Das Problem: Stimmprothesen – die Patienten ohne Kehlkopf nach einer Operation implantiert werden – müssen bisher oft schon nach wenigen Wochen u.a. infolge von Materialermüdung erneuert werden. Das soll sich künftig ändern: „Wir untersuchen hier an der Hochschule Esslingen an einer eigens für diesen Zweck erstellten Versuchsanlage sowohl fabrikneue Prothesen aller wichtigen Hersteller als auch gebrauchte, defekte Prothesen. Unser Ziel ist, mehr über die Anforderungen an diese Hilfsmittel sowie über die Versagensmechanismen zu erfahren“, erläutert der Professor für Maschinenbau und Projektleiter Stefan Rösler. Die Arbeit ist ein interdisziplinäres Projekt zwischen dem Mediziner Peter Kress vom Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier und der Fakultät Maschinenbau der Hochschule Esslingen.
In Deutschland erkranken laut Angaben des Oberarztes und Begründers der Homepage www.stimmprothese.com Dr. med. Peter Kress jährlich zwischen 4000 und 8000 Menschen an einem bösartigen Kehlkopftumor. Meist kann der Tumor erfolgreich behandelt und der Kehlkopf erhalten werden. In einigen Fällen ist jedoch eine Entfernung des Kehlkopfs unumgänglich. Das Ergebnis: In Deutschland leben rund 20 000 Menschen ohne Kehlkopf. Die effektivste Möglichkeit, um wieder sprechen zu lernen, ist eine Stimmprothese. „Sie wird während oder nach der Kehlkopfoperation in eine künstlich geschaffene Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre eingesetzt“, erläutert Stefan Rösler. So kann Luft von der Luftröhre in die Speiseröhre umgeleitet werden und in den Mund strömen. Dabei versetzt die Luft Schleimhautfalten im Schlund in Schwingung und ein Ton zum Sprechen entsteht. Gleichzeitig muss die Prothese, die im Wesentlichen eine miniaturisierte Rückschlagklappe darstellt, sicher verhindern, dass Speisereste oder Speichel von der Speiseröhre in die Luftröhre übertreten.
Bisher sei die Entwicklung von Stimmprothesen ohne detaillierte Kenntnisse der physiologischen Atemwegsparameter kehlkopfloser Patienten erfolgt, sagt Rösler. Die Folge sei, dass die Ventilöffnungsdrücke von Hersteller zu Hersteller erheblich variieren. „Neben dem Strömungswiderstand, den der Patient zum Sprechen überwinden muss, ist die zum Öffnen des Ventils erforderliche Kraft ein entscheidender Parameter für die Langlebigkeit der Prothese“, erklärt der Maschinenbauprofessor. Das Projekt, an dem auch Stimmprothesenhersteller beteiligt sind, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert.
Ein Fortschritt für Träger von Stimmprothesen ist es, dass es Stefan Rösler und seinem Team gelungen ist, Mediziner, Prothesenhersteller und Maschinenbauer für die Weiterentwicklung dieser medizinischen Hilfsmittel an einen Tisch zu bekommen: „Das ist ein guter Prozess, die Firmen sind motiviert, mitzumachen, weil wir erstmals unabhängige Daten auf dem Tisch haben.“ Zur Qualitätssicherung von Stimmprothesen ist Rösler ebenfalls aktiv im verantwortlichen Arbeitskreis des Deutschen Instituts für Normung (DIN), wo derzeit eine DIN-Norm für die zwischen 300 und 3000 Euro teuren Prothesen entwickelt wird.
Text: Antje Fürth