DKOU 2015: Hohe Dunkelziffer bei Gehirnerschütterungen

Wie Lehrer, Eltern und Kinder Hinweise auf eine Gehirnerschütterung erkennen und was im Akutfall zu tun ist, berichten Experten auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin, der vom 20. bis 23. Oktober 2015 stattfindet.

In Deutschland werden pro Jahr mehr als 40.000 Gehirnerschütterungen diagnostiziert, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. „Denn Sportler, vor allem im Schul- und Breitensport, unterschätzen diese Unfälle häufig“, warnt Dr. med. Axel Gänsslen, Arzt am Klinikum Wolfsburg. Diese Erfahrung musste der Unfallchirurg und Orthopäde bei seinem Sohn Paul selbst erleben. Paul zog sich im Alter von zehn Jahren im Schulsport zweimal binnen weniger Wochen eine Gehirnerschütterung zu, ohne dass dies bemerkt wurde. Erst sein Vater deutete die Symptome richtig.

„Eine Gehirnerschütterung ist eine ernst zu nehmende Verletzung“, so Gänsslen. Wird sie nicht richtig behandelt, können Spätschäden wie etwa Migräne oder Bewegungsstörungen folgen. Die häufigsten Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Nackenschmerz, Schwäche, Müdigkeit oder verschwommenes Sehen. Nur zehn bis dreißig Prozent der Betroffenen leiden an einem akuten Erinnerungsverlust. Ein Hinweis könne aber auch sein, wenn sich der Betroffene häufig an den Kopf fasst, diesen abstützt oder einen leeren Blick hat.

Alle Anzeichen einer Gehirnerschütterung sind auf der PocketCard des Fußballweltverbandes FIFA zusammengefasst. Darauf basierend, gibt es zudem eine neue App „Schütz Deinen Kopf“. „Diese sollte ab sofort auch als Schnelltest am Spielfeldrand eingesetzt werden“, fordert Professor Dr. med. Michael Nerlich, Kongresspräsident des DKOU 2015 und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg. Hier sind unter anderem fünf Fragen aufgelistet, die Trainer oder Teamkollegen dem Betroffenen stellen sollten; beispielsweise, wer das letzte Spiel gewonnen hat. „Sobald nur eine der Fragen nicht richtig beantwortet wird, bestätigt das den Verdacht einer Gehirnerschütterung und der Spieler muss umgehend aus dem Spiel genommen werden“, so Gänsslen, der auch Mannschaftsarzt des Eishockeyteams Grizzly Adams Wolfsburg ist.
Ist die Diagnose Gehirnerschütterung durch einen Arzt gesichert, dauert es mindestens sechs bis zehn Tage, bis sich die Nervenzellen erholt haben. In dieser Zeit sollten äußere Reize wie etwa Musik, Computer oder Lernen ausgeschaltet werden. Zeit und Ruhe sind die wichtigsten Therapiebestandteile. Eine medikamentöse Behandlung gibt es nicht. „Da die Betroffenen den Schmerz oder die Schwellung nicht wie bei einer Verletzung am Gelenk wahrnehmen, bedarf es häufig viel Überzeugungskraft, um Sportler davon abzuhalten, zu früh wieder aktiv zu werden“, sagt Gänsslen. Die Prognose sei aber meist gut: 85 Prozent erholen sich vollständig innerhalb einer Woche. Bleiben die Symptome länger als drei bis vier Wochen bestehen, sollte eine neurologische Untersuchung erfolgen, rät der Experte.

Wie man die Symptome einer Gehirnerschütterung richtig erkennt und das Risiko dafür beim Sport reduziert, diskutieren Orthopäden und Unfallchirurgen anlässlich des DKOU 2015 in Berlin, der von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischen Chirurgie (DGOOC) sowie dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ausgerichtet wird.

Im Rahmen der Kampagne „Schütz Deinen Kopf“ wurden Informationsmaterial sowie eine kostenlose App für Athleten, Trainer, Physiotherapeuten, Betreuer, Lehrer und auch Eltern erstellt. Alle Unterlagen und der Link zur App stehen unter www.schuetzdeinenkopf.de zur Verfügung.

Terminhinweise:

Vorab-Pressekonferenz
Termin: Dienstag, 13. Oktober 2015, 11 bis 12 Uhr
Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin
Eines der Themen:
Prävention im Spitzensport – Synergieeffekte für die Gesamtgesellschaft
Jürgen Fischer, Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, Bonn

Kongress-Pressekonferenz
Termin: Dienstag, 20.10.2015, 11.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Messe Berlin, Eingang Süd, Halle 6.3, Raum 411
Eines der Themen:
Schütz Deinen Kopf – Gehirnerschütterungen beim Sport vermeiden
Referent: Dr. med. Axel Gänsslen, Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Mannschaftsarzt des DEL Eishockeyteams EHC Wolfsburg „Grizzly Adams“ – ATLS Kursdirektor
und Paul Gänsslen, Schüler und Betroffener

Vorträge auf dem DKOU 2015
„Prävention/Sport mit Köpfchen“
Termin: Freitag, 23. Oktober 2015, 16.30 bis 18 Uhr, Raum Paris 1

Ihr Kontakt für Rückfragen:
Kathrin Gießelmann, Lisa Ströhlein
Pressestelle DKOU 2015
Pf 30 11 20, 70451 Stuttgart
Tel.: 0711 8931-981, Fax: 0711 8931-167
giesselmann@medizinkommunikation.org

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