Monoklonale Antikörper, wie sie in der Immunologie eingesetzt werden, zählen zu den derzeit komplexesten Biologika.[1] Da exakte Kopien bei Biologika ausgeschlossen sind,[2] rät Prof. Dr. Franz Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie am Agaplesion Medizinisches Versorgungszentrum, Frankfurt am Main, bei diesen Medikamenten nur zu einem Wechsel bei laufender Therapie, wenn dieser medizinisch begründet ist. Zum Aspekt der Extrapolation von Studiendaten äußerte er Bedenken.
Verordnungsquoten und Registerbeteiligung
Obwohl die Sicherheit der Biosimilars durch Beobachtung in Registern untersucht werden kann, sind die Verordnungs- und damit auch Einschlusszahlen bisher noch zu gering, um statistisch gesicherte Aussagen treffen zu können, wie Dr. Anja Strangfeld, Studienleiterin des RABBIT Registers am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ) Berlin berichtet. „Man kann hier nicht von einer validen Markterfahrung sprechen“, kommentierte Prof. Hartmann die Zahlen. Aus diesem Grunde lehne er Verordnungsquoten ab, wie sie von einigen Biosimilar-Herstellern gefordert werden. „Im Rahmen von Versorgungsverträgen sollte die Beteiligung an Registern bei der Verordnung von Biologika und Biosimilars gefordert und gefördert werden. Dies würde die Datenlage deutlich verbessern“, äußerte sich Dr. Strangfeld. Generell sei die Aufnahme von Biosimilars in Register sinnvoll, auch um Daten zum Therapiewechsel zwischen Referenzprodukt und biologischem Nachahmerprodukt zu erhalten. „Vor allem Patienten, die einen guten Therapieverlauf unter dem Originalpräparat haben, würde ich nur mit dem Originalpräparat auch weiter behandeln. Zu einem Switch von einem Originalprodukt auf ein Biosimilar außerhalb von Studien ist die Datenlage für mein Empfinden bislang zu dünn“, so Prof. Hartmann.
Wechsel von Präparaten sollte stets medizinisch begründet sein
Nur wenn ein Therapieverlauf laut Prof. Hartmann nicht zufriedenstellend ist, kann ein Switch Sinn machen. Dabei solle die ärztliche Therapiefreiheit gewahrt werden. Switches müssten stets medizinisch begründet sein und einen möglichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen haben. Diese Aussage wird auch gestützt von den 2014 veröffentlichten Stellungnahmen der Patientenorganisationen Rheuma-Liga[3] und Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV)[4], sowie denen der Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)[5] und European Crohn’s and Colitis Organization (ECCO).[6]
Im Sinne der Überwachung des Wirk- und Sicherheitsprofils aller komplexen Biologika einschließlich Biosimilars wird in den Positionspapieren außerdem eine eindeutige, vom Referenzprodukt unterscheidbare Wirkstoffbezeichnung (International Nonproprietary Name; INN) gefordert, um die Nachverfolgbarkeit von Sicherheitssignalen garantieren zu können.[3,4,5,6] Die WHO hatte zur Unterscheidung zunächst vorgeschlagen, zum INN des Biosimilars einen griechischen Buchstaben hinzuzufügen und regt nun einen sogenannten „Biologic Qualifier (BQ)“, einen Code aus vier zufällig bestimmten Konsonanten, an.[7] Prof. Hartmann teilt diese Forderung: „Es muss eine weltweit einheitlich geregelte Nomenklatur geben.“
Diese Ansicht spiegelte sich auch in einer Umfrage unter Mitgliedern der ECCO wider. Mehr als zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass biosimilare monoklonale Antikörper einen vom Originalprodukt unterscheidbaren Wirkstoffnamen haben sollten.[8] Für die Biosimilars ist auch der Wortlaut der Fachinformation (FI) in Bezug auf die Studiendaten derzeit mit dem des Originalpräparats nahezu identisch. So können die behandelnden Ärzte anhand der Fachinformation nicht nachvollziehen, für welche Indikationen Studien mit den Biosimilars durchgeführt wurden und wo die Zulassung auf der Extrapolation von Studiendaten des Referenzpräparats beruht. Diese wichtigen Informationen stehen zwar in den Europäischen Öffentlichen Beurteilungsberichten (EPAR).[9] Im Gegensatz zu den Fachinformationen werden EPAR allerdings von den meisten Ärzten deutlich seltener als Quelle genutzt.[10]
