Ein neuer Blick auf das Altern

Schutz vor Infektion, Altern

Die Forschung könnte nicht nur zu einem besseren Verständnis der Grundmechanismen von menschlichem Altern beitragen, sondern auch Ansätze zur Erforschung der Überlebensfähigkeit und Resistenz von Bakterien gegen Umwelteinflüsse und Antibiotika liefern. Die Studie mit dem Titel „Progressive decline in old pole gene expression signal enhances phenotypic heterogeneity in bacteria“ ist abrufbar unter: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adp8784.

„Seit 150 Jahren steigt die menschliche Lebenserwartung kontinuierlich und zwar um rund 3 Monate pro Jahr. Dennoch verstehen wir die Mechanismen des Alterns bislang nur ansatzweise“, erklärt die Erstautorin der Studie Dr. Audrey Proenca. Einfache Organismen wie Bakterien galten lange Zeit als „unsterblich“. Da Bakterien sich in zwei gleiche Teile teilen und Bakterienstämme ewig leben, ging die Wissenschaft lange davon aus, dass Bakterien nicht altern könnten. Allerdings zeigen neuere Studien, dass es eine erstaunliche Variabilität im Alterungsprozess gibt.

Selbst genetisch identische Zellen in der gleichen Umwelt verhalten sich unterschiedlich: Manche wachsen schneller; andere produzieren große Mengen bestimmter Proteine, die bei anderen gänzlich fehlen. Um die Alterungsdynamik bakterieller Zellen zu verstehen, muss die Wissenschaft daher tiefer in die Zellen blicken.

Studie ermöglicht besseres Verständnis für das Altern von Zellen

Die Forschungsgruppe für Evolutionsdemographie der Freien Universität Berlin untersuchte deshalb das Verhalten und die Alterungsdynamik der Bakterienart Escherichia coli über mehr als 100 Generationen hinweg. „Wir haben einen neuen Aspekt des bakteriellen Alterns entdeckt, der aufzeigt, wie der Alterungsprozess in einzelnen bakteriellen Zellen fortschreitet“, sagt die Erstautorin der Science Advances-Studie Dr. Audrey Proenca. Obwohl E.coli-Mutterzellen optisch identisch zu ihren Tochterzellen erscheinen, behält jede Mutterzelle einen „alten Pol“ – das ältere Ende der stabförmigen Zelle – und gibt an ihre Tochterzelle einen „neuen Pol“ weiter.

Mithilfe von fluoreszierenden Proteinen konnte das Forschungsteam beobachten, dass die „alten Pole“ der Mutterzellen im Laufe des Alterns immer dunkler werden, was ein Hinweis darauf ist, dass dort immer weniger neue Proteine hergestellt werden. Bei den Tochterzellen war dieser Effekt dagegen nicht zu beobachten. „Die Asymmetrie zwischen Müttern und Töchtern nimmt im Laufe der Zeit zu, was wiederum zeigt, dass Bakterien sich nicht symmetrisch teilen und altern“, erklärt die Biologin.

„Wir waren auch erstaunt, dass sich dieser Alterungsprozess schon innerhalb einer Mutterzelle, zwischen den Polen abspielt“, betont Forschungsgruppenleiter Dr. Ulrich Steiner.

Die neuen Forschungsergebnisse ermöglichen ein besseres Verständnis für das Altern und die zelluläre Vielfalt in einfachen Organismen. Die Studie zeigt, wie das Altern die Vielfalt innerhalb einer einzigen bakteriellen Population verstärken kann und könnte künftig auch wichtige Hinweise auf das Altern menschlicher Zellen und die Bekämpfung altersbedingter Erkrankungen liefern. Auch über Alterungseffekte hinaus eröffnen sich damit neue Perspektiven zur Erforschung von Mechanismen, die unter anderem zur Überlebensfähigkeit und Resistenz gegenüber Stress und Antibiotika beitragen könnten.

Weitere Informationen

Die Studie mit dem Titel „Progressive decline in old pole gene expression signal enhances phenotypic heterogeneity in bacteria“ ist abrufbar unter: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adp8784.

Mehr zur Forschungsgruppe „Evolutionary Demography Group“ der Freien Universität Berlin: https://www.bcp.fu-berlin.de/en/biologie/arbeitsgruppen/zoologie/ag_steiner/index.html

Wissenschaftliche Ansprechpartner

Dr. Ulrich Steiner, Freie Universität Berlin, Institut für Biologie, E-Mail: ulrich.steiner@fu-berlin.de, Web: Steiner Lab

Originalpublikation

Die Studie mit dem Titel „Progressive decline in old pole gene expression signal enhances phenotypic heterogeneity in bacteria“ ist abrufbar unter: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adp8784.


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