Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die auch als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom oder Hyperkinetische Störung (HKS) bezeichnet wird, ist eine bereits im Kindesalter beginnende psychische Störung, die sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet. Schätzungsweise 3–10 % aller Kinder zeigen Symptome im Sinne einer ADHS. Die ADHS gilt heute als häufigste Ursache von Verhaltensstörungen und schulischen Leistungsproblemen von Kindern und Jugendlichen.
Aufmerksamkeits-Defizit Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS)
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Das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz ADHS genannt, stellt mittlerweile eines der am häufigsten beschriebenen Krankheitsbilder im Kindes- und Jugendalter dar. In Deutschland sind schätzungsweise zwei bis sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen von ADHS betroffen, Jungen dabei drei- bis neunmal häufiger als Mädchen. Im Zentrum der Erkrankung stehen eine verminderte Fähigkeit zur Selbststeuerung, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, eine ausgeprägte körperliche Unruhe sowie starker Bewegungsdrang (Hyperaktivität), außerdem impulsives und unüberlegtes Handeln. Fehlt die Komponente der Hyperaktivität, häufig bei Mädchen, wird die Störung als Aufmerksamkeits- Defizit- Syndrom (ADS)bezeichnet. Die Diagnose wird jedoch oft nicht gestellt, da ADS der Umwelt nicht als störend auffällt und die Symptome der Unaufmerksamkeit und Impulsivität nicht als eine mögliche Störung wahrgenommen werden. Wird ADHS jedoch nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können im Laufe der Zeit die Störungen im Sozialverhalten der Kinder so stark werden, dass ein unmittelbarer Bezug zur zugrunde liegenden Erkrankung nicht mehr ohne Weiters zu erkennen ist. Wichtig ist auch, dass nicht jedes Kind, das unkonzentriert, lebhaft und laut ist, an ADHS leidet. Die Übergänge von „schwierigem Verhalten“ zu ADHS sind fließend und für den Laien häufig schwer einzuschätzen.
Zur weiteren Information: ADHS Deutschland e.V.: Definition ADHS
Da die eine Ursache für ADHS bisher nicht gefunden werden konnte, gehen Fachleute immer noch davon aus, dass verschiedene neurobiologische und psychosoziale Faktoren für die Erkrankung verantwortlich sind. Dabei spielen ererbte biologische Faktoren eine große Rolle. Im Rahmen der Zwillingsforschung hat sich herausgestellt, dass bei eineiigen Zwillingen mit identischen Erbanlagen sehr viel häufiger beide Kinder von ADHS betroffen sind als bei zweieiigen Zwillingen mit unterschiedlichen Erbanlagen. Außerdem hat sich gezeigt, dass ADHS familiär gehäuft vorkommt, zum Teil sind beziehungsweise waren auch die Eltern betroffen. Ob jedoch eine ererbte Veranlagung für ADHS letztendlich zu einer Störung mit auffälligen Symptomen führt, wird im Wesentlichen davon beeinflusst, auf welche Lern- und Umweltbedingungen diese Kinder treffen und ob auf ihre „Besonderheit“ angemessen eingegangen wird. Die neurobiologischen Veränderungen bei ADHS bestehen darin, dass zu wenig Dopamin vorhanden ist. Das Dopamin ist ein Botenstoff, der den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen regelt und in bestimmten Hirnabschnitten für koordinierte Bewegung, emotionale Steuerung und zielgerichtete Aufmerksamkeit zuständig ist. Durch den Mangel an Dopamin entsteht bei Kindern mit ADHS eine so genannte Reizoffenheit, bei der die Reize von außen ungefiltert auf die Kinder einwirken und nicht richtig verarbeitet werden können. Fehlende Kontrolle des Bewegungsdranges, der Gefühle und der Aufmerksamkeit sind die Folge.
3. Welche Faktoren nehmen zusätzlich Einfluss auf ADHS?
Gesellschaftliche Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen, können ADHS zwar nicht verursachen, den Verlauf der Störung jedoch stark beeinflussen. Vor allem Kinder mit ADHS nehmen von der heutigen Zeit mitsamt ihrer Schnelllebigkeit Schaden, da sie auf Grund ihrer Reizoffenheit Schwierigkeiten haben, die Fülle der aufgenommenen Informationen aus Fernsehen, DVD, Video und Computer zu verarbeiten. Deshalb ist es gerade für diese Kinder wichtig, Freizeitaktivitäten zu entwickeln, die ihren Fähigkeiten und Einschränkungen entsprechen und auch ihrem hohen Bewegungsdrang Rechnung tragen. Auch die Schule stellt für Kinder und Jugendliche, die unter ADHS leiden, ein großes Problem dar. Im Vergleich mit ihren Schulkameraden fühlen sie sich häufig als Versager, da ihnen die Dinge wenn überhaupt nur mit Mühe gelingen. Setzt man diese Kinder unter Druck, damit sie bessere schulische Leistungen erlangen, reagieren sie mit Trotz oder Resignation, da sie merken, dass sie den Anforderungen nicht gerecht werden können. Zusätzlich kann eine anhaltende problematische Familiensituation den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen, da Kinder mit ADHS viel Orientierung und klare Strukturen benötigen und Eltern mit erheblichen beruflichen oder persönlichen Problemen die Bedürfnisse der Kinder nicht genügend erfüllen können.
