Eine neue OP-Technik der Klinik für Chirurgie am Knappschaftskrankenhaus Sulzbach verhilft Betroffenen, Aussackungen des Darms, Senkungszustände von Blase und Scheide (Becken-Boden-Insuffizienz) schnell zu beheben. Mit Hilfe der Schlüsselloch-Chirurgie wird der Darm nach oben gezogen und im oberen Bereich neu fixiert. Ebenso wird im unteren Bereich der Beckenboden gerafft und Aussackungen des Mastdarms beseitigt. Die Patienten sind schneller mobil, benötigen weniger Schmerzmittel und haben weniger innere Verwachsungen. Im Durchschnitt können sie 4-5 Tage früher entlassen werden. Das kosmetische Ergebnis ist aufgrund kleinerer Narben sehr viel besser.
Die Klinik für Chirurgie im Knappschaftskrankenhaus Sulzbach kümmert sich in Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Fachabteilungen um anatomische Veränderungen des Beckenbodens und seiner Organe. Sie betrachtet auch funktionelle Störungen und behandelt die so genannte Beckenbodeninsuffizienz. Dabei handelt es sich um Senkungen des Darms und der Blase sowie bei Frauen auch der Geschlechtsorgane. Die häufigsten Beschwerden sind Störungen der Kontrollfunktion (Inkontinenz) und der Entleerung von Blase und Darm, Schmerzen im Beckenbereich, Empfindungsstörungen mit Senkungsbeschwerden und Einschränkungen der Sexualfunktion. Oft stellen sich die Patienten mit einem häufigen Symptom, z.B. der Stuhlinkontinenz vor. Bei der Untersuchung zeigt sich oft, dass auch andere Beckenorgane, z.B. die Blase in ihrer anatomischen Lage oder ihrer Funktion (Harninkontinenz) beeinträchtig sind. “Die Zielsetzung ist für uns ein Beckenbodenzentrum, in dem wir Diagnose und Therapie der Beckenbodeninsuffizienz weiter ausbauen“, so PD Dr. Hinnerk Gebhardt, Chefarzt der Klinik für Chirurgie. “Schon jetzt erfolgt die Behandlung durch eine enge Zusammenarbeit mit den Gynäkologen, Urologen und Physiotherapeuten. Mit diesem fachübergreifenden Konzept werden wir der Komplexität der Beckenbodeninsuffizienz gerecht.“
Ursachen / Symptome der Beckenbodeninsuffizienz
Erkrankungen des Beckenbodens oder Senkungsleiden können sich auf sehr unterschiedliche Art niederschlagen.
Zu den häufigsten Beschwerden gehören
Blasen- und Darmentleerungsstörungen Harn- und Stuhlinkontinenz, Stuhlschmieren Beckenbodenschwäche mit Verlagerung von Harnblase, Genitalorganen und Darm, z. B. Ausbuchtung und Eindellungen des Mastdarmes, Gebärmutter- und Scheidenvorfall chronische Unterbauchschmerzen, Schmerzen im Damm- und Analbereich Infektionen und Entzündungen im Dammbereich mit Abszessen und Fisteln
Die Ursachen hierfür sind vielfältig: zum Beispiel zählen vaginale Geburten, Übergewicht, prä- und postmenopausaler Östrogenmangel und erbliche Veranlagungen hinzu. Im Fall der Harn- und Stuhlinkontinenz handelt es sich grundsätzlich um Erkrankungen von Männern und Frauen, bei denen der Beckenboden (oder in der Region des kleinen Beckens liegende Organe und steuernde Nerven) Schädigungen aufweisen, so dass die Schließfunktion von Blase oder Enddarm gestört ist. Mit Inkontinenz einher gehende Erkrankungen stellen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Betroffenen dar. Das tägliche Leben wird erheblich erschwert. „Das Problem ist vor allem die Tabuisierung von Beschwerden, die mit Beckenbodenerkrankungen zusammen hängen. Viele schrecken davor zurück. Sie scheuen sich zu offenbaren und medizinische Hilfe zu suchen“, erklärt Gebhardt.
