Mit dem 2011 von der EMCDDA und ihrem Wissenschaftlichen Ausschuss eingeführten Preis werden wissenschaftliche Artikel und hochwertige Forschungsarbeiten im Bereich illegaler Drogen ausgezeichnet.
Jürgen Rhems wird für seinen Artikel „Defining substance use disorders: do we really need more than heavy use?“ (2013) (Brauchen wir wirklich mehr als einen starken Konsum für die Definition von Substanzstörungen?) ausgezeichnet, der in der Zeitschrift Alcohol and Alcoholism, veröffentlicht wurde. In diesem Artikel fordert er eine radikale Neudefinition von Substanzgebrauchsstörungen, die nicht nur die Wissenschaft und die klinische Praxis revolutionieren, sondern auch erhebliche Vorteile für die Gesellschaft und vor allem für von Sucht Betroffene haben könnte.
Auf der Basis einer Analyse der jüngsten einschlägigen Studien und Daten kommen Rehm und elf Kollegen aus neun Ländern zur Erkenntnis, dass starker Gebrauch von psychoaktiven Substanzen über einen längeren Zeitraum zu genau den Veränderungen im Gehirn und anderen physiologischen Phänomenen wie Intoxikation, Entzug und Toleranz führt, die den derzeitigen Definitionen der Begriffe „Suchterkrankungen“ oder „Substanzgebrauchsstörungen“ zugrunde liegen. Darüber hinaus ist der starke Gebrauch von psychoaktiven Substanzen über einen längeren Zeitraum eng mit den wichtigsten sozialen Folgen der „Sucht“ wie Vernachlässigung sozialer Rollen, der ausschließlichen Fokussierung des Lebens auf Suchtmittel oder Gewalt verbunden, und ist auch für den Großteil der durch Substanzen verursachten Krankheitslast und Sterblichkeit verantwortlich.
Seit Jahrzehnten hatten Kliniker, Wissenschaftler und Gesundheitsplaner Probleme bei der Diskussion und Problembekämpfung von Substanzgebrauchsstörungen, weil eine gemeinsame Definition der Begriffe und Konzepte nicht möglich schien. In der Tat gibt es verschiedenen Definitionen in verschiedenen Bereichen, und selbst im Bereich der klinischen Medizin gibt es zwei verschiedene Definitionen, die beide weder den Alltagsdefinitionen noch den Definitionen im Bereich der Justiz entsprechen. Ein Teil des Problems rührt von der Tatsache, dass sich die gegenwärtigen Definitionen auf Kriterien wie „Kontrollverlust“ stützen, die in verschiedenen Ländern und Kulturen unterschiedlich wahrgenommen werden.
„Die neue Definition des starken Gebrauchs über einen längeren Zeitraum“, sagen Rehm und Co-Autoren „entspricht am besten den empirischen Daten. Mit ihrer Hilfe werden wir einige der aktuellen Probleme mit Definitionen und Operationalisierung von Substanzgebrauchsstörungen überwinden.“
Der Artikel ist im Rahmen des Forschungsprojektes ALICE-RAP (Addiction and Lifestyles in Contemporary Europe – Reframing Addictions) entstanden, welches sich unter Leitung der Professoren Jürgen Rehm und Gerhard Bühringer mit der Frage von Abhängigkeit und Sucht beschäftigt. Ziel ist, den Ansatz zum Umgang mit „Sucht“ zu überdenken und die Öffentlichkeit und die Politik durch wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse zum Dialog zu animieren und eine alternative Herangehensweise zum Umgang mit „Sucht“ zu erarbeiten.
Jürgen Rehm bekommt die Auszeichnung der EMCDDA am 25. November 2104 in Lissabon verliehen.
Informationen für Journalisten:
Prof. Jürgen Rehm, Tel.: 0351 463 36983
E-Mail: jtrehm@gmail.com