Die Arbeit als Hausarzt auf dem Land macht Freude – aber die Bedingungen müssen besser werden!

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung auf dem Land ist ohne Hausarzt nicht möglich, aber die Zahl der Hausärzte sinkt. Über diese Problematik wird jetzt endlich öffentlich diskutiert, oft allerdings, ohne das Erleben und den Sachverstand der Betroffenen vor Ort einzubeziehen. Eine Studie am Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke zielt jetzt darauf, die konkrete gesundheitliche Versorgungssituation der Menschen in ländlichen Gebieten aus Sicht der lokalen beteiligten Akteure zu beschreiben. Die Regionalstudie wurde in zwei Versorgungsregionen NRWs durchgeführt. Die Sicht der an der gesundheitlichen Basisversorgung beteiligten Berufsgruppen und der Patienten wurde über qualitative Interviews erfasst, an denen unter anderem fünf der sieben in den beiden Versorgungsregionen praktizierenden Hausärzte teilgenommen haben.

Noch ist die Versorgung gesichert…
…so die einhellige Einschätzung der Hausärzte und anderen Befragten – allerdings auch, weil sie sich trotz sinkender Vergütung und bürokratischer Erschwernisse für ihre Patienten einsetzen. Die zukünftige Sicherung der hausärztlichen Versorgung sehen sie jedoch massiv bedroht, sollten nicht vielfältige Anreize geschaffen werden, die jungen, engagierten Nachwuchs für ausscheidende Ärzte in ländliche Regionen locken. Von den demographischen und gesundheitspolitischen Veränderungen sind die Patienten in jeder Versorgungsregion aber sehr unterschiedlich betroffen. Pflegebedürftige Patienten in abgelegenen Gebieten haben schon heute mit Schwierigkeiten zu kämpfen – „Pauschale Lösungen vom ‚grünen Tisch’ helfen also nicht“, erklärt Prof. Dr. med. Stefan Wilm, der Initiator der Studie.

Die Stimmung an der Basis ist schlecht, doch die hausärztliche Tätigkeit selbst sorgt für große berufliche Zufriedenheit!
Angesichts der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen sehen die Hausärzte wenig zuversichtlich in die Zukunft. Beklagt werden in erster Linie: ungenügende und unsichere Finanzierung, steigender Bürokratie- und Verwaltungsaufwand, Beschränkungen des hausärztlichen Handlungsspielraumes, steigende Fallzahlen pro Praxis. Zudem fühlen sich die Hausärzte seitens des Gesundheitssystems und der Gesellschaft immer weniger wertgeschätzt und anerkannt.
Die hausärztliche Tätigkeit selbst wird von den befragten Hausärzten aber sehr positiv eingeschätzt, wobei insbesondere die intensive Arzt-Patienten-Beziehung, der umfassende Charakter der Allgemeinmedizin („Vom Fußpilz bis zur Ehescheidung“) sowie der oftmals über Generationen gehende Kontakt zu Patienten und ihren Familien für berufliche Zufriedenheit sorgt. Mit ihrem umfassenden, integrativen Blick können Hausärzte einen besonderen Beitrag in der medizinischen Versorgung der zunehmend älteren Bevölkerung leisten: Sie erkennen psychosoziale Probleme, bevor sie sich gesundheitlich niederschlagen, behalten einen kompetenten Überblick bei der wachsenden Zahl der Medikamente und chronischen Krankheiten beim einzelnen Patienten, sie vermeiden unnötige, den Patienten schädigende Diagnostik und stationäre Behandlung. Die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und der Stolz, den die Hausärzte darüber empfinden, werden von den Befragten betont. Allerdings geht es um mehr als um persönliche Befriedigung.
„Patienten brauchen vertrauenswürdige Ansprechpartner und Fürsprecher“, meint Prof. Stefan Wilm, der selbst als Hausarzt in eigener Praxis arbeitet. „Wir müssen einen Rahmen schaffen, in dem Ärzte, auch in Zukunft und auf dem Land, dies für ihre Patienten sein können.“

Vernetzung und Teamwork sichern eine positive Zukunft
Ein wichtiger Aspekt zur Sicherung der wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung in ländlichen Gebieten wird die Qualität der Zusammenarbeit aller medizinischen und pflegerischen Berufsgruppen sein. Dafür muss sich aber das professionelle Selbstverständnis aller Beteiligten noch schrittweise wandeln, Ängste und Konkurrenzgedanken müssen abgebaut werden. Medizinische Fachangestellte (MFA – früher: Arzthelferinnen), so zeigt die Studie, spielen bereits heute in der hausärztlichen Versorgung in und außerhalb der Praxis eine zunehmend wichtige Rolle.

Der Abschlussbericht der Studie findet sich auf Webseite des Instituts:

Kontakt
Prof. Dr. med. Stefan Wilm
Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke, Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten
eMail: Stefan.Wilm@uni-wh.de
Tel.: 02302/926741

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