Süchte gehören definitiv zu den gefährlichsten Risiken für die Gesundheit in unserer Gesellschaft. Doch wie kommt es dazu, dass ausgerechnet sie im Westen so gefährlich sind? Welche Süchte sind überhaupt die häufigsten? Durch welche Symptome lassen sie sich erkennen und wie sollte man als Angehöriger reagieren? All diese Fragen wollen wir in unserem Suchtüberblick anschneiden und einen guten Einstieg in ein überaus komplexes Thema geben, das sowohl soziologisch, psychologisch, historisch als auch medizinisch angegangen werden muss.
Warum Sucht in unserer Gesellschaft eine große Rolle spielt
Warum spielen Süchte in unserer Gesellschaft überhaupt eine Rolle? Und haben sie dies schon immer getan oder kann man hier Veränderungen beobachten? Nun, zunächst einmal kann man davon ausgehen, dass es schon immer Süchtige gegeben hat. So gibt es beispielsweise, um in der Zeit nicht zu weit zurückzugehen, die Theorie, dass das Elend vieler Menschen während der Industrialisierung sie direkt in die Alkoholabhängigkeit getrieben hat. Ob man diese Theorie nun unterstützt oder nicht – sie zeigt uns zwei Tatsachen, deren Bedeutung wir korrekt einschätzen sollten.
Erstens können wir feststellen, dass die soziale Situation von Menschen offensichtlich einen großen Einfluss zumindest darauf hat, ob sie suchtgefährdet sind oder nicht. Und andererseits können wir erkennen, dass es schon früher ein Massensuchtverhalten gab – obwohl ja zu den damaligen Zeiten die Menge an verschiedenen Suchtmitteln viel geringer war, als sie es heute ist.
Leistungsdruck und Überforderung
Ganz sicher gibt es aber einige real existierende und gesellschaftliche Dinge, die Menschen zumindest dazu antreiben, potenziell suchterregenden Substanzen und Beschäftigungen eine Chance zu geben. Zu diesen gesellschaftlichen Phänomenen dürfte unter anderem der Leistungsdruck gehören, der auf den Menschen lastet – und zwar sowohl privat als auch beruflich. Denn trotz der vorhandenen gesetzlichen 40-Stunden-Woche arbeiten Millionen von Menschen meistens länger. Abgesehen davon steigt der Druck auch immer mehr, erfolgreiche Karrieren zu machen und sich dementsprechend den Konsum leisten zu können, der uns täglich schmackhaft gemacht wird.
Nicht genug damit, sind wir heutzutage auch oft genug von der bloßen Komplexität des Lebens überfordert. Schließlich haben technische Innovationen wie das Internet uns das Leben auf der einen Seite durch ihre Komfortfunktionen erleichtert, sind aber auf der anderen Seite gleichzeitig Mittel, die unser Leben zusätzlich verkomplizieren – ein Paradoxon. Die Arbeitswelt folgt diesem Trend, und auch das Privatleben der Menschen wird nicht gerade leichter – in Zeiten, in denen Promiskuität moralisch nicht mehr geächtet wird, vervielfachen sich auch hier die Optionen.
Die Globalisierung tut ihr Übriges, um auch im Leben des Individuums noch mehr für Komplexität zu sorgen – hier liegt vermutlich eine der Ursachen dafür, dass sich Menschen überfordert fühlen und zu Betäubungsmaßnahmen greifen.
Drogen und Alkohol
Zu den häufigsten Suchtkrankheiten zählen Abhängigkeiten und Drogen. Dabei ist bemerkenswert, dass Alkohol oft gar nicht als Droge begriffen wird. Um sich klar zu machen, dass auch Alkohol zu den Drogen zählt, sollte man einmal die hilfreiche Definition der Organisation „Keine Macht den Drogen“ zu Raten ziehen: Dort wird darauf hingewiesen, dass als Drogen „alle Mittel, die anregen oder beruhigen“ zu verstehen sind, die ein Abhängigkeitspotenzial mit sich bringen und darüber hinaus in angenehme oder unangenehme Rauschzustände versetzen können. Kurzum: Auch jede Form von alkoholischen Getränken. Dass diese Tatsache nach wie vor stark unterschätzt wird, ist unter anderem deshalb nach wie vor erstaunlich, weil belegbar ist, dass ein Großteil der ambulanten und stationären Behandlungen, die durch Suchtkrankheiten notwendig geworden sind, alkoholinduziert sind.
Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass andere Drogen unterschätzt werden sollten – die kulturell bedingte Verharmlosung von Alkoholsucht allerdings muss dringend gestoppt werden, damit die Menschen sich erst einmal über die potenziellen Gefahren davon bewusst werden.
Denn wie bei so vielen anderen Drogen auch beginnt der Prozess bei Alkohol eher schleichend, bis es irgendwann zu spät ist. Da Alkoholabhängige wie auch die meisten anderen Drogenabhängigen die bloße Existenz ihrer Abhängigkeit verleugnen, sind sie oftmals auf die Hilfe von Freunden und Angehörigen angewiesen. Nichtsdestotrotz sollten Menschen, die sich unsicher sind, ob ihr Alkoholkonsum sich noch im Rahmen des Normalen bewegt oder bereits auf ein Suchtverhalten hindeutet, einen Selbsttest machen, der bereits recht detailliert auf das Konsumverhalten eingeht.
Doping – Krankhafte, künstliche Leistungssteigerung
Wir haben den Leistungsdruck, der heutzutage vorherrscht, bereits angesprochen. Wegen dieses gesamtgesellschaftlichen Phänomens ist es längst nicht mehr so, dass der Medikamentenmissbrauch zur Leistungssteigerung lediglich im Spitzensport stattfindet. Denn längst sind auch breitere Gesellschaftsschichten auf den Geschmack der illegalen Leistungssteigerung gekommen.
