Biosimilars ja, aber unter kontrollierten Rahmenbedingungen

Biotechnologisch gewonnene Arzneimittel – so genannte „Biologika“ – haben die Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen deutlich erweitert. Sie werden eingesetzt, um bei Patienten, die nicht ausreichend gut auf konventionelle Basistherapeutika ansprechen, das Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern und langfristige Folgeschäden zu vermeiden. Ihre Anwendung bedarf jedoch einer sorgfältigen Überwachung wegen möglicher unerwünschter Wirkungen. Die Substanzen werden in einem sehr aufwändigen Herstellungsprozess, z. B. mithilfe von gentechnisch veränderten Organismen, synthetisiert. Ihr Einsatz ist mit hohen direkten Kosten von über einer Milliarde Euro (Arzneimittelreport 2013) verbunden.

Das erste für eine rheumatologische Indikation zugelassene Präparat war der TNF-alpha-Blocker Infliximab für die Indikation rheumatoide Arthritis im Jahr 1999. Inzwischen sind in Deutschland zehn Biologika bei rheumatologischen Indikationen zugelassen. Angesichts des auslaufenden Patentschutzes einiger davon (Rituximab, Infliximab, demnächst auch Etanercept und Adalimumab) kommen nun so genannte Biosimilars auf den Markt. Diese stimmen, trotz einer nahezu identischen Gensequenz, mit dem Originalpräparat nicht exakt überein, weil in der Synthese dieser komplexen, dreidimensionalen Proteine in den Mutterzellen, wie bei jedem Protein, noch verschiedene Modifikationen nach der Genablesung auftreten und die exakten Herstellungsmethoden des Originalpräparats nicht publiziert sind. Aus diesem Grund wurde die Bezeichnung „Biosimilar“ gewählt – als Abgrenzung zum „Generikum“, das eine wirkstoffgleiche Kopie des Originals darstellt. Die Modifikationen können veränderte antigene Eigenschaften des Proteins zur Folge haben und damit zur Entwicklung von gegen das Protein gerichteten Antikörpern oder allergischen Reaktionen des Patienten führen. Das trifft allerdings auch auf die Originalpräparate zu, die ebenfalls eine gewisse Variabilität aufweisen.

Darüber hinaus ist für Biosimilars ein vereinfachtes Zulassungsverfahren möglich: Ein Nachweis zu Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit sowie zur Verträglichkeit der Präparate hat lediglich in präklinischen Untersuchungen sowie Phase-I-Studien zu erfolgen. In der Regel folgt dann eine „head-to-head“-vergleichende Phase-III-Studie mit dem Originalpräparat in einer der zugelassenen Indikationen. Bei vergleichbarer Effizienz und Sicherheit kann dann die Zulassung des Biosimilars für alle dem Originalpräparat zugewiesenen Indikationen erfolgen.

In der Zulassung von Medikamenten sind in absteigender Wertigkeit die Sicherheit und Verträglichkeit, die Effizienz und die Kosten entscheidend. Das muss auch für Biosimilars gelten, gerade vor dem Hintergrund der oben skizzierten Herstellungsmethoden. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hält es daher für unabdingbar, dass auch Biosimilars nach der Marktzulassung ein langfristiges und dezidiertes Sicherheitsprogramm durchlaufen müssen, da Nebenwirkungen wie z. B. Allergien und Anaphylaxien oder eine vermehrte Bildung von gegen das Medikament gerichteten Antikörpern auftreten können, die bisher vom Originalpräparat nicht zu erwarten waren. Das bedeutet nicht, dass das Original per se weniger Nebenwirkungen verursacht als das Biosimilar: Angesichts des komplexen (und gelegentlich variablen) Herstellungsprozesses kann es auch umgekehrt sein. Solche Variationen können aber nur analysiert und erkannt werden, wenn sich Wirkung und Nebenwirkung tatsächlich dem jeweiligen Original oder Biosimilar in der Aufarbeitung des Falles exakt zuordnen lassen.

