Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie entwickelt Praxis-Leitlinien gemeinsam mit Patienten

Die beiden ersten PraxisLeitlinien der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie zu „Tumorschmerzen“ und „tumorbedingten Durchbruchschmerzen“ können bis zum 9. Dezember 2012 von Fachkreisen und Patienten kommentiert werden. „Dazu wurden sie in eine auch für Nichtmediziner verständliche Sprache übersetzt“, sagt PD Dr. Michael A. Überall, Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie.

In fortgeschrittenen Stadien ihrer Erkrankung leiden 50 bis 70 Prozent der Krebspatienten an starken Schmerzen. »Punktuell hat sich die Versorgung der Patienten in den letzten zwei Jahrzehnten zwar verbessert, doch nach wie vor gibt es eklatante Defizite in der Versorgung«, konstatiert Dr. med. Dipl. Psych. Johannes Horlemann, Sprecher des Arbeitskreises Palliativmedzin und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. Doch woran sollen und können sich Ärzte bei der Behandlung von Tumorschmerzen orientieren? Vorhandene Leitlinien, kritisieren Horlemann und seine Kolleginnen und Kollegen von der Fachgesellschaft, sind nicht mehr aktuell, kollidieren mit wirtschaftlichen Vorgaben oder sind schlicht in der Praxis nicht umsetzbar. Hinzu kommt, dass sich die Leitlinien zum Tumorschmerz vornehmlich auf Studien mit Schmerzmedikamenten stützen. »Dies greift zu kurz und verstößt gegen den multimodalen Anspruch einer modernen Schmerzmedizin und entspricht nicht dem multidimensionalen Leid des betroffenen Patienten“, sagt Dr. med. Gerhard H.H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e. V. Darum hatte die Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie beschlossen, praxisnahe Leitlinien im Bereich der Schmerzmedizin zu entwickeln.

Dabei geht die Fachgesellschaft zusammen mit der Deutschen Schmerzliga gleich in mehrfacher Hinsicht neue Wege: Sie integriert und bewertet bei der Entwicklung der Praxis-Leitlinien nicht nur Daten aus der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur, sondern räumt dem Wissen und der Erfahrung von Angehörigen anderer Heil- und Pflegeberufe und vor allem der Sichtweise der Patienten einen hohen Stellenwert ein. „Das Besondere an diesen Leitlinien ist,“ betont Dr. Müller-Schwefe, „dass sie nicht nur eine Analyse der publizierten Literatur abbilden, sondern sich an der komplexen Versorgungsnotwendigkeit von Patienten mit chronischen Schmerzen orientieren und dabei im Sinne bester evidenzbasierter Medizin die Erfahrungen der Behandler wie auch der betroffenen Patienten einbeziehen.“

„Das hierfür entwickelte online-System erlaubt – weltweit einmalig – nicht nur die konkrete Kommentierung, sondern darüber hinaus auch die abschließende Konsentierung jeder einzelnen PraxisLeitlinienempfehlung durch alle, die sich an der Leitlinienarbeit beteiligen“, erklärt DGS-Vize PD Dr. Michael A. Überall, der seit April diesen Jahres auch Präsident der Deutschen Schmerzliga ist. „Diese Vorgehensweise entspricht der ursprünglichen Intention der evidenzbasierten Medizin, die der kanadische Epidemiologe David Sackett begründet hat: Sorgfältige Literaturrecherche, klinische Evidenz, sowie Wertvorstellungen und Haltungen der Patienten sollen gemeinsame Entscheidungsgrundlage für medizinische Handlungsweisen sein“, betont Überall. »Gerade im Bereich der palliativen Tumorschmerztherapie gebührt der Patientenautonomie mehr Respekt«, ergänzt Dr. Horlemann.

Die beiden Schmerzorganisationen wollen durch ihre Leitlinienarbeit neue Maßstäbe für eine patientenorientierte Schmerzmedizin setzen. „Es gilt“, so Dr. überall, „für die Versorgung von Schmerzpatienten in der täglichen Praxis Behandlungsspielräume und Perspektiven zu öffnen, um den Patienten genau das wieder zurück zu geben, was sie im Kampf mit ihren chronischen Schmerzen häufig verloren haben: Lebensfreude und Lebensqualität.“

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