Computerspielen kann süchtig machen – allerdings liegen die neurobiologischen Hintergründe noch weitgehend im Dunkeln. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg um den Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Michael Kaess versuchen, diese Störung durch das Spielen von Internetspielen (so die offizielle Diagnose) besser zu verstehen und somit auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass Patienten in Zukunft besser geholfen werden kann. Ein wichtiger Faktor ist eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Stress. Im Rahmen einer Studie untersuchen die Heidelberger Forscher, ob die hormonellen Stressantwortsysteme der Spieler generell und über einen längeren Zeitraum hin verändert sind. Hierzu wird mittels moderner Methoden die Kortisolkonzentration in Haarproben untersucht, welche Rückschlüsse auf die Funktion des Stressantwortsystems der letzten Monate erlaubt. Außerdem wird in den Haarproben die Testeronkonzentration ermittelt. Dieses männliche Sexualhormon wird oft mit aggressivem Verhalten in Verbindung gebracht und es bleibt abzuwarten, ob auch hier eine Veränderung bei Probanden, die während des Computerspielens oft mit gewalttätigen Inhalten konfrontiert werden, feststellbar ist.
Für diese Studie sucht die Forschungsgruppe männliche Probanden zwischen 15 und 25 Jahren, die exzessiv Computer spielen. Interessenten können sich unter der Mailadresse veronica.thaler@med.uni-heidelberg.de oder der Telefonnummer 06221/5637504 melden.
„In der öffentlichen Diskussion sind hauptsächlich nachteilige Konsequenzen des Computerspielens Thema. Zum Beispiel wird angenommen, dass bestimmte Spiele die Aggressionsbereitschaft verstärken“, erklärt Studienleiter Prof. Kaess. „Es fehlt aber besonders im deutschsprachigen Raum an guten und aussagekräftigen Untersuchungen zu den tatsächlichen Konsequenzen, aber auch zu den Ursachen von exzessivem oder bereits krankhaftem Spielverhalten.“
Computerspielen – In vielen Familien ein Reizthema, immer öfter wird Hilfe gesucht
Computerspielen ist in vielen Familien ein Reizthema. Viele Eltern haben das Gefühl, dass ihre Kinder zu viel spielen, und machen sich Sorgen um die gewalttätigen Inhalte der Spiele. Einige Jugendliche spielen in einem so exzessiven Ausmaß, dass sie und ihre Familien darunter leiden und dass es zu Problemen in der Schule, Ausbildung oder mit Gleichaltrigen führt. Hier wird auch immer öfter professionelle Hilfe gesucht.
„Das Computerspielen dient dazu, sich zu entspannen, führt aber wiederum zum Beispiel durch innerfamiliäre Konflikte oder Schulversagen zu mehr Stress, sodass sich ein Teufelskreis entwickelt“, erklärt Prof. Kaess. Er konnte in einer kürzlich erfolgreich abgeschlossenen Studie* zeigen, dass sich diese veränderte Reaktion auf akuten Stress auch experimentell nachweisen lässt. So reagieren Probanden mit exzessivem Computerspielverhalten verglichen mit Gleichaltrigen zum Beispiel mit einer schnelleren Herzfrequenz und einer veränderten Ausschüttung des „Stresshormons“ Kortisol auf eine standardisierte Stresssituation. Außerdem fühlen sie sich auch insgesamt selbst gestresster, berichten von mehr stressreichen Lebensereignissen und leiden häufig auch unter anderen psychischen Erkrankungen.
Informationen und Anmeldung zur Studie:
veronica.thaler@med.uni-heidelberg.de
Tel: 06221/5637504
* Literatur:
Psychoneuroendocrinology. 2017 Mar;77:244-251. doi: 10.1016/j.psyneuen.2017.01.008. Epub 2017 Jan 10.
Ansprechpartner für Journalisten:
Prof. Dr. med. Michael Kaess
Leiter der „Sektion für translationale Psychobiologie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie“
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221 568245 (Sekretariat Frau Hofmeister)
E-mail: Michael.Kaess@med.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
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