Gleich zwei David-Sackett-Preise für Arbeiten aus dem Bereich der Physiotherapie!

Seit 2008 würdigt das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. herausragende Leis­tungen auf dem Gebiet der evidenzbasierten Medizin und Gesundheitsversorgung mit dem David-Sackett-Preis. 2016 wurde der Preis an zwei Wissenschaftler-Teams vergeben: an die Autorinnengruppe Anne Barzel, Gesche Ketels, Anne Stark und Britta Tetzlaff für die CIMT Arbeitsgruppe sowie an die Gruppe von Autorinnen und Autoren um Kerstin Luedtke für eine Studie zur Wirksamkeit von transkranieller Stimulation bei chronischem Kreuzschmerz.

Beide ausgezeichneten Arbeiten sind im Bereich der Physiotherapie angesiedelt, einem auf­strebenden therapeutischen Berufsfeld, das um die Verwissenschaftlichung seiner Arbeits­grundlagen bemüht ist, sich aktiv an Leitlinienerstellung beteiligt und in den letzten Jahren viele Studiengänge etabliert und bereits eine ansehnliche Anzahl von promovierten Vertre­terinnen und Vertretern hervorgebracht hat.

Anne Barzel und ihre aus ärztlicher, physio- und ergotherapeutischer Expertise bestehende Gruppe am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf haben mehrere Beiträge aus einem Zeitraum von über 10 Jahren vorgelegt zur Constraint-induced Movement Therapy – kurz CIMT – nach Schlaganfall. Ausgehend von Pilotstudien und vorbereitenden Studien mit quan­titativen und qualitativen Methoden wurde eine komplexe Intervention für Schlaganfallbe­troffene konzipiert und evaluiert. Die Arbeitsgruppe entwickelte das Konzept des CIMT Home, angepasst an ambulante Bedingungen. Das Kernstück der Bewerbung ist eine im Lancet Neurology erschienene Arbeit (1). 71 therapeutische Praxen in Norddeutschland, die Schlagan­fallpatienten mit Dysfunktion der oberen Extremität nach Schlaganfall behandeln, waren ein­geschlossen. Das Neue sind die eigenständigen physiotherapeutischen Übungen in der Häuslichkeit, die Beteiligung nicht-professioneller Übungsbegleiter (z. B. Angehöriger) und die spezifische Ausrichtung auf die Förderung der Teilhabe an Alltagsaktivitäten.

Die Jury würdigte mit dieser Preisvergabe eine sorgfältig entwickelte und einschlägig evalu­ierte Intervention, die ein relevantes Gesundheitsproblem mit einem multidisziplinären Team zu lösen sucht.

Das Forschungsprojekt der anderen mit dem David-Sackett-Preis ausgezeichneten Publika­tion von Kerstin Luedtke et al. „Effectiveness of transcranial direct current stimulation alone or preceding cognitive-behavioral management for chronic low back pain: a sham controlled, double blinded randomized controlled trial“ (2) wurde vor dem Hintergrund initiiert, dass inner­halb weniger Jahre eine Serie von Studien veröffentlicht worden war, die trotz schwerer me­thodischer Mängel zu einem regelrechten „hype“ von transkranieller Stimulation für jede Art von chronischen Schmerzerkrankungen geführt hat. Ohne eine solide Evidenzgrundlage wur­den Patienten mit dieser Methode reihenweise behandelt.

Die im British Medical Journal veröffentlichte Arbeit von Luedtke und Kolleginnen und Kolle­gen ist die erste Studie zu elektrischer transkranieller Stimulation, hier bei Patienten mit nicht-spezifischem Kreuzschmerz, mit einer adäquaten Fallzahl von Probanden, die mit einer Scheinintervention kontrolliert und die methodischen Ansprüche einer nicht-pharmakologi­schen Studie auf höchstem Niveau erfüllt. Das zentrale Ergebnis der Studie ist ernüchternd: Eine Schmerzlinderung konnte nicht erreicht werden, die klinische Nutzung kann nicht un­terstützt werden.

Das DNEbM gratuliert den Preisträgergruppen und freut sich über die wertvollen Beiträge zur wissenschaftlichen Fundierung der Physiotherapie.

Nach oben scrollen