Multiresistente Bakterien wie Escherichia coli (E. coli) stellen eine ernsthafte Bedrohung dar, wenn sie in den Blutkreislauf gelangen. Sie sind gegen viele Antibiotika resistent. Doch wie können wir diese gefährlichen Keime erfolgreich aus dem Darm entfernen? Dieser Frage gingen Forschende des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nach. Ihr innovativer Ansatz: Nahrungskonkurrenz. Die Wissenschaftler identifizierten über 430 E. coli-Stämme aus Stuhlproben von Spendern. Einige dieser Stämme verdrängten multiresistente E. coli-Varianten effektiv. Diese Ergebnisse stimmen optimistisch. Sie könnten zukünftig helfen, die Verbreitung multiresistenter Darmbakterien einzudämmen und schwere Infektionen zu verhindern. Die Studie erschien im Fachmagazin Nature Communications und wurde vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) finanziell unterstützt.
Darmmikrobiom: Unser wichtigster Verbündeter
Das Darmmikrobiom ist essenziell für unsere Gesundheit. Es besteht aus einer vielfältigen Gemeinschaft von Bakterien und anderen Mikroorganismen. Diese unterstützen die Verdauung, beeinflussen Stoffwechsel und Immunsystem. E. coli ist ein häufiger Darmbewohner, der bei rund 90 Prozent der Menschen vorkommt.
„E. coli findet im Darm seine Nahrungsnische und siedelt sich dort dauerhaft an“, erklärt Dr. Marie Wende vom HZI, Erstautorin der Studie. „Die meisten E. coli-Stämme im Darm sind harmlos, abgesehen von einigen, die Magen-Darm-Infekte auslösen können. Doch wenn E. coli-Bakterien in die Blutbahn gelangen, kann es gefährlich werden. Sie können Organe schädigen oder eine Blutvergiftung verursachen.“
Normalerweise lassen sich solche Infektionen wirksam mit Antibiotika bekämpfen. Das gilt jedoch nicht für multiresistente E. coli-Bakterien. Diese sind unempfindlich gegenüber vielen Antibiotika. „Infektionen mit multiresistenten E. coli-Bakterien fordern weltweit jährlich rund 800.000 Todesfälle. Das ist eine erschreckend hohe Zahl – hier besteht dringender Handlungsbedarf“, betont Prof. Till Strowig, Leiter der HZI-Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“ und Letztautor der Studie.
Multiresistente E. coli-Bakterien im Darm stellen ein hohes Risiko dar. Sie können in den Blutkreislauf gelangen. Besonders gefährdet sind schwer oder chronisch Kranke sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Im schlimmsten Fall hilft dann nur noch ein Reserve-Antibiotikum. Diese haben oft schwere Nebenwirkungen und sind nur begrenzt verfügbar.
Nahrungskonkurrenz als präventiver Ansatz
Ein präventiver Ansatz ist sinnvoller und nachhaltiger. Multiresistente E. coli-Bakterien sollen aus dem Darm entfernt werden, bevor Komplikationen entstehen. Genau hier setzt die aktuelle Studie an. Die Forschenden nutzten den im Darm herrschenden Konkurrenzdruck um Nahrungsressourcen.
Sie testeten über 430 verschiedene E. coli-Stämme. Diese isolierten sie aus Stuhlproben gesunder Spender. Die Stämme traten in einem „Wettessen“ gegen einen multiresistenten E. coli-Stamm an. Dieser Stamm wurde von der Medizinischen Mikrobiologie der MHH bereitgestellt. Das Forschungsteam ließ jeden „normalen“ E. coli-Stamm gegen den multiresistenten Stamm antreten. Als Nahrungs- und Wachstumsmedium diente Darminhalt steril gehaltener Mäuse.
„Wir untersuchten, ob und in welchem Ausmaß sich das Wachstum des multiresistenten Stamms in Gegenwart der jeweiligen anderen E. coli-Stämme verändert“, erklärt Wende. „Einige Stämme konnten das Wachstum des multiresistenten Stamms tatsächlich stark hemmen. Sie entzogen ihm offensichtlich die Nahrungsgrundlage.“
Die vielversprechenden Nahrungskonkurrenz-Kandidaten untersuchten die Forschenden im Mausmodell genauer. „Wir konnten zeigen, dass diese E. coli-Stämme den multiresistenten E. coli-Stamm auch im Darm von Mäusen erfolgreich eindämmen konnten“, sagt Wende. „Den wirksamsten Stamm testeten wir noch gegen einen weiteren multiresistenten Stamm. Auch diesen konnte er erfolgreich verdrängen.“
Synergieeffekte: Gemeinsam stärker
Die Forschenden untersuchten die Schutzwirkung der E. coli-Stämme weiter. Sie testeten die drei erfolgreichsten E. coli-Stämme gegen ein breites Spektrum multiresistenter E. coli-Stämme. Zusätzlich nahmen sie das Darmbakterium Klebsiella oxytoca hinzu. Dieses hat ähnliche, aber nicht identische Nahrungspräferenzen wie E. coli.
„Unsere Hypothese war, dass die Kombination zweier Bakterienstämme die Schutzwirkung verbessern könnte“, erklärt Wende. „Dies bestätigte sich: Die Kombination aus schützenden E. coli und Klebsiella oxytoca erwies sich als äußerst wirksam. Sie konnte multiresistente E. coli-Stämme eliminieren, die einzelne E. coli-Stämme nicht effizient verdrängen konnten. Im Mausmodell wurden sie durch die Kombination komplett eliminiert.“
Till Strowig fasst zusammen: „Unsere Studie zeigt, dass spezifisch ausgewählte Bakterienstämme als Nahrungskonkurrenten multiresistente Erreger erfolgreich aus dem Darm verdrängen. Dies könnte zukünftig gefährliche Infektionen bei vulnerablen Patientengruppen verhindern. Auch die weitere Verbreitung multiresistenter Darmbakterien ließe sich so eindämmen.“
Zukünftige Forschung und Ausblick
Die Forschenden wollen die wirksamsten E. coli-Stämme detailliert charakterisieren. Sind sie ungefährlich? Scheiden sie schädliche Giftstoffe aus? Erkennt sie das Immunsystem? Verändert sich ihre Wirkung in Gegenwart anderer Mikrobiom-Bakterien? Werden sie selbst leicht resistent gegen Antibiotika?
Till Strowig erklärt: „Diesen Fragen wollen wir umfassend nachgehen. Bis ausgewählte E. coli-Stämme präventiv oder therapeutisch eingesetzt werden können, ist noch einiges an Forschungsarbeit notwendig.“
Über das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI)
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an weiteren Standorten bakterielle und virale Infektionen. Sie erforschen auch die Abwehrmechanismen des Körpers. Das HZI verfügt über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung. Diese ist eine wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung. Ziel ist die Schaffung von Grundlagen für neue Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten.
Weitere Informationen
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Dr. Charlotte Schwenner, Wissenschaftsredakteurin
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Originalpublikation
Wende, M., Osbelt, L., Eisenhard, L. et al. Suppression of gut colonization by multidrug-resistant Escherichia coli clinical isolates through cooperative niche exclusion. Nat Commun 16, 5426 (2025). DOI: 10.1038/s41467-025-61327-7
https://medizin-aspekte.de/leber-und-galle-wenn-sie-die-knochen-schwaechen-156867/