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4. Wie wird die Diagnose ADHS gestellt?
Die Diagnosestellung „ADHS“ erfolgt nach festen Kriterien. Diese sind beispielsweise in einem weltweit anerkannten internationalen Klassifikationsschema der Weltgesundheitsorganisation niedergelegt. Um die Diagnose „ADHS“ schließlich stellen zu können müssen mehrere Symptome, die für Hyperaktivität, Impulsivität oder fehlende Aufmerksamkeit sprechen, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten deutlich ausgeprägt sein, in mehreren Lebensbereichen auftreten und bereits im Vorschulalter begonnen haben. Auch mögliche Begleiterscheinungen wie beispielsweise Angststörungen oder Depressionen, die vorliegen und die Grunderkrankung teilweise überdecken können, müssen beachtet und mitbehandelt werden. Wichtig ist jedoch, dass alle für ADHS typischen Symptome in abgeschwächter Form in allen Altersstufen vorkommen können, ohne dass ADHS zugrunde liegt. Bei einem Teil der Betroffenen bleiben die Symptome mehr oder weniger deutlich bis ins Erwachsenenalter bestehen.
Zur weiteren Information: ADHS Deutschland e.V.: Definition ADHS
Säuglinge und Kleinstkinder:
Obwohl noch nicht eindeutig erwiesen, können ADHS- Kinder bereits im Kleinstkind- Alter auffällig werden. So sagen Fachleute, dass etwa ab dem Alter von drei Jahren eine Abgrenzung zwischen hyperkinetischem und normalem Verhalten möglich sei. Viele Kinder, die später die Diagnose ADHS bekommen, werden von ihren Eltern häufig als unausgeglichen beschrieben. Außerdem haben sie Probleme mit der Anpassung, dem Essen, dem Schlafen oder sind so genannte „Schreibabys“. Hierdurch kann schon sehr früh eine schwierige Eltern- Kind- Beziehung entstehen. Obwohl für Eltern nicht einfach, ist es wichtig, dass sich Betroffene rechtzeitig eingestehen, mit dem Kind überfordert zu sein und sich um fachliche Hilfe bemühen, da eine stabile Eltern- Kind- Beziehung eine wesentliche Voraussetzung für die gesunde Entwicklung des Kindes darstellt.
Klein- und Grundschulkinder:
Kinder, die unter ADHS leiden, fallen im Kindergarten dadurch auf, dass sie leicht wütend werden und sich nur schwer beruhigen können. Sie sind unfähig, ruhigen Beschäftigungen nachzugehen; jähzorniges und aggressives Verhalten stehen im Vordergrund, wodurch beständige Freundschaften nur schwer geschlossen werden können. Außerdem werden Ermahnungen, Aufforderungen und Grenzen von Erwachsenen nicht gehört und beachtet. Kommt das Kind schließlich in die Schule, verschärfen sich die Probleme weiter. Betroffene Kinder können sich schlecht konzentrieren, werden rasch abgelenkt. Trotz Ermahnungen durch die Lehrer werden die Hausaufgaben nur unvollständig erledigt, die anderen Schüler gestört und jede freie Minute zum „Rumalbern“ genutzt. Vor allem wenn sich die Kinder mit den Aufgaben überfordert fühlen, verschlimmert sich die Symptomatik. Bei Dingen, die ihr Interesse wecken, können sie hingegen sehr konzentriert sein und gute Leistungen erzielen. Alles in allem werden die Kinder durch die vielen Erfahrungen von „Wollen, aber nicht Nicht-Können“ in ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Aufgrund der vielen Ermahnungen fühlen sie sich ungeliebt. Schließlich entwickeln sie eine trotzige und aggressive Verweigerungshaltung, die wiederum eine negative Reaktion der Eltern und Lehrer verstärkt.
Jugendliche:
Mit Beginn der Pubertät nimmt das Symptom der Hyperaktivität ab, Impulsivität und Aufmerksamkeitsstörung bleiben hingegen bestehen. Im Vordergrund steht die meist schlechte Schulleistung, verstärkte antisoziale und aggressive Verhaltensweisen.
Auch die Anfälligkeit für Drogen- und Alkoholmissbrauch, Depressionen oder Ängste ist bei ADHS- Kindern höher als bei den übrigen Jugendlichen.
Erwachsene:
Entgegen der Meinung, dass ADHS lediglich eine Störung des Kindes- und Jugendalters darstellt, können die Symptome bei einigen Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben. Bei Erwachsenen stehen dabei Begleitsymptome des ADHS wie Ängste, Depressionen oder Süchte im Vordergrund.
6. Welche Begleitstörungen treten bei ADHS auf?
Bei etwa zwei Dritteln der Kinder mit ADHS zeigen sich neben den typischen Hauptsymptomen weitere Verhaltensauffälligkeiten.
