Darmkrebs ist mit 55.000 Neuerkrankungen pro Jahr eine der häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland. Betroffen sind vor allem ältere Personen: Laut dem Robert Koch-Institut liegt das mittlere Erkrankungsalter für Frauen bei 75 Jahren und für Männer bei 71 Jahren. In den letzten Jahren erkranken zunehmend jüngeren Menschen unter 50. Die Ursache hierfür ist bisher unklar. Zu den Risikofaktoren gehören neben Tabakkonsum, Bewegungsmangel, ballaststoffarmer Ernährung und Alkoholkonsum auch erblich bedingte Risiken. Personen mit erblichem Darmkrebs erkranken in der Regel in jüngeren Jahren.
Diagnose und Behandlung erblicher Tumorerkrankungen
Wird bei der Diagnostik des kolorektalen Karzinoms im Tumor eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) nachgewiesen, kann dies auf die erbliche Tumorerkrankung des Lynch-Syndroms hinweisen. „Diese Patient*innen tragen aufgrund einer angeborenen genetischen Variante in einem MMR-Gen ein hohes Risiko für kolorektale und weitere gastrointestinale Karzinome und sollten engmaschig gescreent werden. Damit Patient*innen mit hereditären Tumorerkrankungen möglichst früh identifiziert werden, empfiehlt die Leitlinie bei Erstdiagnose des kolorektalen Karzinoms eine Untersuchung auf MSI vorzunehmen“, sagt Professor Matthias Ebert vom Universitätsklinikum Mannheim. Gemeinsam mit PD Dr. Christian Pox von der Medizinischen Klinik Krankenhaus St. Joseph-Stift Bremen ist er Koordinator der S3-Leitlinie. Studien zeigen zudem, dass eine Immuntherapie bei Tumoren mit MSI eine hohe Ansprechrate hat – entsprechende Behandlungsempfehlungen wurden in der aktualisierten Leitlinie ergänzt.
Differenziertes Vorgehen in frühen Erkrankungsstadien
Darmkrebs in frühen Stadien ist gut behandelbar, da die Lymphknoten in der Regel noch nicht befallen sind. In vielen Fällen kann das Gewebe dabei endoskopisch entfernt werden. „Je nach Resektionsstatus und ungünstigen Risikofaktoren benötigen wir jedoch ein differenziertes Vorgehen, sodass zum Beispiel eine onkologisch-chirurgische Resektion notwendig sein kann. In der aktualisierten Leitlinie geben wir entsprechende differenzierte Behandlungsempfehlungen“, sagt Ebert.
Organerhalt beim Rektumkarzinom
Die chirurgische Tumorentfernung ist beim Rektumkarzinom im Rahmen der kurativen Therapie ein wichtiger Bestandteil. Oftmals kommen vor oder nach der Operation zusätzliche Therapien, wie Bestrahlungen oder Chemotherapien, in Betracht. Da die Tumoren nahe am Beckenboden und am Darmausgang liegen – häufig auch nahe am Schließmuskel – und sich dort viele Nerven, Blut- und Lymphgefäße befinden, ist der chirurgische Eingriff anspruchsvoll. Bei lokal fortgeschritten Tumoren nahe am Schließmuskel ist bei primärer Operation ein Organerhalt nicht immer möglich. „Die aktualisierte S3-Leitlinie zeigt neue Konzepte der Vorbehandlung auf, mit denen der Tumor verkleinert werden kann. Dadurch wird im Anschluss eine Operation mit Organerhalt möglich – oder bei vollständigem Ansprechen sogar eine Watch-and-Wait-Strategie ganz ohne Operation“, so Pox und betont: „Voraussetzung ist eine engmaschige Nachsorge in spezialisierten Zentren.“
Die aktualisierte S3-Leitlinie ist hier als PDF abrufbar: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/kolorektales-karzinom
Zudem sind die Inhalte der Leitlinie im Leitlinien-Hub auch digital abrufbar: https://hub.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinie/kolorektales-karzinom
Zusätzlich sind die Inhalte in der kostenfreien Leitlinien-App integriert. Android-Smartphone- und iPhone-Nutzer können die Leitlinien-App hier herunterladen: www.leitlinienprogramm-onkologie.de/app/
Das Leitlinienprogramm Onkologie
Leitlinien sind systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Leistungserbringer und Patient*innen zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Sie stellen ein wesentliches Instrument zur Förderung von Qualität und Transparenz medizinischer Versorgung dar. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. und die Deutsche Krebshilfe haben sich mit dem im Februar 2008 gestarteten Leitlinienprogramm Onkologie das Ziel gesetzt, gemeinsam die Entwicklung und Fortschreibung sowie den Einsatz wissenschaftlich begründeter und praktikabler Leitlinien in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Mittlerweile umfasst das Leitlinienprogramm 36 S3-Leitlinien, die zu einem großen Teil auch als laienverständliche Patientenleitlinien vorliegen. Mehr unter: www.leitlinienprogramm-onkologie.de
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 7000 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten. www.dgvs.de
Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom aktualisiert. Im Fokus der Überarbeitung standen unter anderem Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung, Diagnose und Therapie von erblich bedingten Tumorerkrankungen, neue Therapiestrategien sowie der Organerhalt beim Rektumkarzinom. Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sowie unter Mitwirkung von 33 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen. Finanziert wurde die Aktualisierung der Leitlinie von der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des Leitlinienprogramms Onkologie.