Verlässliche Registerdaten nötig
In Bezug auf die Informationstransparenz hinterfragte Prof. Hartmann auch den Aspekt der Extrapolation. Die European Medicines Agency (EMA) sieht für die Zulassung von biologischen Nachahmerprodukten ein im Vergleich zum Originalprodukt reduziertes Studienprogramm vor.[11] Biosimilars müssen in präklinischen und klinischen Untersuchungen eine hohe Ähnlichkeit mit dem Original-Biologikum aufweisen in Hinblick auf Qualität, biologische Aktivität, Sicherheit und Wirksamkeit.[12] Die klinischen Ergebnisse in einer Indikation können dann in begründeten Einzelfällen auf andere Indikationen, in denen das Originalpräparat zugelassen ist, übertragen bzw. extrapoliert werden, ohne dass in diesen Indikationen zusätzliche Studien durchgeführt werden.[13] Dieses Vorgehen wird zum Beispiel von der kanadischen Zulassungsbehörde von Fall zu Fall unterschiedlich gehandhabt. So wurde ein mAk-Biosimilar zwar in der Rheumatologie und Dermatologie, nicht aber für die Behandlung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zugelassen. Die Wirksamkeit des Biosimilars könnte in dieser Indikation nur durch klinische Studien belegt werden, so die Behördenvertreter.[13] „Biologika sind eben nicht mit herkömmlichen Medikamenten zu vergleichen“, so Prof. Hartmann. Gerade deshalb seien hier verlässliche Registerdaten vonnöten, um nachvollziehen zu können, wie sich der Therapieverlauf von Patienten, die unter diesen Vorgaben geswitcht wurden, entwickelt hat. „Eine exakte Dokumentation ist unerlässlich, denn das Wohl der Patienten muss bei jeder Entscheidung stets im Vordergrund stehen“, so das Fazit von Prof. Hartmann.
*Veranstaltung:
EUROFORUM-Jahrestagung: Biosimilare Antikörper in der Rheumatologie – Chancen und Herausforderungen für das Gesundheitssystem, 24. November 2015, Berlin.
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Literatur
1. Biosimilars – An update focused on quality considerations. Steven Kozlowski, Office of Biotechnology Products. FDA. Aug 8, 2012. http://www.fda.gov/downloads/advisorycommittees/committeesmeetingmaterials/drugs/advisorycommitteeforpharmaceuticalscienceandclinicalpharmacology/ucm315764.pdf. Zuletzt abgerufen am 18.01.2016.
2. FDA Draft Guidances – Scientific Considerations in Demonstrating Biosimilarity to a Reference Protein Product (Feb 2012) – US Guidance.
3. Positionierung der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e.V. zur Einführung von Biosimilars in Deutschland: https://www.rheuma-liga.de/stellungnahmen/
4. Positionspapier Biosimilars der DCCV e.V.: https://www.dccv.de/aktuelles/nachricht/news/detail/News/positionspapier-der-dccv-ev-zu-biosimilars/
5. Lorenz et al. Z Rheumatol 2014, 73: 784-786.
6. Danese S et al. Journal of Crohn’s and Colitis (2013) 7, 586-589.
7. World Health Organization. Biological Qualifier. An INN Proposal. Draft. July 2014 . 2014 Jul 30 .
8. Danese, Fiorino, Michetti, ECCO 2014.
9. European Medicines Agency. Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP). Guideline on Similar Biological Medicinal Products Containing Biotechnology-Derived Proteins as Active Substance: Non-Clinical and Clinical Issues. EMEA/CHMP/BMWP/42832/2005.
10. ASBM European Prescribers Survey, 2013, zuletzt abgerufen am 24.9.2015 unter http://safebiologics.org/resources/wp-content/uploads/2015/06/asbm_physician_survey_full_report_v2.pdf
11. EuropaBio. Guide to Biologic Medicines: A Focus on Biosimilar Medicines.
12. European Medicines Agency. Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP). Guideline on Similar Biological Medicinal Products Containing Biotechnology-Derived Proteins as Active Substance: Non-Clinical and Clinical Issues. EMEA/CHMP/BMWP/42832/2005.
13. Dörner T, Kay J. Biosimilars in rheumatology: current perspectives and lessons learnt. Nature reviews. Rheumatology. Online publication 25. August 2015; doi:10.1038/nrrheum.2015.110.
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