Ein eiternder Zahn, eine Schnittwunde, ein Harnwegsinfekt: nichts Besorgnis erregendes mögen die meisten Menschen glauben und irren dabei gewaltig. „Denn jede offene Wunde ist ein Eintrittstor für Bakterien, Viren und manchmal auch Pilze“, sagt Professor Gernot Marx, Sektionssprecher der DIVI im Bereich Systemische Inflammation und Sepsis. „Sie fluten den Körper, überlisten das Immunsystem und entwickeln sich binnen Stunden zu tödlichen Gefahr.“ Weltweit stirbt alle vier Sekunden ein Mensch an einer Sepsis, in Deutschland sind es 60 000 Menschen jährlich. „Höchste Zeit, die Bevölkerung noch besser aufzuklären“, sagt der Experte, der als Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum der RWTH Aachen tätig ist.
Bei jeder Infektion mit einem Erreger aktiviert der Körper sein Immunsystem und es kommt zu einer Entzündungsreaktion. Die Blutgefäße rund um den Infektionsherd erweitern sich, weiße Blutkörperchen eilen herbei und es werden Zytokine freigesetzt. Dabei handelt es sich um Botenstoffe, die den gesamten Prozess steuern und weitere Abwehrzellen aktivieren. Bei diesen an sich sinnvollen Abwehrmaßnahmen kann es allerdings zu Kollateralschäden kommen. Zwar werden die Erreger zerstört, leider aber auch das umliegende Gewebe. Bakterien und deren Gifte können so mit fatalen Folgen ins Blut gelangen, die Entzündungsreaktion breitet sich wie Flächenbrand über den ganzen Körper aus: Zellen gehen zugrunde, die Blutzirkulation wird gestört. Das Blut sackt förmlich weg, der Sauerstoff wird knapp, das Herz rast. Es bilden sich Blutklümpchen, die die Gefäße verstopfen. Das verhindert eine ausreichende Durchblutung der anderen Organe. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Prinzipiell kann jede Entzündung im Körper außer Kontrolle geraten – aber Menschen, die bereits krank sind, trifft es am häufigsten. Die größte Gefahr einer Sepsis lauert bei einer Lungenentzündung, gefolgt von Infektionen im Bauchraum und im Harnwegsbereich. Aber auch bei Verbrennungen, nach Autounfällen oder jeder anderen offenen Verletzung kann die Krankheit ausbrechen. „Die typischen Symptome sind Fieber, meist mit Schüttelfrost, schnellerer Herzschlag, Hitzewallungen, allgemeine Schwäche und Verwirrung“, sagt der DIVI-Experte. „Einen grundsätzlichen Schutz haben wir leider nicht, wer aber unter diesen Symptomen leidet, sollte schnellstens einen Arzt aufsuchen.“
Mit dem Einsatz von Antibiotika wird dann versucht, die Infektion einzudämmen und zu bekämpfen. Da der Körper viel Flüssigkeit verliert, muss diese durch Infusionen ersetzt werden. Zur Stabilisierung des Kreislaufs kommen dem Adrenalin verwandte Medikamente zum Einsatz. „Wir wissen mittlerweile ziemlich genau, was bei einer Sepsis passiert – warum es aber überhaupt dazu kommt, ist noch nicht hinreichend geklärt“, sagt der DIVI-Experte. „Deshalb ist die Behandlung nach wie vor ein Wettlauf gegen die Zeit, den wir nur gewinnen können, wenn die Betroffenen die Symptome kennen und sich sofort in Therapie begeben.“
DIVI weltweit einzigartig
Die 1977 gegründete DIVI ist ein weltweit einzigartiger Zusammenschluss von mehr als 2000 Anästhesisten, Neurologen, Chirurgen, Internisten, Kinder- und Jugendmedizinern sowie Fachkrankenpflegern und entsprechenden Fachgesellschaften: Ihre fächer- und berufsübergreifende Zusammenarbeit und ihr Wissensaustausch machen im Alltag den Erfolg der Intensiv- und Notfallmedizin aus. Insgesamt bündelt die DIVI damit das Engagement von mehr als 30 Fachgesellschaften und persönlichen Mitgliedern.
Die Experten der DIVI:
Professor Gernot Marx, Gründungsmitglied der Sektion Systemische Inflammation und Sepsis bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Er arbeitet als Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum der RWTH Aachen.
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