Gefördert vom Niedersächsischen Sozialministerium eröffnete die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) vor fünf Jahren einen Standort des Präventionsprojekts „Kein Täter werden“ im Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Sexualmedizin. Im Jahr 2005 war in Berlin das Pilotprojekt zur freiwilligen therapeutischen Behandlung von Männern mit Pädophilie gestartet worden und mittlerweile zu einem deutschlandweiten Präventionsnetzwerk mit aktuell elf Standorten ausgebaut worden. Insgesamt nahmen seit 2012 fast 1.300 Männer Kontakt zum Projektbüro an der MHH auf, davon stammten fast 750 der Anfragen aus der unmittelbaren Zielgruppe des Projekts – die Betroffenen müssen hinsichtlich ihrer pädophilen Neigung über ein Problembewusstsein verfügen und aus diesem Grund von sich aus und ohne gerichtlichen Druck therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Fast 250 Patienten nahmen bisher das Angebot mit Beratung, Diagnostik und Therapie ganz oder teilweise in Anspruch. Derzeit laufen zwei Therapiegruppen mit wöchentlichen Sitzungen, eine Nachsorgegruppe für Männer mit bereits beendeter Therapie wird zur weiteren Unterstützung angeboten. „Die weiterhin hohe Anzahl an Kontaktaufnahmen bestätigt die Notwendigkeit des Therapieangebots“, betont Professor Dr. Uwe Hartmann, Leiter des Standortes an der MHH. Der Standort Hannover soll auch über den 1.Oktober 2017 hinaus vom Sozialministerium weiter gefördert werden.
„Das Präventionsprojekt „Kein Täter werden“ versteht sich nicht nur als Therapieangebot sondern auch als Forschungsprojekt, das unter anderem die Ursachen pädophiler Neigungen untersucht, um so mittelfristig zu einer Verbesserung der Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten beizutragen“, erklärt Professor Dr. Tillman Krüger, der ärztliche Projektleiter. In enger Kooperation mit einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekt, befinden sich aktuell Veröffentlichungen mit ersten Ergebnissen in Vorbereitung, die neurobiologische Korrelate von sexuellem Kindesmissbrauch und Pädophilie zum Gegenstand haben.
Nach empirischen Untersuchungen kann die Anzahl an Personen mit einer „pädophilen Präferenzstörung“ in Deutschland auf 250.000, davon 10.000 in Niedersachsen, geschätzt werden. Männer mit Pädophilie haben ein erhöhtes Risiko, Straftaten gegenüber Kindern zu begehen. Hierzu zählen sexuelle Übergriffe oder der Konsum von Missbrauchsabbildungen, sogenannter „Kinderpornographie“. Ziel des Präventionsprojekts ist es, über ein anonymes, kostenloses und unter ärztlicher Schweigepflicht stehendes Therapieangebot Männer mit einer pädophilen Neigung zu erreichen, gegen die zum aktuellen Zeitpunkt kein Ermittlungs- oder Strafverfahren vorliegt, die sich also im „Dunkelfeld“ befinden. Über den Einsatz psychotherapeutischer Verfahren sowie der Möglichkeit einer medikamentösen Begleittherapie sollen diese Personen in die Lage versetzt werden, ihre Neigung zu kontrollieren und keine Straftaten zu begehen. In Hannover leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Projekts unter der Leitung von Professor Dr. Uwe Hartmann und Professor Dr. Tillmann Krüger seit fünf Jahren einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von sexuellem Kindesmissbrauch, denn Prävention ist Opferschutz.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung durch eine Gesetzesänderung im SGB V den GKV-Spitzenverband beauftragt, ein Modellvorhaben aufzulegen und zu finanzieren, mit dem auch das Gesundheitswesen einen zusätzlichen und zielführenden Beitrag zur Sicherung dieser wichtigen Präventionsarbeit leisten wird.
Weitere Informationen über das Präventionsprojekt Dunkelfeld sowie alle Kontaktdaten der Standorte des Projekts in Deutschland finden Sie unter www.kein-taeter-werden.de. Informationen über die Anlaufstelle in der MHH erhalten Sie unter der Telefonnummer (0511) 532-8052.