Wie unsere Darmflora individuell zusammengesetzt ist, hat entscheidenden Einfluss auf unsere psychische und körperliche Gesundheit – das ist in den letzten Jahren bekannt geworden. Die Erforschung des Darms, die derzeit große Sprünge macht und trotzdem noch ganz am Anfang steht, ist ein faszinierendes Gebiet der Wissenschaft. Man kann, wenn man so will, sogar selbst mitforschen: mit Selbsttests, die man ganz einfach im Internet bestellt und zu Hause durchführt. Es braucht nicht mehr als ein Wattestäbchen und einen kleinen Behälter zum Einsenden einer Stuhlprobe – die darin enthaltene mikrobielle DNA wird von Experten analysiert, und kurze Zeit später erhält man einen detaillierten Überblick über die Zusammensetzung der eigenen Darmflora. So kommt man dem Geheimnis des komplexen Organs immerhin ein Stück weit auf die Spur.
Eine der zentralen jüngeren Erkenntnisse in Bezug auf den Darm: Er macht einen erheblichen Teil des menschlichen Immunsystems aus. Doch wie kommt es eigentlich, dass ausgerechnet der Darm so eine zentrale Rolle für die körpereigene Abwehr spielt?
Ein Grund dafür liegt schlicht in der Größe des Darms – oder vielmehr in der Größe seiner Oberfläche. Der Darm ist mit bis zu acht Metern Länge das größte innere Organ des Menschen. Das allein ist schon beeindruckend, doch damit nicht genug: Aufgrund der vielen Erhebungen in seinem Inneren, den Darmzotten, erreicht er eine beeindruckende Gesamtfläche von etwa 400 bis 500 Quadratmetern. Die Darmschleimhaut bietet also schlichtweg viel Platz für Nützliches: Sie enthält etwa 70 bis 80 Prozent aller Zellen im menschlichen Körper, die Antikörper produzieren können. Antikörper sind Eiweiße, die schädliche Fremdstoffe (Antigene) abwehren. In der Regel bilden die Zellen Antikörper, die genau zu dem erkannten Antigen beziehungsweise der erkannten Gruppe von Antigenen passen. Das kann dazu führen, dass der Körper nach der ersten Abwehrreaktion gegen bestimmte Erreger immun ist – auf diesem Prinzip basieren Impfungen.
Im Darm leben zudem etwa 100 Billionen Bakterien von mehr als 500 Arten – zusammengenommen bezeichnet man sie als Darmflora. Beachtlich: Diese Masse an Bakterien wiegt etwa ein Kilogramm. Befindet sich die Darmflora im Gleichgewicht, hält sie Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten in Schach. Durch die Darmentleerung werden Fremdkörper gemeinsam mit den Abfallprodukten des Stoffwechsels aus dem Körper transportiert.
Im größeren Zusammenhang betrachtet gehört der Darm innerhalb des Immunsystems zu den mechanischen und biochemischen Barrieren des Körpers. Zu ihnen zählen beispielsweise auch der Harntrakt, der Magen sowie die Haut und die Schleimhäute. Sie sorgen dafür, dass die meisten schädlichen Keime gar nicht erst in den Körper gelangen. Geschieht dies doch einmal, bedeutet das nicht, dass wir sofort krank werden. Vielmehr kommen dann andere Teile des ausgeklügelten Immunsystems zum Einsatz; allen voran eine Vielzahl an spezialisierten Abwehrzellen, die in den Blutgefäßen, in den Lymphbahnen und im Gewebe vorkommen – und eben auch in der Darmschleimhaut.
Die Erforschung des Darms beziehungsweise seiner rund 100 Billionen Bewohner ist noch längst nicht abgeschlossen – ganz zu schweigen von den zahlreichen, überaus komplexen Vorgängen in anderen Organen, die ihrerseits den Darm beeinflussen: So wurde zuletzt etwa bekannt, dass unter anderem die Bauchspeicheldrüse die Artenvielfalt der Darmflora kontrolliert. Bei all dem, was über den Darm bisher noch nicht bekannt ist, ist eines sicher: Seine Erforschung wird uns in den kommenden Jahren noch einige wichtige Erkenntnisse bescheren.