Auf alle Varianten des Dopings kann man in der Kürze kaum eingehen – schließlich handelt es sich hier um eine äußerst vielfältige Angelegenheit, und selbst diverse erlaubte Stimulanzien könnte man als Doping bezeichnen. Doch zwei Entwicklungen sind ganz besonders besorgniserregend.
Ritalin-Missbrauch
Zunächst sind hier sicherlich sowohl Schülerinnen als auch Schüler und Studierende, aber auch ganz normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu nennen, die vor allem ihre Lern- und Konzentrationsleistungen steigern wollen. Während viele dies mit eher den Drogen zuzuordnenden Substanzen wie etwa dem Kokain oder Amphetaminen tun, ist das Ritalin an sich ja ein zugelassenes Medikament – allerdings ist es selbstverständlich verschreibungspflichtig. Der gewöhnliche Verwendungszweck für das Medikament ist allerdings die Behandlung von Konzentrationsstörungen wie ADHS – nicht etwa die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit von Menschen, die nicht unter Defiziten in diesem Bereich leiden. Aus vielerlei Quellen beschaffen sich Menschen dieses Medikament also zu Missbrauchszwecken – so zum Beispiel bei Menschen, die selbst ADHS haben, Ritalin aber nicht nehmen wollen.
Dabei unterschätzen sie hier völlig die gesundheitlichen Nebenwirkungen: Während etwa Angstgefühle, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen zu den Kurzzeitrisiken gehören, können nach chronischer Einnahme noch ganz andere Faktoren auftreten. Zu diesen zählen etwa ein unfreiwilliger Gewichtsverlust, Libidostörungen bis hin zur Impotenz sowie das Auftreten von psychischen Störungen. Insgesamt also eine ellenlange Liste von Nebenwirkungen. Dabei ist das Ritalin vor allem psychisch hochgradig suchterregend. Schließlich verspricht es bessere Leistungen. Gehen wir einmal davon aus, dass man das Medikament aufgrund des sich dadurch eher einstellenden Erfolgs regelmäßig nimmt, entsteht schnell der Eindruck, dass es ohne nicht ginge – und das mag auch geschehen, wenn man ständig nur noch mit Ritalin arbeitet.
Wer sich also insgeheim auf Ritalin angewiesen fühlt, sollte dringend damit aufhören, es einzunehmen! Die eigene Leistung sollte nüchtern und ohne Aufputschmittel gebracht werden können.
Steroide
Dass der derzeitige Fitness-Hype an sich eine erfreuliche Erscheinung ist, die es insbesondere Jugendlichen schmackhafter macht, sich körperlich zu betätigen, dürfte niemand ernsthaft bestreiten wollen. Doch leider hat auch diese Erscheinung negative Begleiterscheinungen. Denn um ihren Vorbildern aus der Fitnessszene ähnlicher zu sehen, greifen immer mehr Jugendliche zu Medikamente wie Testosteron und anderen, die auf ihren Hormonhaushalt immense Auswirkungen haben. Erschreckend dabei: Die gesundheitlichen Folgen können lebensbedrohlich sein und sind nahezu in allen Lebensbereichen zu finden. Besonders schwierig: Durch die Erfolgsgefühle beim Muskelaufbau verpassen viele den Absprung und bleiben ihre ganze sportliche Karriere lang Anwender von verschreibungspflichtigen Medikamenten, die normalerweise gebraucht werden, um zum Beispiel schwere Krebsbehandlungen zu behandeln.
Spielsucht
Grundsätzlich gehört auch die Spielsucht zu den Süchten – sie erscheint hier allerdings außergewöhnlich, weil sie nicht durch das Einnehmen einer Substanz entsteht, sondern durch eine Tätigkeit: Nämlich die Spielsucht, die durch das übermäßige Zocken entsteht. Genau wie bei den anderen Süchten sind die Übergänge zwischen einem als unauffällig zu bezeichnenden Konsum und einem krankhaften Suchtverhalten zwar in Stufen einzuteilen, gestalten sich aber in realen Fällen oft als fließend.
Die Spielsucht wird oft unterschätzt: Was als harmloser Besuch in der Spielothek endet, kann schnell zum aussichtslosen Wunsch nach großen Gewinnen mutieren, ohne, dass der Spieler bzw. die Spielerin dies merkt. Entwickelt sich die Tätigkeit zu einer pathologischen Spielsucht, kann sie existenzvernichtend wirken, da sie nach und nach alle finanziellen Reserven des Spielers auffressen kann. Die Sucht kann so weit gehen, dass neben der Spielerei alle anderen Arbeitspflichten und sozialen Kontakten zu leiden haben, so sie denn überhaupt noch wahrgenommen werden. Dies ist eine Eigenschaft, die die meisten Süchte übrigens miteinander verbindet: Sie überlagern alle anderen Lebensbereiche.
Fazit
Alles in allem können Süchte in den verschiedensten Arten auftreten – so sind wir noch gar nicht auf die vielfältigen Essstörungen eingegangen. Doch auch die von uns vorgestellten Süchte zeigen bereits, wie gefährlich es für die eigene Existenz sein kann, das eigene Wohlbefinden so stark von einer externen Quelle abhängig zu machen. Im Zweifelsfall kann Sucht zur absoluten Selbstvernichtung führen. Ist man erst einmal betroffen, wird es schwer, wieder den Weg aus der Sucht zu finden.