Dem Immunsystem auf der Spur

Noch vor wenigen Jahrzehnten war diese Reaktion gefürchtet: Nach einer Organ-Transplantation erkennt das Immunsystem der Patienten das übertragene Organ als „fremd“, greift es deshalb an und stößt es ab. Erst mit der Entdeckung vor nahezu 30 Jahren, dass das Pilzgift Cyclosporin A die Abstoßung eines transplantierten Organs verhindern kann, verlor diese Reaktion ihren Schrecken.

„Cyclosporin A hemmt in T-Zellen, die wichtige Zellen des Immunsystems darstellen, die Aktivierung einer Gruppe von Transkriptionsfaktoren, der sogenannten NFAT-Faktoren“, erklärt Professor Edgar Serfling, Forscher am Pathologischen Institut der Universität Würzburg. Diese Erkenntnis sei damals einer „Revolution in der Transplantations-Medizin“ gleich gewesen; „Tausende Patienten verdanken Cyclosporin A und der Hemmung der NFAT-Faktoren ihr Leben“, so Serfling.

Jetzt haben Serfling und sein Mitarbeiter Amiya K. Patra sowie weitere Wissenschaftler der Universität Würzburg neue Details in dem Wechselspiel von Transkriptionsfaktoren und Immunzellen entschlüsselt. Ihre Arbeit ist soeben online in der Fachzeitschrift Nature Immunology erschienen.

Die Entwicklung der T-Zellen

Damit T-Zellen transplantierte Organe oder krankheitserregende Viren und Bakterien als fremdes Material erkennen können, müssen sie zuvor „erzogen“ werden. Diese Erziehung geschieht im Thymus – deshalb der Name T-Zellen. Dort werden einwandernde Vorläuferzellen der später Thymozyten genannten Zellen vielfältigen Ausleseprozessen unterworfen, bei denen auch NFAT-Faktoren eine wichtige Rolle spielen. „Treten in diesen Prozessen Fehler auf, führt das oft zu Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise Multiple Sklerose, Schuppenflechte und Rheuma“, so Serfling. Bei der Multiplen Sklerose etwa greifen autoreaktive T-Zellen im Gehirn die Myelin-Scheiden von Nervenzellen an und verursachen so die fatalen Symptome dieser Krankheit.

Vorläufer der Thymozyten entwickeln im Thymus auf ihrer Oberfläche spezielle Rezeptoren, an denen der körpereigene Botenstoffe Interleukin 7 (IL-7) andocken kann. Nach dem Andocken überträgt IL-7 Signale, die in den Zellen viele Gene an- beziehungsweise abschalten. Die Vorläuferzellen teilen sich in der Folge und entwickeln sich zu reifen Thymozyten weiter.

Neue Erkenntnisse über den Entwicklungsprozess

Wie Amiya Patra jetzt zeigen konnte, sind an diesen Prozessen auch NFAT-Faktoren wesentlich beteiligt: „Wird ein spezieller NFAT-Faktor in Mäusen abgeschaltet, so bleiben die Thymozyten auf dem frühesten Entwicklungsstadium stehen, und es bildet sich kein Thymus aus“, erklärt Patra. Verlaufen die frühen, durch IL-7 kontrollierten Schritte der Thymozyten-Entwicklung jedoch ungestört, bildet die Zelle bald weitere, für ihre Entwicklung wichtige Rezeptoren und der IL-7-Rezeptor verschwindet.

Allerdings stört nicht nur das Fehlen des NFAT-Faktors die Zellentwicklung; auch ein Zuviel bringt den Prozess durcheinander: Die Entwicklung der Thymozyten stoppt, in diesem Fall jedoch zu einem späteren Stadium, mit wiederum fatalen Folgen: „Es bilden sich dann unkontrolliert spezielle Vorläufer-Rezeptoren, mit der Konsequenz, dass der Betroffene eine Leukämie entwickelt, an der NFAT-Faktoren ebenfalls maßgeblich beteiligt sind“, erklärt Serfling.

Ansatz für neue Therapien

Mit ihrer Arbeit konnte das Würzburger Team zeigen, dass NFAT-Faktoren nicht nur an der Erkennung körpereigenen Gewebes und an Immunreaktionen maßgeblich beteiligt sind, sondern auch an der „Erziehung“ der T-Zellen im Thymus. Sie stellen somit eine Zielstruktur dar, die für Therapien von Autoimmunerkrankungen und Leukämien in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

“An alternative NFAT-activation pathway mediated by IL-7 is critical for early thymocyte development”. Amiya K Patra, Andris Avots, René P Zahedi, Thomas Schüler, Albert Sickmann, Ursula Bommhardt & Edgar Serfling; Nature Immunology, doi:10.1038/ni.2507

Kontakt
Prof. Dr. Edgar Serfling, T: (0931) 31-81207, E-Mail: serfling.e@mail.uni-wuerzburg.de

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