Fliegenlarven putzen das Nest des Bienenfressers

Vögel teilen sich ihr Nest mit einer Vielzahl an Mitbewohnern. Neben Parasiten sind das häufig andere wirbellose Tiere, wie Insekten, die durch die stabilen klimatischen Bedingungen für ihre Larven und das reichliche Nahrungsangebot im Vogelnest angelockt werden. Anders als bei Parasiten, war die Rolle der Insekten in dieser Wohngemeinschaft bislang unerforscht. Da sie jedoch Kot und Futterreste verarbeiten, könnten sie im Fall von „putz-faulen“ Vögeln, wie dem Europäischen Bienenfressers (Merops apiaster) eine positive Auswirkung auf die Entwicklung der geschlüpften Jungvögel haben.

Nestsauberkeit kein Muss für den Bienenfresser

Dem auffallend bunten Europäischen Bienenfresser liegt Nestpflege fern. Für die Jungenaufzucht gräbt er kleine Tunnel in Steilwände oder Abhänge, die mit einer Brutkammer enden. Von der Eiablage bis zum Flüggewerden der Jungvögel sammelt sich am Boden dieser Kammern eine beträchtliche Menge an Futterresten, Kot sowie Hautschuppen. Da der Bienenfresser selber die Rückstände nicht entfernt, könnte die Gesundheit seines Nachwuchses, den sogenannten Nestlingen, gefährdet sein.
„Durch Kot und Futterreste entstehen unter anderem Gase, die die Zusammensetzung der Luftbedingungen in der Bruthöhle verändern. Dies könnte ein erhöhtes Krankheitsrisiko und eine Schwächung der Jungvögel zur Folge haben“, erklärt Studienleiter Herbert Hoi vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Vienna. Er testete deshalb am Beispiel der Larven der Fliege Fannia spp., ob die unratvertilgenden Mitbewohner des Bienenfressers als Putztrupp einspringen und so die Entwicklung der Nestlinge begünstigen.

Jungvögel entwickeln sich besser dank putzender Fliegenlarven

Die Fannia spp.-Fliegenlarve ist stets in großer Zahl und von den Vögeln unbeachtet am Boden der Brutkammer eines Bienenfressers zu finden. Für ihr Experiment erhöhte das Team von Hoi bei einer Gruppe von Europäischen Bienenfressern die Anzahl der Larven in der Bruthöhle, bei einer anderen reduzierten sie sie. Zwei weitere Gruppen dienten als Vergleich, wie sich Nestlinge ohne Veränderung der Larvenanzahlen entwickeln. In regelmäßigen Abständen und am Ende des Experiments wurden Proben von den Nestböden genommen und die Jungvögel untersucht. Neben den wichtigen Entwicklungsmerkmalen Gewicht und Größe suchte das Team auch nach Entzündungshinweisen und verglich die Sauerstoffsättigung des Blutes.
Die Auswertung dieser Parameter bestätigte den positiven Einfluss der „Abfallbeseitiger“. Bei einer erhöhten Anzahl Fliegenlarven waren die Nestlinge im Vergleich zu den Kontrollgruppen nachweislich schwerer und größer. Eine geringere Anzahl an Larven wirkte sich hingegen negativ auf die Entwicklung der Jungvögel aus. Im Vergleich waren diese deutlich kleiner und leichter als alle anderen Nestlinge. Die Sauerstoffsättigung und Entzündungswerte waren bei allen Tieren annähernd gleich.

Vogelnest gutes Beispiel für funktionierendes Ökosystem

Das Experiment mit den Fliegenlarven zeigte eindeutig, dass zumindest manche Untermieter einen Vorteil für die Nestinhaber bedeuten. Wenn ein Vogel wie der Bienenfresser sich gar nicht um die Sauberkeit seines Nistplatzes kümmert, dann reinigen Insektenlarven das Nest gut genug, dass sich sein Nachwuchs ohne Einschränkung entwickeln kann.
Hoi sieht die positive Rolle der Fliegenlarven als ein Beispiel, wie gut das Zusammenspiel der Bewohner eines Vogelnestes funktionieren kann. „Viele Vögel halten es nicht so genau mit der Sauberkeit im Nest. Das kann auch damit zusammenhängen, dass sie Räuber nicht durch entfernten Unrat auf das Nest aufmerksam machen wollen“, erklärt der Forscher. „Würden sich die Insektenlarven allerdings nicht um den Unrat kümmern, wäre dies andererseits ein großer Nachteil für die Gesundheit der Nestlinge.“ Über 100 Tierarten wurden in Bienenfressernestern entdeckt. Hoi möchte das Zusammenleben im Vogelnest für weitere Forschungsprojekte nutzen. „Sie stellen ein ideales Modell für Kleinstökosysteme dar.“

Service:
Der Artikel „Housekeeping by lodgers: the importance of bird nest fauna on offspring condition“ von Jan Kristofık, Alzbeta Darolova, Christine Hoi und Herbert Hoi wurde im Journal of Ornithology veröffentlicht.

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Herbert Hoi
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T +43 664 9649703

Aussender:
Mag.rer.nat. Georg Mair
Wissenschaftskommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
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