DGKN: Strom hilft bei Clusterkopfschmerz und schwerer Migräne

Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) empfiehlt insbesondere chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten mit hohem Leidensdruck und bisher erfolgloser medikamentöser Prophylaxe, die Okzipitale Nervenstimulation (ONS) in einer spezialisierten Fachklinik zu erwägen.

Für die ONS kommen Patienten in Frage, die trotz Medikamente gleichbleibend unter chronischem Clusterkopfschmerz oder einer chronischen Migräne leiden. Diesen Patienten setzen Ärzte bis zu zwei kleine Elektroden direkt unter der Haut am Nacken ein. Der Eingriff kann unter Vollnarkose oder örtlicher Betäubung erfolgen.

Ob das Verfahren wirkt, prüfen die Patienten mit einem Gerät in Größe einer Scheckkarte, mit dem sie die Elektroden an- und ausschalten. „Es kann vier bis sechs Wochen dauern, bis der Therapieeffekt einsetzt“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Straube, Kopfschmerzspezialist am Universitätsklinikum Großhadern in München. Schlägt die Methode an, pflanzen Spezialisten einen solchen Generator dauerhaft im Fettgewebe oberhalb des Schlüsselbeines oder alternativ unterhalb des Rippenbogens oder in der Gesäßregion ein.

Klinische Neurophysiologen erproben die ONS seit fünf Jahren. Eine aktuell erschienene Übersichtsarbeit fasst die Ergebnisse von 58 Menschen mit Clusterkopfschmerz und mehr als 200 Migräne-Patienten zusammen und belegt die Wirksamkeit: Bei etwa 72 Prozent der Betroffenen mit Clusterkopfschmerz lässt die Schmerzhäufigkeit und -intensität um mehr als 50 Prozent nach. „Auch noch nach fünf Jahren war ein Großteil der Betroffenen schmerzfrei“, so der DGKN-Experte Straube. Bei Migräne-Patienten hingegen stünden Langzeitstudien noch aus. Die bisher beobachteten Erfolgsraten seien weniger stabil als bei Clusterkopfschmerz-Patienten.

Wie genau die ONS wirkt ist unklar. „Wahrscheinlich unterbinden die elektrischen Reize die Weiterleitung der Schmerzsignale im Hirnstamm“, vermutet Straube. Das ONS-Verfahren sei dennoch sicher, reversibel und die Risiken überschaubar. „Schlägt die Stimulation nicht an, werden die Elektroden wieder entfernt. Bis auf den Hautschnitt bleiben keine körperlichen Veränderungen zurück.“

Weitere Behandlungen neurologischer Krankheitsbilder, die auf elektrische Stimulation setzen, werden zurzeit erprobt. „Denn das heilende Potenzial neurophysiologischer Methoden scheint längst nicht ausgeschöpft“, erklärt Straube. „Wir verfolgen insbesondere Methoden, bei denen elektrische Wellen von außen wirken, also keinen Hautschnitt erfordern.“ Dazu zählt etwa die sogenannte transkutane Nervus Vagus Stimulation, bei der wir Kopfschmerzpatienten wie auch Patienten mit epileptischen Anfällen am Tag mehrere Stunden im Bereich der linken Ohrmuschel elektrisch stimulieren, so der DGKN-Experte. Hierzu werden in den kommenden Monaten erste Studienergebnisse erwartet.

Begriffserklärungen:

Migräne: anfallartige, oft pulsierende Kopfschmerzen, die wiederholt und meist einseitig auftreten und Stunden bis Tage andauern können. Die Migräne wird oft von Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmscheu, visuellen Symptomen oder neurologischen Ausfällen begleitet.

Clusterkopfschmerz: besonders bei Männern auftretende schwerste, streng einseitige, hinter dem Auge lokalisierte Schmerzattacken von 15 bis 180 Minuten Dauer bis zu acht Mal pro Tag über Wochen bis Monate mit monate- bis jahrelangen beschwerdefreien Intervallen. Typischerweise kommt es zu Augenrötung, Nasenlaufen, gleichseitiger Hautrötung und Schwitzen.

Quelle:
Delphine Magis, Rigmor Jensen, and Jean Schoenen: “Neurostimulation therapies for primary headache disorders: present and future” Current Opinion in Neurology: June 2012 – Volume 25 – Issue 3

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