Hauptsymptom Chronische Verstopfung
Die chronische Verstopfung geht dabei der Inkontinenz zunächst einige Jahre voraus. Diese Beschwerden betreffen vor allem Frauen. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu: so leiden zum Beispiel fast 30% der über 65-jährigen Frauen an dieser Krankheit. Die Patienten klagen über eine verlängerte und erschwerte Stuhlentleerung. Sie müssen oft stark pressen oder sogar mit den Fingern sich des Stuhls entledigen. Häufig können sie ohne Einnahme von Abführmitteln oder Einläufen den Stuhl nicht entleeren. Auch fühlen sie oft eine unvollständige Stuhlentleerung und verbringen deshalb sehr viel Zeit auf der Toilette. Exzessives Pressen führt häufig dazu, dass auch der Dünndarm oder Teile des Mastdarmes sich ins kleine Becken heruntersenken und zusätzlich noch auf den Damm oder den Enddarm drücken, was die Stuhlentleerung zusätzlich behindert und die spätere Inkontinenz begünstigt.
Schonende OP-Methode hilft schnell und effizient
Das neue OP-Verfahren bedient sich der Schlüsselloch-Chirurgie. Über 3 „kleine“ Löcher operiert der Mediziner mit Hilfe des Laparoskops im Bauchraum. Das Hauptproblem ist der abgesenkte Beckenboden, der ein Absenken von Darm, Scheide und Harnblase bewirkt. Daher eröffnet Dr. Gebhardt zunächst den oberen Bereich des Bauchraums, um den Darm nach oben zu ziehen und seitlich am Becken neu zu fixieren. Bei diesem minimal invasiven Verfahren (=Schlüssellochchirurgie) wird der Enddarm im kleinen Becken frei präpariert und anschließend nach oben gezogen. In dieser neuen Position wird dann der Enddarm mit 3 bis 4 Nähten am Eingang des kleinen Beckens wieder fixiert. Falls ein sehr großer langer Mastdarm (Colon sigmoideum) vorliegt, kann gleichzeitig eine Mastdarmentfernung vorgenommen werden. Auf diese Weise lassen sich auch Aussackungen des Mastdarms entfernen. Danach widmet sich Gebhardt laparoskopisch dem unteren Beckenboden:
Kombination der OP mit der Vorderen Beckenbodenplastik
Über einen Schnitt am Damm wird der Schließmuskeldefekt dargestellt. Anschließend wird der vordere Anteil des Beckenbodens präpariert und die Trennschicht zwischen Scheide und Enddarm dargestellt. Die Vorwölbung des Enddarms wird zurückgedrängt. Die Lücke zwischen Scheide und Enddarm durch eine Raffung der Beckenbodenmuskulatur verstärkt. Danach kann der Schließmuskel mit einer überlappenden Naht wieder in seiner Kontinuität hergestellt werden. Häufig findet man bei diesen Patientinnen einen ausgedünnten Damm, der nun sorgfältig wieder rekonstruiert werden kann. Zusätzlich können die Aussackungen des Darmes über den After ohne Eröffnung des Bauches mit einem Klammernahtgerät schonend abgetragen werden.
Vorteile der neuen OP-Methode
Da die neue Operation mit Hilfe der Schlüsselloch-Chirurgie durchgeführt wird, gibt es keine großen Narben mehr. Das Ergebnis ist kosmetisch viel besser. Die Patienten sind nach der OP sehr viel schneller wieder mobil und benötigen vor allem weniger Schmerzmittel. Im Durchschnitt können sie 4-5 Tage früher entlassen werden. Langfristig betrachtet gibt es weniger Verwachsungen im Inneren des Bauchraums und eine geringere Komplikationsrate.