Erste multizentrische Studie zur Fern-Präkonditionierung bei herzchirurgischen Patienten

Organe „lernen“ Sauerstoffmangel zu überbrücken

Die Sauerstoff- und Substratunterversorgung kann durch eine Ischämie und das folgende Reperfusionssyndrom hervorgerufen werden. Bei der Ischämie handelt es sich um eine Minderdurchblutung oder einen vollständigen Durchblutungsausfall eines Gewebes oder Organs. Sie kann bei einer Operation künstlich ausgelöst werden, weil beispielsweise eine Arterie abgebunden werden muss. Die im Anschluss wiederhergestellte Durchblutung bezeichnet man als Reperfusion. Dieser Prozess aus unterbrochener und wiederhergestellter Durchblutung kann zu Gewebsschädigungen führen. Dem soll durch die Fern-Präkonditionierung vorgebeugt werden. Durch das wiederholte Aufpumpen einer Blutdruckmanschette über den systolischen arteriellen Blutdruck hinaus wird ein kurzzeitiger Sauerstoffmangel in robusten Körperteilen wie dem Unterarm erzeugt. Dadurch soll über die Freisetzung von Botenstoffen – ein angeborener Schutzmechanismus – die Widerstandsfähigkeit weiter entfernter lebenswichtiger Organe, wie Gehirn und Herz, erhöht werden. Im übertragenen Sinne haben die lebenswichtigen Organe gelernt, einen operativ bedingten Sauerstoffmangel zu überbrücken.

Erste multizentrische Studie

Die aktuelle Studie wurde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel konzipiert und durch das Programm „Klinische Studien“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Ärzte und Wissenschaftler an beiden Standorten des UKSH, an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Universität zu Lübeck (UzL), haben sich neben zwölf weiteren deutschen Universitätsklinika beteiligt, um den Nutzen der Fern-Präkonditionierung auf konkrete klinische Endpunkte zu untersuchen. Innerhalb der RIPHeart-Studie wurden insgesamt 1.403 herzchirurgische Patienten vor der Operation randomisiert einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugewiesen, wovon das größte Zentrumskollektiv am UKSH untersucht wurde. Die Patienten erhielten entweder vier Zyklen einer Fernkonditionierung oder einer Scheinintervention. Die Auswertung fokussierte primär auf den Anteil der Patient mit einer postoperativen Komplikation, wie beispielsweise Herzinfarkt oder Nierenversagen.

Ergebnisse der Studie entsprechen nicht den Erwartungen der Fachwelt

In der RIPHeart-Studie konnte weder für den Zeitpunkt der Krankenhausentlassung noch nach 90 Tagen ein signifikanter Vorteil durch die Fern-Präkonditionierung gefunden werden. Aufgrund der aktuellen Studienergebnisse des klinisch nicht nachweisbaren Nutzens muss das in der Vergangenheit vielversprechende Konzept der Fern-Präkonditionierung nun in Frage gestellt werden. Potentiell zukünftige Untersuchungen müssten mögliche Störfaktoren wie zum Beispiel Begleitmedikation oder -erkrankungen und auch weitere Patientengruppen in den Blick nehmen. Das könnten etwa Patienten mit einem frischen Herzinfarkt vor der Herzoperation oder mit einer Organtransplantation sein.

Beteiligte Einrichtungen und Wissenschaftler des UKSH, der CAU und der UzL waren:

Campus Kiel:

Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin (Prof. Patrick Meybohm, Prof. Dr. Berthold Bein, PD Dr. Matthias Grünewald, Prof. Dr. Jens Scholz, PD Dr. Jochen Renner, PD Dr. Ole Broch, Dr. Helga Francksen, Prof. Dr. Martin Albrecht und Bernd Kuhr)
Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (Prof. Dr. Jochen Cremer)

Campus Lübeck:

Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (Prof. Dr. Matthias Heringlake, PD Dr. Julika Schön, Prof. Dr. Sebastian Stehr, PD Dr. Hermann Heinze, PD Dr. Hauke Paarmann,)
Medizinische Klinik II (Dr. Georg Fürnau, Prof. Dr. Holger Thiele)
Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie (Prof. Dr. Hans-Hinrich Sievers, Prof. Dr. Stefan Klotz)

Publikation:

Meybohm P, et al. A Multicenter Trial of Remote Ischemic Preconditioning for Heart Surgery. N Engl J Med 2015, published online, DOI: 10.1056/NEJMoa1413579

http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1413579?query=featured_home

Der Internetauftritt des NEJM bietet neben dem Fachartikel auch eine filmische Kurzanimation, die das Forschungsthema visualisiert.

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