Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung: Psychiater warnen vor falschen Einweisungen von Straftätern

Die Bundesregierung plant jetzt eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung, zu deren Anhörung des Gesetzentwurfes kein Psychiater bzw. forensischer Psychiater geladen war.

„Der vorliegende Gesetzentwurf kann, wenn er nicht im weiteren Verfahren nachgebessert wird, wegen ungenauer Begriffsbestimmungen und Regelungen zu einer Flut von Einweisungen in den psychiatrischen Maßregelvollzug führen“, warnt Prof. Peter Falkai, Präsident der DGPPN. Bei gefährlichen Straftätern waren die Voraussetzungen einer Behandlung in der Psychiatrie, nämlich das Vorliegen einer schweren, die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden psychischen Erkrankung oder Suchtmittelabhängigkeit nicht gegeben. Nach dem aktuellen Gesetzentwurf ermöglicht es eine nicht definierte „psychische Disposition“, die von der Sicherungsverwahrung bedrohten gefährlichen Straftäter in den psychiatrischen Maßregelvollzug zu überstellen. Damit werden die etablierten Konzepte für die Behandlung psychisch kranker Straftäter gefährdet. „Eine Therapierbarkeit ist bei Straftätern ohne psychische Erkrankungen fraglich und vor allem nicht Aufgabe der Psychiatrie. Insofern würde der Maßregelvollzug durch das Gesetzesvorhaben vor massive Probleme gestellt“, so Falkai weiter.

Ein besonderes Problem ist aus Sicht der DGPPN auch die nicht korrekte deutsche Übersetzung „psychische Störung“ für den englischen Begriff „unsound mind“, dem in der der Europäischen Menschenrechtskommission (EMRK) eine zentrale Bedeutung zukommt.

„Zu psychischen Störungen gehören beispielweise auch depressive Störungen, an der aktuell drei Millionen Menschen in Deutschland leiden. Der im Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung ebenso wie im Therapieunterbringungsgesetz juristisch verwendete Begriff der „psychischen Störung“ deckt sich nicht mit der medizinischen Definition und kann so die Psychiatrie instrumentalisieren. Wegen der unscharfen Definition könnten weitaus mehr und andere Personen rechtlich betroffen sein als das Gesetz beabsichtigt. Besonders problematisch wird es bei Häftlingen: nach Erhebungen leiden etwa 80 bis 90 Prozent von ihnen, oft bedingt durch die Haft, an psychischen Störungen. All diese Personen als gefährlich einzustufen aufgrund einer psychiatrischen Diagnose wäre eine fatale und vor allem falsche Entscheidung“, so Falkai weiter.

Die DGPPN hat daher dem Gesetzgeber gegenüber die Empfehlung ausgesprochen, den problematischen Begriff durch einen juristisch einwandfreien alternativen Begriff zu ersetzen. Dies fand bislang keinen Eingang in das Gesetzgebungsverfahren, obwohl auch die Mehrzahl der in der Anhörung anwesenden Experten auf die Problematik und deren Folgen hinwiesen.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Peter Falkai
Direktor der Psychiatrischen Klinik der
Ludwig-Maximilians-Universität
Nussbaumstr. 7
80336 München
Tel: 089 5160 5500 – 5501
Fax: 089 5160 5522
E-Mail: Peter.Falkai@med.uni-muenchen.de

Weitere Informationen finden sich auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde unter .

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Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN):

Wurde 1842 gegründet und zählt heute mehr als 6.300 Mitglieder. Sie ist einer der größten und ältesten wissenschaftliche Vereinigung von Ärzten und Wissenschaftlern in Deutschland. Getragen von der Vision einer Gesellschaft, in der Menschen mit psychischen Erkrankungen unbehelligt von Vorurteilen leben können und die für sie ihnen notwendige Hilfe erhalten.

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