Frühe Frühchen – Gezielte Förderung von Anfang an (Teil 2)

Frühgeborene – Neben der Angst, ob ein viel zu früh geborenes Kind überlebt, ist es vor allem die Frage, wie die Entwicklung des kleinen Erdenbürgers verlaufen wird, die die Eltern bewegt. Eine Entwicklungsprognose für das einzelne Frühgeborene abzugeben, ist für Mediziner immer schwierig, da viele Faktoren bei diesem Prozess eine Rolle spielen. Generell ist die Prognose natürlich umso besser, je reifer das Kind geboren ist. „Frühgeborene über 1.500 Gramm Geburtsgewicht oder solche, die nach der 28. Schwangerschaftswoche geboren wurden, haben gute Chancen, körperlich und geistig völlig normal aufzuwachsen. Aber auch kleinere Frühchen entwickeln sich in vielen Fällen normal“, so Dariusz Michna, Leiter der Neonatologischen Intensivstation im Elisabeth-Krankenhaus Essen, einem Perinatalzentrum Level 1. “Kritisch wird es immer dann, wenn neben der Frühgeburtlichkeit weitere Komplikationen eintreten. Die Unreife der Organsysteme und die erhöhte Infektanfälligkeit können nach der Geburt zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen Folgeschäden führen. Das Ausmaß solcher Komplikationen hat entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungsprognose.“

Fördern und Testen
Auf der Neonatologischen Intensivstation im Elisabeth-Krankenhaus spielt neben High-Tech-Medizin und Intensivbetreuung auch die individuelle entwicklungsfördernde Pflege der Säuglinge eine große Rolle. Speziell geschulte Pflegekräfte und Physiotherapeuten fördern gezielt die Atmung, das Saug- und Trinkverhalten, die Motorik sowie alle Sinne der Frühchen von Anfang an. Eltern werden in diesen Prozess miteinbezogen. Sie sind aufgefordert, so oft wie möglich beim Kind zu sein. „Lässt der Gesundheitszustand der Neugeborenen es zu, werden sie möglichst häufig aus dem Brutkasten genommen und der Mutter oder dem Vater auf die Brust gelegt“, erläutert Michna. „Gerade Frühgeborene genießen es, wenn sie behutsam bewegt werden, außerdem regt es ihren Gleichgewichtssinn an. Durch den häufigen Umgang können die Eltern dem Kind Geborgenheit vermitteln und gleichzeitig Entwicklungsprozesse wie Körperwahrnehmung, Bewegung und Kommunikation günstig beeinflussen.“ Damit sich ein Frühchen möglichst normal entwickelt, ist es wichtig, dass etwaige Defizite oder Krankheiten so früh wie möglich erkannt werden. Michna: „Moderne Geräte erlauben eine weitreichende bildgebende Diagnostik direkt im Brutkasten, ohne dass die kleinen Patienten einem belastenden Transport ausgesetzt werden müssen. Zudem können – falls es notwendig sein sollte – unsere Kinderchirurgen Eingriffe direkt auf der Neonatologischen Intensivstation vornehmen.“ Störungen des Hörapparats zählen zu den häufigsten angeborenen Erkrankungen der Sinnesorgane. „Eine geräuscharme oder gehörlose Zeit in den ersten Lebensjahren kann folgenschwer für die Gesamtentwicklung eines Kindes sein“, weiß Michna. „Deshalb führen wir bei allen Neugeborenen ein Hörscreening durch. Der Test verursacht keine Schmerzen und kann sogar erledigt werden, während das Kind schläft. Neugeborene mit Auffälligkeiten sollten so bald wie möglich einem Spezialisten vorgestellt werden.“

Auch nach der Entlassung aus einem Perinatalzentrum benötigen die Eltern von Frühchen weiterhin kompetente Unterstützung. Ihr Hauptansprechpartner ist nun der niedergelassene Kinderarzt, der auch die üblichen Vorsorgeuntersuchungen durchführt. Regelmäßige Besuche bei Fachärzten – beispielsweise einem Augenarzt oder Neuropädiater – oder einem Sozialpädiatrischen Zentrum können ggf. ebenfalls sinnvoll sein, um Risiken und Erkrankungen möglichst frühzeitig zu erkennen. (EKE 12/2009)

In der kleinen Serie "Frühe Frühchen" sind erschienen:

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