Großangriff auf den Lebenszyklus von Malariaparasiten / Durchbruch bei Erforschung von Malariaparasiten in „Nature Biotechnology“

Noch immer sterben weltweit über eine Millionen Menschen jährlich an
Malaria – alle 30 Sekunden stirbt ein afrikanisches Kind an den Folgen der
Erkrankung. "Zunehmende Medikamentenresistenz des Malariaparasiten
macht die Entwicklung neuer Strategien zur Vorbeugung und Behandlung
der Infektion dringend notwendig", betont Dr. Tim Gilberger vom BNI. Da
der Malariaerreger einen einzigartigen Lebenszyklus durchläuft, können
Forscher auf molekularer Ebene nach Besonderheiten in der Entwicklung
des Parasiten suchen. Diese Erkenntnisse nutzen sie dann aus, um
Substanzen zu suchen, die dem Parasiten, nicht aber dem Menschen
schaden.

Ein nützliches Hilfsmittel hierzu hat das Forscherteam um Dr. Gilberger
(BNI) und Prof. Dr. Zbynek Bozdech (NTU) entwickelt: In einem
Gemeinschaftsprojekt erstellten sie die weltweit erste Datenbank, die die
Funktion von mehr als 2.500 hypothetischen Proteinen des Malariaerregers
vorhersagt. Ausgangspunkt des Projekts war die große Herausforderung,
dass die Funktion von über 50 Prozent der 5.300 Gene des Parasiten noch
unbekannt war.

Die Datenbank wurde in der Januar-Ausgabe 2010 der hochrangigen
Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" veröffentlicht – nach rund fünf
Jahren Forschungsarbeit.(1) Ein Aufwand, der sich gelohnt habe, so
Gilberger. Denn "nur das vollständige Verstehen und Charakterisieren aller
Gene bedeutet einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung neuer
Strategien zu Prävention und Therapie der Malaria", erklärt der
Parasitologe.

Was zuvor keiner wagte: Bioinformatik kombiniert mit modernsten
Hochdurchsatz-Methoden

Bisher hatte sich kaum ein Wissenschaftler an einer Analyse aller Gene des
Malaria-Erregers versucht. Die biologische Besonderheit des Parasiten
erschwert die Anwendung von Forschungstechniken, die Wissenschaftler
bei anderen Organismen mit Erfolg einsetzten. Dennoch wagten Gilberger
und Bozdech den Schritt und sammelten Daten mittels moderner
"Microarray-Technik". Dabei verglichen sie den Einfluss einer Vielzahl von
Medikamenten und Substanzen auf die Genregulation des Erregers.
Der Erfolg: Die Forschergemeinschaft konnte ihre eigenen Ergebnisse mit
entwicklungsbiologischen Informationen von verschiedenen
Malariaerregern, Analysen wiederkehrender Motive in DNA-Sequenzen und
Hochdurchsatz-Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen einzelnen
Proteinen kombinieren. "Nur durch die Kombination vier verschiedener
Forschungsmethoden gelang es, das erste verlässliche Proteinnetzwerk
von P. falciparum zu erstellen", so Gilberger. Die Datenbank stünde nun
Wissenschaftlern aus aller Welt zur Verfügung.

BNI startet neuen Forschungsansatz gegen Parasiten-Invasion

Gilberger selbst ist am meisten am Proteinnetzwerk "Invasion" interessiert:
die Gesamtheit aller Proteine, die – der Vorhersage zufolge – am
Eindringen der Malariaerreger in Blutzellen beteiligt sind. Die Hamburger
Wissenschaftler haben damit begonnen, 70 potentielle Invasions-Proteine
herauszusuchen, um ihre Rolle beim Eindringen in Blutzellen zu bestätigen
und genauer zu untersuchen.

Erste Ergebnisse seien viel versprechend, bemerkt Gilberger. Seine
Gruppe konnte bereits 42 Proteine mit einem fluoreszierenden Farbstoff
markieren und dadurch die Lokalisierung der Eiweißmoleküle im Parasiten
bestimmen. "Möglicherweise können wir in Zukunft mit einem geeigneten
Medikament die Ausbreitung des Erregers in die Blutzellen verhindern",
hofft der Parasitologe des BNI. Bis dahin werde jedoch noch ‚viel Wasser
die Elbe hinunter fließen‘. Denn "nur die funktionelle Untersuchung der
mehr als 300 Invasions-Proteine wird es uns ermöglichen, die
Schwachstellen in diesem Vorgang zu erkennen", erklärt Gilberger. Dann
könne das gewonnene Wissen zur Entwicklung neuer Präventions- und
Therapieansätze gegen Malaria genutzt werden.

Publikation:
(1) Hu, et al.: Transciptional profiling of growth perturbations of the human
malaria parasite Plasmodium falciparum. Nat Biotechnol. 2010 Jan;28(1):91-8.

Über das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ist Deutschlands größte
Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet
tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten.
Gegenstand der Forschung sind Klinik, Epidemiologie und
Krankheitsbekämpfung sowie die Biologie der Krankheitserreger, ihrer
Reservoirtiere und Überträger. Den aktuellen Schwerpunkt bilden Malaria,
hämorrhagische Fieberviren, Tuberkulose und Gewebewürmer. Für den Umgang
mit hochpathogenen Erregern wie Lassa- und Ebola-Viren verfügt das Institut
über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4). Als
herausragende wissenschaftliche Leistungen des Instituts in jüngster
Vergangenheit gelten die Identifizierung des SARS-Coronavirus und die
Entdeckung eines bisher unbekannten Entwicklungsstadiums der Malaria-
Erreger im Menschen.

Versorgungsleistungen des Instituts umfassen die spezielle Labordiagnostik
tropentypischer und anderer seltener Erkrankungen, eine enge Zusammenarbeit
mit der Bundeswehr sowie Beratung für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und
Öffentlichkeit, die wesentlich zur gesamtstaatlichen Bedeutung des Instituts
beitragen. Das Institut dient darüber hinaus als nationales Referenzzentrum für
den Nachweis aller tropischen Infektionserreger, Referenzlabor für SARS und
Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation für hämorrhagische
Fieberviren.

Die Lehrtätigkeit umfasst einen dreimonatigen, ganztägigen Kursus über alle
Aspekte der Tropenmedizin für Ärzte sowie ein Fortbildungsprogramm für
Doktoranden des Instituts und eine Reihe von Weiterbildungsangeboten zu
Themen der Reisemedizin und der internationalen Gesundheit.
In Zusammenarbeit mit dem ghanaischen Gesundheitsministerium und der
Universität von Kumasi betreibt das Institut seit über zehn Jahren ein modernes
Forschungs- und Ausbildungszentrum in Ghana, das auch externen
Arbeitsgruppen zur Verfügung steht.

Als Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL)
wird das Institut als Forschungsinstitut mit überregionaler Bedeutung gemeinsam
durch den Bund, die Freie und Hansestadt Hamburg und die übrigen
Bundesländer finanziert.

Pressekontakt BNI:
Dr. Tim Gilberger
AG Malaria II
Bernhard-Nocht-Str. 74
20359 Hamburg
Tel.: +49 40 42818-486
E-Mail: gilberger@bnitm.de

Dr. Eleonora Setiadi
Wissenschaftsreferentin / PR
Bernhard-Nocht-Str. 74
20359 Hamburg
Tel.: +49 40 42818-264
E-Mail: setiadi@bnitm.de
(idw, 02/2010)

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