus Wissenschaftlern, Wagniskapitalgebern und Unternehmern zusammengesetzte Jury überzeugte die wissenschaftliche Exzellenz und das wirtschaftliche Potenzial dieser Entwicklung. „Seit sieben Jahren zeichnen wir die besten Ideen des Wettbewerbs Science2Start aus. Es geht uns dabei um Gründungsideen, die wissenschaftliche Exzellenz mit Vermarktungspotenzial verbinden. Das NMI gehörte bisher fast in jedem Jahr zu den Preisträgern. Ein Beleg dafür, dass das Institut eine Schlüsselposition in diesem Bereich einnimmt.“, würdigte Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH, das NMI.
Erfreut über die aktuelle Auszeichnung zeigte sich auch Prof. Dr. Hugo Hämmerle, Institutsleiter des NMI, anlässlich der Preisverleihung. „Visionäre und unkonventionelle Forschungsideen wie diese sind die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg. Wir freuen uns deshalb sehr, dass in diesem Jahr wieder ein Wissenschaftler aus unserem Haus zu den Preisträgern im Ideenwettbewerb Science2Start gehört. Die Entwicklung des MEAFLUIT-Systems überzeugt durch ihren konkreten Nutzen für viele Anwendungen in der neurobiologischen Forschung, der Arzneimittelentwicklung und Neurotoxizitätstestung“