Hat das Kind ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche, viel Streit mit Erwachsenen oder körperliche Auseinandersetzungen mit anderen, spricht man von einer Störung des Sozialverhaltens, was in der Hälfte der Fälle von ADHS- Kindern mit Begleitstörungen der Fall ist. In einem Viertel der Fälle kommen zusätzlich Angststörungen, Depressionen oder Lernstörungen wie beispielsweise Lese-/ Rechtschreib-/ oder Rechenschwäche vor. Auch unter so genannten Tic-Störungen (plötzliche Lautproduktionen, Blinzeln, Grimassenschneiden) oder Störungen der Koordination können Kinder mit ADHS leiden.
Zur weiteren Information: Selbsthilfe ADHS Deutschland e.V.: Begleitstörungen von ADHS
Eine Heilung von ADHS ist bis zum heutigen Tag noch nicht möglich. Es existieren jedoch verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, welche die Symptome deutlich bessern können und Folgeschäden vermeiden helfen. Einer der wichtigsten Bausteine ist dabei die Beratung und Unterstützung der Eltern. In speziellen Trainings lernen die Eltern durch gezielte Maßnahmen, wie zum Beispiel durch Aufstellung klarer Regeln, die Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder zu vermindern. Um jedoch eine dauerhafte Veränderung erreichen zu können, müssen diese Programme über einen längeren Zeitraum gewissenhaft durchgeführt werden. Zusätzlich zu den Elterntrainings können die Kinder in einem auf ihre Bedürfnisse ausgerichteten Aufmerksamkeits- und Konzentrationstraining lernen, wie sie ihre Aufmerksamkeit erhöhen, ihr Verhalten besser kontrollieren und Handlungen besser planen können. Schrittweise werden die erlernten Techniken dabei auf den Alltag übertragen. Auch so genannte Selbstmanagement- Programme können ADHS- Kindern dabei helfen, angemessene Verhaltensweisen im Umgang mit anderen zu lernen. Leiden die Kinder neben den Kernsymptomen von ADHS zusätzlich an Ängsten oder Depressionen, ist eine psychotherapeutische Begleitbehandlung in jedem Fall notwendig. Bei der Wahl des Therapeuten ist unter anderem darauf zu achten, ob eine Kassenzulassung vorhanden ist. Entsprechende Adressen bekommen Eltern bei ihren Krankenkassen.
Zur weiteren Information: Bildungszentrum für Hyperkinetik: ADHS-Behandlung
8. Gibt es Medikamente gegen ADHS?
Ob ADHS mit Hilfe von Medikamenten behandelt werden sollte, bleibt bis heute umstritten. Dabei geht es vor allem um Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat, das die Konzentration von Dopamin im Gehirn erhöht. Die Entscheidung über eine mögliche medikamentöse Behandlung kann nur vom behandelnden Arzt nach sorgfältiger Diagnosestellung getroffen werden und sollte immer mit den Eltern und (wenn möglich) den Kindern besprochen werden. Vor der Behandlung sollte das Kind in jedem Fall gründlich untersucht werden, da Methylphenidat bei bestimmten Erkrankungen nicht gegeben werden darf. Anhand von Gesprächen und Beurteilungsbögen sollte die Wirksamkeit des Medikamentes regelmäßig überprüft und neu überdacht werden. Wichtig ist jedoch, dass sich alle Beteiligten einer medikamentösen Behandlung von ADHS darüber bewusst sind, dass die Tabletten nicht alle Probleme lösen, sondern nur dabei helfen, bestehende Schwierigkeiten besser lösen zu können. Deshalb sollte ADHS nie allein mit Medikamenten behandelt werden. Bei 85% der Kinder, die mit Methylphenidat behandelt werden, zeigt sich eine Besserung ihrer Symptome, was bedeutet, dass sie sich in der Schule besser konzentrieren und ihren Bewegungsdrang besser kontrollieren können. Entgegen aller Befürchtungen sind diese Kinder nicht suchtgefährdeter als ADHS- Kinder ohne Medikamente.
Zur weiteren Information: Bessere schulische Ergebnisse durch ADHS-Behandlung?
9. Welche „Erkrankungen“ ähneln ADHS?
Nicht immer, wenn ein Kind besonders lebhaft ist oder Verhaltensauffälligkeiten zeigt, liegt ADHS vor. Deswegen sollte vor einer Diagnosestellung immer eine gründliche körperliche Untersuchung (Körpergröße, Gewicht, Herz, Blut, Leber, Niere, Schilddrüse…), da zum Beispiel Hör- oder Sehstörungen, eine Überfunktion der Schilddrüse und bestimmte Epilepsieformen sowie Medikamente ebenfalls zu Verhaltensauffälligkeiten führen können. Auch können bestimmte Belastungssituationen wie eine Trennung der Eltern, der Tod eines Familienangehörigen oder eine dauerhafte Über-/ Unterforderung in der Schule die Kinder irritieren und vorübergehende Auffälligkeiten mit sich bringen.