Der Schwerpunkt des ERC-geförderten Projekts liegt auf der Erforschung der Rolle der Stammzellnische bei sogenannten Myelodysplastischen Syndromen (MDS), einer uneinheitlichen Gruppe von Erkrankungen des blutbildenden Systems, die von krankhaft veränderten Blutstammzellen ausgehen und bei denen nicht genügend reife Blutzellen gebildet werden. Die Patienten, bei denen es sich vor allem um ältere Menschen handelt, benötigen häufige Bluttransfusionen, was zu Komplikationen, wie z. B. einer Eisenanreicherung im Körper, führen kann. MDS können bis zum völligen Versagen des Knochenmarks fortschreiten oder sich zu einer Leukämie entwickeln. Eine Heilungschance bietet derzeit nur eine Stammzelltransplantation. Diese Option besteht aber nur für jüngere Patienten, für die ein geeigneter Spender gefunden werden kann – und damit für weniger als 10% der MDS-Patienten.
Dr. Hind Medyouf hat kürzlich herausgefunden, dass zwischen den MDS- Blutstammzellen und den sie umgebenden Stroma-Zellen des Knochenmarks, welche die Mikroumgebung, die so genannte „Nische“, bilden, ein komplexes Zusammenspiel besteht. Dieses Zusammenspiel soll in dem ERC-geförderten Projekt in den nächsten fünf Jahren auf molekularer und auf funktioneller Ebene weiter entschlüsselt werden. Da die Nischenzellen offenbar eine entscheidende Bedeutung für die Stammzellfunktion haben, könnten krankhaft veränderte Stammzellen auch durch Entzug der Unterstützung durch ihre Nische therapeutisch beeinflusst werden. Solche künftigen, auf die Nischenfunktion abzielenden Therapien könnten auch helfen, die Regeneration der Blutbildung nach einer Stammzelltransplantation zu verbessern. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist es, bösartige Erkrankungen des Blutsystems auf zellulärer und molekularer Ebene besser zu verstehen und aufgrund dieser Erkenntnisse neue Therapien zu entwickeln um die Lebensqualität und Überlebensdauer von Patienten mit Blutkrebs zu verbessern.
„Wir freuen uns natürlich sehr über diese Entscheidung des ERC und fühlen uns durch die Auszeichnung sehr geehrt“, sagt Dr. Medyouf. „Mit dem bewilligten Geld können wir neue Stellen für junge Forscher einrichten und diesen ein exzellentes Forschungsumfeld bieten, in dem sie ihre Forschungsziele erreichen können.“
Dr. Hind Medyouf promovierte im Fach „Biologie und Biotechnologie“ an der Paris VII Universität (Frankreich). In ihrer Doktorarbeit konnte sie eine entscheidende Rolle des Calcineurin/N-FAT Signalwegs in der akuten lymphoblastischen T-Zell-Leukämie (T-ALL) bei Kindern nachweisen (Nature Medicine, 2007). 2008 wechselte sie als Postdoktorandin an das Terry Fox Labor in Vancouver, Kanada, wo sie eine wichtige Rolle des IGF/PI3K/AKT Signalachse in der Aufrechterhaltung der T-Zell-Leukämie zeigen konnte (JEM, 2011; Blood, 2010). 2010 kehrte sie mit einem EMBO Fellowship Grant nach Deutschland zurück, um am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die Rolle der Mikroumgebung im Knochenmark bei Myelodysplastischen Syndromen zu untersuchen. Dr. Medyouf ist derzeit Arbeitsgruppenleiterin am Georg-Speyer-Haus und Inhaberin eines José Carreras Career Award.
Das Georg-Speyer-Haus wurde im Jahr 1906 von der Frankfurter Bürgerin und Mäzenin Franziska Speyer zum Andenken an ihren verstorbenen Mann als gemeinnützige Stiftung gegründet. Sein erster Direktor, der Nobelpreisträger Paul Ehrlich, erarbeitete hier die Grundlagen der modernen Wirkstoff-Forschung. Die Grundfinanzierung des Georg-Speyer-Hauses wird zu gleichen Teilen durch das Land Hessen (HMWK) und den Bund (BMG) getragen.
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Dr. Hind Medyouf
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