Ein fast normales Leben mit der Niere des Partners

Niere, Stethoskop

In Deutschland beträgt die Wartezeit für eine Niere eines Spenders durchschnittlich sieben Jahre. Es besteht ein großer Mangel an postmortal gespendeten Nieren hirntoter Patienten, auf die die Mehrzahl der Empfänger auf der Warteliste angewiesen sind. Aufklärung über die Abläufe und Fakten im Organspende- und Transplantationsbereich sind wichtig, um die Organspendebereitschaft in der Bevölkerung zu steigern.

Andererseits hat die sehr erfolgreiche Lebendspende zugenommen. So ist am Universitätsklinikum Frankfurt der Anteil der Lebendspenden an allen Nieren-Transplantationen 2016 von 25 auf über 40 Prozent gestiegen. In der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins „Forschung Frankfurt“ lassen wir ein Spender-Empfänger-Paar, Tim und Claudia Pillar, sowie die betreuende Nephrologin, Prof. Ingeborg Hauser, zu Wort kommen.

Voraussetzung für eine Lebendspende ist, dass der Spender gesund ist und ihm durch die Organspende selbst keine wesentlichen gesundheitlichen Probleme entstehen. „Im ersten Gespräch konzentriere ich mich darauf, den potenziellen Spender genau über die Voruntersuchungen, die kurz- und langfristigen Risiken, die gesetzlichen Vorgaben, den Ablauf der Spende und die Erfolgsraten aufzuklären sowie über die notwendige jährliche Nachsorge nach der Spende. Zudem ist vom Gesetzgeber ein Gespräch mit einem Psychologen vorgesehen. Wichtig ist auch zu fragen, wie Spender und Empfänger reagieren würden, wenn die gespendete Niere die Funktion nicht aufnehmen würde“, erklärt Prof. Hauser.

In Dr. Tim Pillar, einem frisch pensionierten Molekularbiologen, fand sie einen gut informierten Spender, der ihr fachlich und menschlich großes Vertrauen entgegenbrachte. Mit seiner Zuversicht konnte Tim Pillar auch seine Frau, bei der wenige Monate zuvor beide Nieren versagt hatten, von dem Eingriff überzeugen. Die Großzügigkeit ihres Mannes hat Claudia Pillar tief beeindruckt und berührt: „Das ist etwas sehr Großes“.

Die Überlebensrate der Transplantate hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Mehr als 90 Prozent der Spenderorgane überleben das kritische erste Jahr nach der Transplantation – bei einem Patientenüberleben von circa 98 Prozent. Außerdem sind akute Abstoßungsreaktionen heutzutage in der Regel gut behandelbar. Der Erfolg der Transplantation ist den Fortschritten in experimenteller und klinischer Forschung zu verdanken. Die Verträglichkeit eines Spenderorgans wird mithilfe der sogenannte HLA-Typisierung überprüft. Das HLA-Muster kennzeichnet die immunologische Beschaffenheit jedes Organismus. Heute kann man mit immunologischen Tests schon im Vorfeld der Transplantation spezifische HLA-Antikörper aufspüren, die gegen das Transplantat gerichtet sein können, und vorbeugende immunsuppressive Maßnahmen ergreifen. Ingeborg Hauser und ihre Gruppe haben in Zusammenarbeit mit dem HLA-Labor des Blutspendedienstes unter der Leitung von Professor Christian Seidl darüber erst kürzlich eine Studie in der Fachzeitschrift „Transplant International“ publiziert.

Das Zentrum für Nierentransplantationen am Universitätsklinikum Frankfurt ist das größte in Hessen mit circa 60-70 Nierentransplantationen pro Jahr und blickt auf eine langjährige Erfahrung zurück. Bereits 1968 wurde die erste Niere transplantiert; 1973 folgte die erste Lebendspende. Insgesamt sind bisher über 2.500 Nierentransplantationen vorgenommen worden. Einige der transplantierten Patienten aus dem Frankfurter Transplantationszentrum leben mit funktionierendem Transplantat schon mehr als 30 Jahre. Seit 2003 bietet der Funktionsbereich Nephrologie unter der Leitung von Prof. Helmut Geiger zusammen mit der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie unter Leitung von Prof. Wolf Bechstein und Oberarzt Privatdozent Guido Woeste die gleichzeitige Nieren- und Bauchspeicheldrüsen-Transplantation an für Typ I Diabetiker.

Seit 2006 ist auch die Lebendspende über nicht miteinander verträgliche Blutgruppen hinweg, die sogenannte ABO inkompatible Spende, möglich. Dabei wird der Empfänger mit einer Kombination aus Immunsuppression und Plasmaaustausch vorbehandelt. So werden die Blutgruppenantikörper des Empfängers gegen die fremde Blutgruppe des Lebendspenders entfernt und in ihrer Bildung unterdrückt. Die Vorbehandlung dauert in der Regel vier Wochen. Dieses therapeutische Verfahren wurde erfolgreich in ähnlicher Weise übernommen zur Desensibilisierung bei donorspezifischen HLA- Antikörpern des Lebendspendeempfängers gegen den Spender, so auch beim Ehepaar Pillar.

Im Transplantationszentrum Frankfurt wurden mittlerweile über 300 Lebendspenden durchgeführt. 2010 führte Prof. Wolf Bechstein die Schlüssellochtechnik (laparoskopische Entnahmetechnik) bei Lebendspendern ein. Mit diesem Verfahren hat er seither über 90 Lebendspendeentnahmen erfolgreich vorgenommen. Die Transplantation ist eine Teamarbeit verschiedener Kliniken und Institute. Spezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem ärztlichen und pflegerischen Bereich, und auch der Patient selbst tragen gemeinsam zum Transplantationserfolg bei.

Claudia Pillar lebt seit Mai 2015 mit ihrer neuen Niere und führt ein fast normales Leben. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie im Sommer 2016 den Traum von der Rente im eigenen Haus in Südfrankreich doch noch verwirklicht.

Informationen: Prof. Dr. Ingeborg A. Hauser, Medizinischen Klinik III, Selbständiger Funktionsbereich Nephrologie, Universitätsklinikum Frankfurt, Sekretariat: Tel.: (069)6301-6668, yonca.serifovska@kgu.de.

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