Für die DGRh ergeben sich daraus die folgenden Konsequenzen:

1. Jedes Biologikum sollte einen unterschiedlichen internationalen Freinamen haben, so dass z. B. nicht alle Infliximab-Biosimilars als Infliximab firmieren und so rezeptiert werden. Die DGRh unterstützt ausdrücklich den Vorschlag der WHO, jedem Biologikum einen weltweit einheitlichen 4-stelligen Code (den sog. „BQ“ = Biological Qualifier) zuzuordnen, der die Identifikation jeder einzelnen Substanz aus jeder einzelnen Quelle ermöglicht.

2. Apotheker dürfen nicht ohne Wissen des Arztes und/oder Anordnung des Arztes vom Originalpräparat auf ein Biosimilar umstellen oder umgekehrt. Das gilt auch für parallele Entwicklungen durch den Originalhersteller.

3. Nebenwirkungen müssen in zentralen Registern (z. B. dem Deutschen RABBIT-Register) dokumentiert und einem definierten Produkt (Originalpräparat oder Biosimilar) genau zugeordnet werden können.

4. Solange keine Langzeitdaten zu spezifischen Indikationen vorliegen, ist ein unkontrollierter Produktwechsel mit jeder Verordnung zwischen Original und/oder unterschiedlichen Biosimilars zu vermeiden, um unerwünschte immunologische Wirkungen der verschiedenen Bioprodukte bei unterschiedlichen Herstellungsprozessen möglichst gering zu halten.

5. Ein unkontrollierter Wechsel zwischen Biologika aus Kostengründen ist zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen. Das bezieht sich sowohl auf einen Präparatewechsel zwischen verschiedenen TNF-alpha-Blockern als auch zwischen verschiedenen Biologika-Klassen, da das Ansprechen auf verschiedene Biologika auch bei den Originalpräparaten variiert.

6. Ein Wechsel von einem Originalpräparat auf ein Biosimilar, das im Zulassungsverfahren nur in einer rheumatologisch fachfremden Indikation getestet wurde (z. B. Rituximab bei Non Hodgkin Lymphom) ist problematisch, solange keine Langzeitdaten dieser Biosimilars in rheumatologischen Indikationen vorliegen.

7. Erzwungene Verordnungsquoten von Biosimilars sind zum jetzigen Zeitpunkt und in jeglicher Form abzulehnen, solange die oben geforderten Langzeitdaten in pharmazeutisch unabhängigen Zentralregistern (wie z.B. dem Deutschen RABBIT-Register) für Biosimilars nicht vorliegen.

Angesichts der enormen Kosten, die mit biologisch hergestellten Medikamenten verbunden sind, begrüßt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie die Einführung von Biosimilars, da diese mit der Hoffnung auf Preisreduktionen verbunden ist, was wiederum Anlass zu der Hoffnung gibt, dass mehr Patienten mit wirksamen biologisch hergestellten Medikamenten behandelt werden können. Derzeit ist jedoch aus den genannten Gründen, vor allem wegen der potentiellen immunologischen Nebenwirkungen, eine „aut Idem“-Regelung analog zu den Generika (Austausch durch den Apotheker gegen ein wirkstoffgleiches Produkt) für Biosimilars strikt abzulehnen.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) ist mit mehr als 1.400 Mitgliedern die größte medizinische Fachgesellschaft in Deutschland im Bereich der Rheumatologie. Sie repräsentiert seit mehr als 80 Jahren die rheumatologische Wissenschaft und Forschung und deren Entwicklung in Deutschland. Als gemeinnütziger Verein arbeitet die DGRh unabhängig und ohne Verfolgung wirt¬schaftlicher Ziele zum Nutzen der Allgemeinheit.

Eine ausführliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie zu Biosimilars wurde soeben veröffentlicht in der Zeitschrift für Rheumatologie, Band 73, Heft 9, November 2014.

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