Wahrheit oder Märchen – Was ist dran an neuzeitlichen Gesundheitstipps und überlieferten Weisheiten

Viele  populäre gesundheitliche Empfehlungen entpuppen sich bei  wissenschaftlicher Betrachtung als reine Märchen:  Ist  der Schlaf vor Mitternacht wirklich der gesündeste? Müssen wir tatsächlich  jeden Tag mindestens zwei Liter Wasser trinken? Wachsen nach dem Tode  Haare und Nägel weiter? Wissenschaftler aus USA und Deutschland haben eine  Reihe von medizinischen Mythen unter die wissenschaftliche Lupe genommen.  Ergebnis: Bei vielen populären Empfehlungen, die selbst viele Ärzte  weitergeben, handelt es sich in Wahrheit um  Märchen.      

1.  Lesen bei schlechtem Licht verdirbt die Augen: 
Trifft  auf Erwachsene nicht zu. Die Augen werden zwar mehr angestrengt, das kann  zum Verschwimmen der Buchstaben und zur Ermüdung führen, aber zu keiner  Sehschwäche. Anders ist das bei Kindern. Im Wachstumsalter. Bei ihnen  bewirkt etwa Lesen mit der Taschenlampe unter der Bettdecke einen  Wachstumsreiz für den Augapfel. Dadurch kann sich der Augapfel verlängern  und eine Kurzsichtigkeit entwickeln.

2.  Handys müssen in Krankenhäusern verboten sein:
Angeblich stören  die Mobiltelefone durch ihren Elektrosmog empfindliche medizinische Geräte  oder die Herzschrittmacher von Patienten. Nach einer Untersuchung der  US-Mediziner Aaron Carrol und Rachel Vreeman von der Universität Indiana gibt es keine seriös dokumentierten Fälle von Schäden durch Handys in Krankenhäusern. Vielmehr könnten Handys dazu dienen, die Reaktionszeiten  des Personals zu verkürzen und Fehler zu  vermeiden.
 
3.  Wir nutzen nur einen Bruchteil unserer Gehirnkapazität:
Es heißt,  der Mensch schöpfe nur zehn oder maximal 25 Prozent seiner Hirnkapazität  aus. Der Rest liege einfach brach. Stimmt nicht, weisen die Mediziner  nach. Durch Untersuchungen mit Magnetresonanz- oder  Positronen-Emissions-Tomographie weiß man, dass es keinerlei inaktive  Bereiche im menschlichen Gehirn gibt.

4.  Jeder muss täglich zwei Liter Wasser trinken:
Ist so nicht  richtig. Der eine braucht mehr, der andere weniger. In unterschiedlichen  Situationen, etwa bei Anstrengungen oder Hitze, brauchen wir auch ganz  verschiedene Mengen an Flüssigkeit. Vermutlich entstand der Fehler durch  eine Ernährungsempfehlung der US-Ernährungsbehörde, wonach der  Gesamtbedarf an Flüssigkeit bei zwei Litern täglich liegt – der Gehalt in  Suppen, Soßen, Brot, Gemüse, Obst, Kaffee oder Tee mit  inbegriffen.
 
5.  Nach dem Tod wachsen Haare und Nägel weiter:
Unsinn, sagen die  Experten. Nach dem Tod zersetzen sich die Zellen von Fingern, Zehen und  der gesamten Haut sehr rasch. Gewebe unter Barthaaren und Nägeln  schwinden. Dadurch entsteht der Eindruck, die Barthaare und Nägel seien  weiter gewachsen.
 
6.  Zitrusfrüchte enthalten das meiste Vitamin C:
Orangen, Zitronen  und Grapefruits enthalten mit durchschnittlich 50 Milligramm (mg)  reichlich Vitamin C. Aber es gibt Früchte, die erheblich größere Mengen  pro 100 Gramm aufweisen: Die so genannte Acerolakirsche kann bis zu 3000  mg enthalten. Besonders reich an Vitamin C sind auch Hagebutte (1250 mg),  Sanddorn (266), schwarze Johannisbeere (180), Vogelbeere (98) und Papaya  (82).
 
7.  Brauner Zucker ist gesünder als weißer:
Alle Sorten von Zucker  sind gleichermaßen ungesund, ob weiß, braun, als Puderzucker, Würfelzucker  oder in Form von Honig. Deshalb sind auch Bonbons mit Zusatz-Vitaminen  abzulehnen. Das hat damit zu tun, dass Zucker außer Kalorien keine  lebenswichtigen Stoffe liefert, sehr rasch ins Blut gelangt und die  Bauchspeicheldrüse zur Freisetzung übermäßiger Mengen von Insulin anregt –  was erneut Hunger verursacht. Außerdem raubt Zucker Kalzium und Vitamin B,  und er ist ein gefundenes Fressen für Bakterien, die Säure ausscheiden und  dadurch die Zähne schädigen. Wir sollten uns statt Süßigkeiten so genannte  Mehrfachzucker oder Polysaccharide zu Gemüte führen, wie sie etwa in  Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nudeln, Brot, Gemüse und Kartoffeln  enthalten sind. Sie liefern Vitamine und Mineralstoffe, werden nur langsam  in Einfachzucker zerlegt und sättigen demzufolge auch  nachhaltiger.
 
8.  Vegetarier leiden an Eisenmangel, weil sie kein Fleisch essen: 
Keine Spur! In 100 Gramm Rindfleisch sind 2 mg Eisen enthalten. Aber auch  viele pflanzliche Lebensmittel weisen reichlich Eisen auf, das allerdings  vom Körper etwas schlechter verwertet werden kann. Allein mit sechs  Scheiben (300 Gramm) Roggenvollkornbrot könnte ein Vegetarier seinen  Tagesbedarf an Eisen decken. Aber auch Hülsenfrüchte, Nüsse,  Schwarzwurzeln, Möhren, Spinat und Zucchini sind wertvolle  Eisenlieferanten. Apropos Spinat: Obwohl er mit 4 mg/100g viel Eisen  enthält, ist sein Ruf als allerbester Eisenlieferant auf einen Irrtum  zurückzuführen: Der Physiologe Gustav von Bunge hatte 1890 ganz korrekt  den Eisengehalt von 100 g Spinat mit 35 mg ermittelt. Allerdings hatte er  getrockneten Spinat untersucht, was bald in Vergessenheit  geriet.
 
9.  Der Schlaf vor Mitternacht ist der wichtigste:
Kommt darauf an.  Denn die biologische Mitternacht schlägt nicht um 24 Uhr, sondern laut  Schlafforscher Prof. Zulley, Regensburg, um 3 bis 4 Uhr morgens. „Dann  sind alle unsere Systeme am Tiefpunkt“. Entscheidend ist also der Schlaf,  der in die Zeit vor der Mitternacht der menschlichen Bio-Uhr liegt.
 
10.  Ein Schnaps nach dem Essen fördert die Verdauung:
Ganz im  Gegenteil. Er hilft schon gar nicht bei der Fettverdauung, denn für den  Abbau des Alkohols stiehlt dieser laut Prof. Hans-Dieter Allescher vom Klinikum Garmisch-Partenkirchen die Verdauungsenzyme, die eigentlich für  die Fettverdauung benötigt werden. Das Gefühl der Erleichterung, das  jemand nach einem „Verdauungsschnaps“ verspürt, beruht auf einer Betäubung  der Magennerven durch den Alkohol; so wird das Völlegefühl nicht mehr so  deutlich verspürt.

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