Der im Volksmund als „Glückshormon“ bezeichnete Botenstoff Dopamin ist nicht nur für Motivation und Motorik des Menschen wichtig, sondern kann Nervenzellen offenbar auch bei anspruchsvollen kognitiven Aufgaben positiv beeinflussen. Torben Ott, Simon Jacob und Professor Andreas Nieder vom Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen konnten nun erstmals zeigen, welchen Einfluss Dopamin auf Gehirnzellen während der Verarbeitung von Regeln hat. Die Studie wurde am Donnerstag, 4. Dezember, in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Neuron vorab veröffentlicht. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.neuron.2014.11.012
Die Bedeutung des Botenstoffs Dopamin wird besonders offensichtlich, wenn das Gehirn unterversorgt ist, wie etwa bei der Parkinsonschen Krankheit. Der aus dem Gleichgewicht geratene Dopaminhaushalt führt dann zu vielseitigen neurologischen Störungen. Vor allem Bewegungsvorgänge sind in Mitleidenschaft gezogen, aber auch geistige Funktionen sind betroffen. Denn gerade unser höchstes kognitives Steuerzentrum, der sogenannte Präfrontalkortex im Stirnbereich, mit dem wir abstrakt denken, regelbasierte Entscheidungen treffen und logisch schlussfolgern, wird besonders intensiv mit Dopamin versorgt. Trotz der großen medizinischen Bedeutung dieses Botenstoffs ist die Wirkung von Dopamin auf die Informationsverarbeitung von Nervenzellen im gesunden Gehirn kaum verstanden.
Um herauszufinden, wie Nervenzellen bei anspruchsvollen kognitiven Aufgaben durch Dopamin beeinflusst werden, wurden Rhesusaffen so trainiert, dass sie in der Lage waren, Rechenaufgaben nach der Regel „größer als“ oder “kleiner als“ zu lösen. Aus jüngsten Studien der Tübinger Forschungsgruppe war bekannt, dass bestimmte Hirnzellen im Präfrontalkortex diese Regeln beantworteten: Eine Hälfte dieser sogenannten Regelzellen wurde nur dann aktiv, wenn die Regel „größer als“ zu befolgen war, die andere Hälfte nur dann, wenn dem Tier die Regel „kleiner als“ mitgeteilt worden war.
Während dieser Messungen wurden nahe den untersuchten Nervenzellen physiologisch kleine Mengen verschiedener Substanzen ausgeschüttet, die die gleiche oder entgegengesetzte Wirkung wie Dopamin haben und die sich an dopaminempfindlichen Nervenzellen anlagern konnten. Überraschenderweise zeigte sich, dass durch Stimulierung des Dopaminsystems die Regelzellen leistungsfähiger wurden und die „Größer-als-„ oder „Kleiner-als-Regel“ noch deutlicher voneinander unterschieden. Dopamin hat also eine positive Wirkung auf die Arbeitsqualität von Regelzellen.
Mit dieser Arbeit ergeben sich neue Erkenntnisse darüber, wie Dopamin abstrakte Denkprozesse beeinflusst, wie sie etwa für die Anwendung von Rechenregeln notwendig sind. „Wir beginnen mit den neuen Befunden zu verstehen, wie Nervenzellen des Präfrontalkortex komplexes zielgerichtetes Verhalten hervorbringen“, erklärt Torben Ott. Neben einem besseren Verständnis der Grundlagen der Informationsverarbeitung in diesem wichtigen Bereich der Großhirnrinde könnten die Ergebnisse auch für die Medizin relevant sein. „Die neuen Erkenntnisse helfen uns, die Wirkung bestimmter Medikamente besser zu interpretieren, die etwa bei schweren psychischen Störungen zum Einsatz kommen“, sagt Professor Nieder: „Denn solche Medikamente beeinflussen das Dopaminsystem im Präfrontalkortex auf eine bisher schlecht verstandenen Weise.“
Originalpublikation: Torben Ott, Simon N. Jacob, and Andreas Nieder: Dopamine Receptors Differentially Enhance Rule Coding in Primate Prefrontal Cortex Neurons. Neuron, Online Early Edition, 4. Dec. 2014.
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Nieder
Universität Tübingen
Institut für Neurobiologie
Lehrstuhl für Tierphysiologie
Tel.: + 49 7071 29-75347
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