In HuMiX, dem „Human Microbial Cross-talk“ Modell, lassen sich menschliche Darmzellen sowie Bakterien auf engstem Raum unter repräsentativen Bedingungen gemeinsam kultivieren. Die Apparatur von der Größe eines Bierdeckels hat drei Kammern. In der obersten Kammer liegt die Versorgungsebene, aus der kontinuierlich Nährflüssigkeit in die darunter liegenden Zellkulturen strömt. Die menschlichen Zellen wachsen auf einer sehr dünnen Membran in der mittleren Ebene, die Bakterien in der unteren. „Mit HuMiX können wir die Kommunikation der Bakterien mit menschlichen Darmzellen, also ihre Interaktion live beobachten“, sagt Prof. Dr. Paul Wilmes, Leiter der LCSB-Ökosystembiologie-Gruppe und Erfinder von HuMiX.
In ihren Tests, in denen sie die Aussagekraft von Versuchen mit HuMiX überprüft haben, setzten die Forscher verschiedene Bakterienstämme in Reinkultur ein. „Mit Hilfe modernster, am LCSB etablierter Analysemethoden konnten wir anschließend untersuchen, wie sich die Genaktivität und der Stoffwechsel der Darmepithelzellen in Abhängigkeit vom eingesetzten Bakterienstamm in HuMiX verändern“, so Wilmes: „Der Vergleich unserer Daten mit den Ergebnissen anderer Forschergruppen, die diese am Menschen oder an Tieren erzielt hatten, ergab hohe Übereinstimmungen.“ Das heißt: HuMiX liefert ein sehr genaues Abbild von den zellulären und molekularen Prozessen im menschlichen Darm. „Wir können mit HuMiX aber auch Prozesse untersuchen, die mit bisherigen Techniken experimentell nicht zugänglich waren“, so Wilmes weiter.
Ein Beispiel für einen Stoffwechselprozess, den die LCSB-Forscher mit HuMiX entdeckt haben, nennt Dr. Pranjul Shah, Erstautor der Publikation und Miterfinder des HuMiX-Devices: „Bei der gemeinsamen Kultur von Darmzellen mit einem bestimmten Stamm der Bakteriengattung Lactobacillus rhamnosus konnten wir feststellen, dass die Bildung eines Botenstoffes des Nervensystems, nämlich des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure, kurz GABA, in den Darmzellen angeregt wird. Das deutet auf einen Mechanismus hin, in dem der Darm mit dem Gehirn kommunizieren könnte.“ Hinweise auf diesen Effekt hatten Wissenschaftler schon vor einigen Jahren in Gehirnen von Mäusen beobachtet, die vollkommen steril geboren wurden und deshalb keine Darmflora besaßen. Der Effekt trat auf, wenn im Darm ähnliche Lactobacillus-Stämme angesiedelt wurden. „Dass wir mit HuMiX solche Aussagen machen können, beruht auf der Tatsache, dass wir in dem Instrument anaerobe, also Sauerstoff meidende Bakterien zusammen mit menschlichen Darmzellen kultivieren können“, hebt Shah hervor.
„Solche und ähnliche Effekte können wir dank HuMiX jetzt extrem genau untersuchen“, ergänzt Paul Wilmes: „Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass Entzündungsprozesse bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson eine Rolle spielen können. Wir können unterschiedliche Bakterienarten oder ganze Gemeinschaften unterschiedlicher Arten in das künstliche Darmmodell bringen und untersuchen, ob diese Organismen Entzündungen anfeuern oder abbremsen. Genauso können wir auch Immun- und Nervenzellen gemeinsam mit den Bakterien in HuMix untersuchen.“ In ihrer Publikation bringen die Wissenschaftler den Nachweis, dass HuMiX ein geeignetes Instrument ist, um eine ganze Reihe molekularer Prozesse zu verstehen, die an der Interaktion zwischen menschlichen Darmzellen und Bakterien beteiligt sind.
Doch Wilmes sieht einen Nutzen nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die klinische Anwendung: „Mit HuMiX können wir jetzt analysieren, wie Probiotika, Bestandteile der Nahrung oder Wirkstoffe von Medikamenten auf den menschlichen Körper wirken. Davon versprechen wir uns konkrete Hinweise darauf, wie diese Therapeutika weiterentwickelt werden müssen, um zukünftig besser zu wirken.“
Das HuMiX-Projekt wurde vom luxemburgischen Fonds National de la Recherche (FNR) im Rahmen der Programme ATTRACT, CORE, Inter mobility, Accompanying Measures 2c, Proof-of-Concept und AFR gefördert.