Ohne das Pflaster auf ihrer Wange und die Sonde in der Nase würde man es nicht für möglich halten, dass Rebekka erst vor zwei Wochen eine neue Niere erhalten hat. Das 22 Monate alte Mädchen läuft über den Flur in der Kinderklinik des Universitätsklinikums Heidelberg, stürzt sich auf ein Dreirad und macht auch sonst einen munteren und aufgeweckten Eindruck. Der Tag, an dem Rebekkas Vater Tobias seiner Tochter eine neue Niere und damit ein neues Leben spendete, war auch für das Transplantationszentrum des Klinikums ein besonderer Tag. Die Heidelberger Ärzte haben zum 500. mal einem Kind oder Jugendlichen eine Niere übertragen.
Wann ist eine Nierentransplantation in diesem Alter erforderlich? „Bei Kindern und Jugendlichen sind etwa 60 Prozent der Nierenerkrankungen, die zum chronischen Versagen des Organs führen, angeboren. Meist handelt es sich um Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege“, erklärt Professor Burkhard Tönshoff, Leitender Oberarzt der Klinik für Kinderheilkunde I und Leiter des pädiatrischen Nierentransplantationsprogramms.
Bei der Geburt nur eine Niere
So war es auch bei Rebekka. Mutter Mirjam Mosig erinnert sich: „Bereits in der Schwangerschaft ahnten die Ärzte, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das Ultraschallbild zeigte nur eine Niere.“ Nach der Geburt stellte sich heraus, dass diese viel zu klein war und nicht funktionierte – Rebekka war von ihrem fünften Lebenstag an auf die Dialyse angewiesen. Die Familie entschied sich für eine Bauchfelldialyse, die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zu Hause fortgeführt werden konnte. Jede Nacht wurde Rebekka für elf Stunden an ein Gerät angeschlossen, das mit Hilfe einer Dialyselösung, die in ihren Bauch geleitet wurde, die schädlichen Stoffe aus dem Körper heraus filterte. Fast zwei Jahre wurde das Leben der Familie auf den Kopf gestellt – bis Rebekka alt genug war und operiert werden konnte.
„In der Regel kann Kindern ab einem Gewicht von acht bis zehn Kilogramm, entsprechend einem Alter von ein bis zwei Jahren, eine Niere transplantiert werden – in Ausnahmefällen auch noch früher“, sagt Professor Jan Schmidt, Leiter der Sektion Viszerale Organtransplantation der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. „Die neue Niere wird in den Unterbauch des Kindes eingepflanzt. Dort ist ausreichend Platz und es ist meist ohne Probleme möglich, auch sehr kleinen Kindern eine Erwachsenenniere zu transplantieren“, so der Operateur von Rebekka.
Lebendspende bei Kindern mit Vorteilen
Die Ärzte entschieden sich gemeinsam mit der Familie für eine Lebendspende, bei der Vater Tobias Mosig als Spender fungierte. Zuvor wurden Blutgruppenverträglichkeit und Fehlen bestimmter Antikörper beim Kind sowie der Gesundheitszustand des Vaters gecheckt. „Eine Lebendspende ist bei einem Kind die optimale Lösung. Lange Wartezeiten entfallen und die Transplantation ist zeitlich sehr gut planbar“, führt Professor Schmidt die Vorteile gegenüber der Spende von Verstorbenen auf. Ein weiterer Pluspunkt: Die Nierenentnahme erfolgt, während das Kind parallel bereits zur Transplantation vorbereitet wird. Während bei einer Verstorbenenspende die Niere oft viele Stunden zum Empfänger transportiert und nicht optimal mit Blut und Nährstoffen versorgt wird, beträgt die Zeitspanne bei einer Lebendspende nur ca. 90 bis 120 Minuten. „Diese Vorteile führen in der entscheidenden Entwicklungsphase des Kindes zu einer besseren Nierenfunktion und einer längeren Überlebenszeit des transplantierten Organs, die 20 Jahre und mehr betragen kann“, so Professor Tönshoff.
Für Vater Tobias Mosig war es selbstverständlich, dass er sich als Spender zu Verfügung stellte. Genau wie seine Tochter Rebekka war der 35-Jährige schon wenige Tage nach der Operation wieder wohlauf. Jetzt freut sich die Familie auf die Zeit zu Hause – ohne nächtliche Dialyse. Und Schwester Johanna, dreieinhalb Jahre alt, ist froh, dass sie endlich mit Rebekka in einem Zimmer schlafen darf. „Dies war wegen der Dialyse und dem steril durchzuführenden Verbandswechsels an ihrem Bauch nicht möglich“, erklärt Tobias Mosig.
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist das größte Kinder-Transplantationszentrum in Süddeutschland. Bereits 1969 erfolgte hier die erste Nierentransplantation. Das Zentrum führt jährlich etwa 20 Nieren- und zwölf Lebertransplantationen bei Heranwachsenden durch; in den Nachsorgeambulanzen werden ca. 130 Kinder nach Nierentransplantation und ca. 100 Kinder nach Lebertransplantation betreut.
Für Rückfragen:
Professor Dr. Burkhard Tönshoff
Leitender Oberarzt der Klinik für Kinderheilkunde I
und Leiter des pädiatrischen Nierentransplantationsprogramms
Angelika-Lautenschläger Klinik
Im Neuenheimer Feld 430
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 41 51 (Sekretariat)
E-Mail: Burkhard.Toenshoff(at)med.uni-heidelberg.de
Professor Dr. Jan Schmidt
Leiter der Sektion Viszerale Organtransplantation
Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 62 05 (Sekretariat)
E-Mail: Jan.Schmidt(at)med.uni-heidelberg.de
Mirjam und Tobias Mosig
Tel.: 06221 / 43 73 43
E-Mail: tobias.mosig(at)web.de
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
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