Gehirn: Wie es Handlungspläne organisiert

Künstliche Intelligenz, Stammzellen, Gehirn, Hirnerkrankungen

Die erstaunliche Vielfalt menschlicher Handlungspläne

Menschen verfügen über die bemerkenswerte Fähigkeit, ein breites und hochkomplexes Repertoire an Handlungsplänen zu entwickeln. Viele unserer Verhaltensweisen beruhen auf Assoziationen zwischen bestimmten Handlungen und deren Ergebnissen. Diese Verknüpfungen sind flexibel einsetzbar. So kann ein einzelner Tastendruck je nach Kontext – etwa auf einer Computertastatur, einem Radio oder einem anderen Gerät – ganz unterschiedliche Konsequenzen haben.

In vielen Situationen stehen uns mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung. Um die beste Wahl zu treffen, müssen wir die möglichen Ergebnisse dieser Handlungen miteinander vergleichen. Dieser Auswahlprozess ist komplex und kognitiv anspruchsvoll.

Wie das Gehirn Handlungen organisiert

„Wie vergleichen wir all die im Gedächtnis gespeicherten Handlungspläne, um den passendsten auszuwählen?“, fragt Irina Barnaveli, Erstautorin der Studie. „Wir gehen davon aus, dass diese Verbindungen zwischen Handlung und Ergebnis in einer kognitiven Karte im Hippocampus organisiert sind. Diese Karte könnte es dem Gehirn ermöglichen, effizient aus dem breiten menschlichen Verhaltensrepertoire auszuwählen.“

Der Hippocampus ist eine Hirnregion, die entscheidend für die Bildung von Erinnerungen und die räumliche Navigation ist. Dabei spielt die mentale Erstellung von Raumkarten eine zentrale Rolle. Die Studie legt nahe, dass das Gehirn ähnliche Karten auch verwendet, um Handlungspläne zu ordnen und auszuwählen – eine Art Verbindung zwischen Wahrnehmung und Handlung.

Virtuelle Realität zeigt kognitive Karten

In einem Experiment mit immersiver virtueller Realität führten die Teilnehmenden eine motorische Aufgabe aus. Sie lernten, das Fliegen und Fangen eines virtuellen Balls durch verschiedene Bewegungen zu steuern. Anschließend verglichen sie die erlernten Handlungen, während ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) aufgezeichnet wurde.

Die Auswertung zeigte typische Aktivitätsmuster, die auf „kognitives Mapping“ hindeuten. Daraus schließen die Forschenden, dass das Gehirn Handlungspläne abstrahiert und sie in einer kartenähnlichen Struktur organisiert. Diese Struktur spiegelt sich auch im Verhalten der Teilnehmenden wider: Je näher zwei Handlungen in dieser mentalen Karte beieinanderlagen, desto ähnlicher empfanden die Personen sie.

Bemerkenswert ist, dass diese kognitive Karte im Hippocampus aktiv mit dem motorischen System kommuniziert. So kann das Gehirn verschiedene Handlungspläne miteinander in Beziehung setzen und koordinieren.

Weitreichende Bedeutung für unser Verständnis von Gedächtnis

„Diese kartenähnlichen Darstellungen zeigen möglicherweise, wie wir allgemein mit unserer Umwelt interagieren – weit über den Bereich der räumlichen Navigation hinaus“, erklärt Christian Doeller, Letztautor der Studie. Indem sie bei der Auswahl von Handlungen helfen, könnten solche kognitiven Karten den Erwerb und die Nutzung komplexer Verhaltensmuster effizienter gestalten.

Die Erkenntnisse stellen eine klassische Unterscheidung in Frage: die zwischen deklarativem Gedächtnis – also dem bewussten Wissensspeicher – und prozeduralem Gedächtnis – dem Verhaltensgedächtnis. Zielgerichtete Handlungen scheinen vielmehr auf das Zusammenspiel mehrerer neuronaler Systeme angewiesen zu sein, die sowohl Planung, Bewegung als auch Erinnerung miteinander verknüpfen.

Weitere Informationen

Wissenschaftliche Ansprechpartner

Irina Barnaveli
Doktorandin
barnaveli@cbs.mpg.de
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig

Prof. Christian Doeller
Direktor Abteilung Psychologie
doeller@cbs.mpg.de

Originalpublikation:
Irina Barnaveli, Simone Viganò,
Daniel Reznik, Patrick Haggard,
Christian F. Doeller
„Hippocampal-entorhinal cognitive maps and cortical motor system represent action plans and their outcomes“
https://www.nature.com/articles/s41467-025-59153-y


https://medizin-aspekte.de/glukosestoffwechsel-gestoert-durch-spaetes-essen-155840/

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