Ein Hoch auf die Hefen

Der Geisenheimer Spirit, nämlich „Zukunft gestalten“ galt wohl schon vor 125 Jahren. Denn „die Institution hat ihr Renommee denen zu verdanken, die sie mit Leben füllen“, so die Landtagsabgeordnete Petra Müller-Klepper, die in ihrem Grußwort auf die geleistete Pionierarbeit der bereits 1894 gegründeten Hefereinzuchtstation einging. Als erste Einrichtung zur Erzeugung von Hefereinkulturen in Deutschland wurde sie von Dr. Julius Wortmann, basierend auf den Arbeiten von Prof. Louis Pasteur und Prof. Emil Christian Hansen, mit Unterstützung des „Deutschen Weinbauvereins“, begründet und geleitet. Institutionen aus der ganzen Welt folgten diesem Vorbild. „Es ist ein Leuchtturm, der weit über die Grenzen des Bundeslandes hinausstrahlt“, so Müller-Klepper anlässlich des Geburtstages der Hefereinzuchtstation. Seit 1994 war Prof. Dr. Manfred Großmann Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Biochemie. Für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit dankte diesem neben Müller-Klepper auch Wolfgang Hendricks, der in Vertretung von Staatssekretärin Ayse Asar und Ministerin Angela Dorn des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst kam. Denn nach insgesamt 24 Jahren Dienst in Geisenheim übergab Großmann den Staffelstab an seinen Nachfolger, Prof. Dr. Jürgen Wendland, der von der Universität Brüssel nach Geisenheim kam. Und auch Geisenheims Bürgermeister, Christian Aßmann, zeigte sich stolz, „sowohl auf unsere Hochschule als auch natürlich auf unsere Hefereinzuchtstation“.

Hefen sind zwar von Natur aus bereits auf den Weintrauben vorhanden, jedoch gibt es auch Hefearten und -stämme, welche eher negative Eigenschaften, wie die Bildung von Fehlaromen im Wein mit sich bringen. Um dies zu vermeiden, arbeiten viele Oenologen mit sogenannten Reinzuchthefen, bei denen es sich um aus gut verlaufenen Spontangärungen selektionierte und gezüchtete Weinhefen handelt. „Vor allem in schwierigen Jahrgängen sind gute Reinzuchthefen für die Weinherstellung unabdingbar“, so Aßmann. Der Vorteil von Reinzuchthefemischungen, die aus mehreren Stämmen bestehen können, ist, dass sie die Bildung von unerwünschten schwefelhaltigen Verbindungen verhindern. „Ein Stamm muss nicht alles können, dafür kompensieren es die anderen. Teamwork is the future – es geht den Menschen wie den Hefen“, so Großmann.

„Wir wollten angewandte Forschung für die Praxis“, betont der ehemalige Institutsleiter, der auch auf die Heimspielvorteile des Campus´ Geisenheim, welcher die gesamte Produktions- und Wertschöpfungskette darstellt, und durch die Zusammenarbeit mit Externen eine Einheit bildet, einging. So wurden über die letzten Jahrzehnte eine Reihe von Reinzuchthefestämmen entwickelt, auf ihre Fermentationseigenschaften getestet und für die Praxis empfohlen. Neben den Hefen wurden außerdem Gärvorgänge intensiv auch auf potentielle Fehlaromen und deren Ursachen untersucht. Auch in Zukunft sollen diese Arbeiten weitergeführt und auf neue Arbeitsgebiete über nicht-konventionelle Hefen ausgedehnt werden. Großmann, Mitbegründer des elektronischen „Geisenheimer Hefe-Finders“, einer kostenlosen Plattform, über die sich Oenologen online über Hefen informieren können, wies auf dessen künftige Neuauflage hinsichtlich Sekthefen und Enzymansätzen hin. Neben seinen beiden Lieblingsthemen, der „Entwicklung von Hefemischkulturen“ und „Alkoholreduzierten Weinen“, stellte Großmann interessante Aromen-Projekte, wie das von Hessen finanzierte LOEWE-Projekt „AROMAplus“ oder das „Gushing“-Problem bei Sekten, vor.

„Our Job is to respect the past, to lead the present and to secure the future“, so Prof. Dr. Sakkie Pretorius von der Macquarie University, Sydney. In seinem spannenden Festvortrag verband er die Punkte zwischen Wein, Kultur und Terroir. Auch auf das Thema „Yeast 2.0 – Building the world´s first synthetic yeast genome“ sowie die Punkte zwischen „Science fiction and science fact“ ging er ein und machte sowohl auf die Wichtigkeit der Zusammenarbeit aufmerksam, als auch darauf, in der Weinindustrie Verständnis für die synthetische Mikrobiologie zu schaffen.

Mit „Hefe 4.0“ – der molekularen Hefezüchtung durch Kreuzungen, basierend auf digitalen, d. h. Hefen mit sequenzierten Genomen, ging Wendland in seinem Vortrag sogar noch weiter in die Zukunft und verwies auf die Praxisanwendung neuer, wohlcharakterisierter Hefen. „Im Weinkeller ist noch Raum für Innovation“, so der neue Institutsleiter. In puncto Nachhaltigkeit erläuterte er das Riesenpotenzial, Biokontrollpilze gegen Schädlingspilze einzusetzen.

Großmann, ein bekennender Star Wars-Fan, freute sich sichtlich, als die beiden Musiker, die die Veranstaltung begleiteten, die Krieg der Sterne-Melodie spielten. Außerdem bekam er zu seiner Verabschiedung nicht nur vom Geisenheimer Bürgermeister zwei Originalfiguren aus den 70er Jahren, auch eine R2-D2-Kaffeemaschine mit den Worten „Rente gegangen, Manfred du bist“ (frei nach Meister Yoda) des Hochschulpräsidenten, Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, rundet wohl jetzt seine Sammlung ab. Als Science-Fiction-Film-Fan ließ er es sich natürlich nicht nehmen, die Premiere seines letzten Projekts, den gemeinsam mit Prof. Dr. Andrea Gschwendtner von der Hochschule RheinMain entwickelten Wissenschaftsfilm „Abenteuer der Hefezellen“, anzukündigen. Es ist, wie er betonte, ein Sahnehäubchen, um das Interesse für Mikrobiologie zu wecken und Aktionen von Hefen zu zeigen, „denn Hefen sind Lebewesen und haben Bedürfnisse“.

Studierende selbst verkörperten Hefezellen bei der Most-Fermentation und hauchten ihnen so lebendige Dramaturgie und eine Menge Emotionen ein. Das gemeinsame Medienprojekt der beiden Hochschulen wurde unter Leitung von Prof. Dr. Andrea Gschwendtner, Media Management, mit Prof. Dr. Manfred Großmann inszeniert. Der Film stellt mikrobielle Abläufe bei der Weinbereitung optisch dar und arbeitete auf drei Ebenen: Realfilm, Studiofilmszenen und Trickfilm. Die Dreharbeiten fanden unter anderem in Geisenheim im Weinberg, im Labor sowie im Keller des Instituts für Oenologie statt. „Eine herrliche Performance der Schauspielerinnen und Schauspieler und visuelle Qualität der Bilder“, freute sich Gschwendtner, die am Ende die Ähnlichkeit der beiden Produkte verglich: Wein ist Genuss, Film Augen- und Ohrenschmaus. Ein wirklich krönender Abschluss anlässlich des großen Tages der kleinen Lebewesen und eine würdige Verabschiedung für Prof. Dr. Manfred Großmann, dem die Hochschule Geisenheim alles Gute zur wohlverdienten Pensionierung wünscht.

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