Augentumoren – Krebsdiagnostik am Auge: Schonende Suche nach Tumor

Auge

Wie weit dieses schonende Diagnoseverfahren entwickelt ist und welche Aussagekraft es besitzt, diskutieren Experten am 29. September 2022 auf einer Pressekonferenz zur Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG).


Die beiden häufigsten bösartigen Tumoren des Augeninneren sind das von Netzhautzellen ausgehende Retinoblastom und das Aderhautmelanom, bei dem die pigmentierten Zellen der unterhalb der Netzhaut gelegenen Aderhaut zu wuchern beginnen. „Bei beiden Erkrankungen wäre es ausgesprochen hilfreich, auf schonende Weise Informationen über die genetischen Besonderheiten des individuellen Tumors zu erhalten“, sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Nikolaos E. Bechrakis, Direktor der Universitäts-Augenklinik Essen. Mithilfe eines solchen genetischen Fingerabdrucks ließen sich wichtige Tumoreigenschaften bestimmen und die Therapie besser planen. Darüber hinaus mache der Nachweis – oder auch das Fehlen – tumoreigener DNA es möglich, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Therapie zu beurteilen. „Besonders nach zunächst erfolgreicher Therapie bietet die Flüssigbiopsie die Chance, eine mögliche Rückkehr der Erkrankung frühzeitig zu erkennen und rasch darauf zu reagieren“, erklärt Bechrakis.

Liquid Biopsy zur Krebsdiagnostik am Auge: Schonende Suche nach Tumorspuren

Bereits vor etlichen Jahren konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass für die genetische Untersuchung von Augentumoren nicht unbedingt eine Gewebeprobe direkt aus der Geschwulst notwendig ist. Vielmehr lässt sich Tumormaterial – das gilt für Proteine ebenso wie für freie Tumor-DNA – auch aus der viel leichter erreichbaren vorderen Augenkammer oder dem Glaskörper des Auges gewinnen. „Die Beprobung solcher Flüssigkeitsräume wird als Flüssigbiopsie bezeichnet“, erläutert Bechrakis.

Weil allerdings auch hierbei das Auge punktiert werden muss, sei zusätzlich auch die Flüssigbiopsie aus dem in den Adern zirkulierenden Blut untersucht worden. In der Essener Universitäts-Augenklinik haben Bechrakis und sein Team hierzu umfangreiche Studien unternommen – mit Erfolg. „Bei Patientinnen und Patienten mit Aderhautmelanom konnten wir mit großer Zuverlässigkeit tumorspezifische DNA in Blutproben nachweisen“, berichtet der DOG-Experte.

Von besonderer Bedeutung sei dies für die Früherkennung von Metastasen. „Bei Patientinnen und Patienten, die nach der Entfernung des Primärtumors Metastasen entwickelten, ist das DNA-Signal im Blut bereits zwei bis zehn Monate vor dem Nachweis von Leber-Metastasen durch einen Ultraschall oder eine Magnetresonanztomografie des Oberbauches sichtbar gewesen“, erklärt Bechrakis. Mit hochmodernen Geräten und sehr hoher Detektionsempfindlichkeit lassen sich hier 96 Prozent aller durch Metastasen erkrankten Personen zuverlässig erkennen („Sensitivität“) und 80 Prozent aller nicht metastasierten Personen korrekt als nicht erkrankt einstufen („Spezifität“). Auch beim Retinoblastom ist es möglich, Tumor-DNA per Flüssigbiopsie sowohl in der vorderen Augenkammer als auch im Blut festzustellen. „Hier geht es derzeit noch darum, die Sensitivität und Spezifität des Verfahrens zu evaluieren“, sagt Bechrakis.

Mit zunehmender Nachweisempfindlichkeit rückt auch die Möglichkeit einer vorgeburtlichen Diagnostik in greifbare Nähe – denn als frühkindlicher Tumor betrifft das Retinoblastom hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder. „Prinzipiell ist es denkbar, eine Tumorerkrankung des Embryos aus einer einfachen Blutprobe der Mutter zu erkennen“, so Bechrakis. Diese Hürde sei bislang aber weder technisch genommen, noch seien die damit verbundenen ethischen und rechtlichen Fragen geklärt.

Vorab-Online-Pressekonferenz zur DOG 2022
Termin: Donnerstag, 22. September 2022, 11.00 bis 12.00 Uhr
Link zur Teilnahme:

Themen und Referierende:

In der Klinik angekommen – Zelltherapie, Wachstumsfaktoren und Gewebekonstrukte für die Augenoberfläche und Hornhaut
Professor Dr. med. Gerd Geerling
Präsident der DOG; Direktor der Klinik für Augenheilkunde,
Universitätsklinikum Düsseldorf

Spendermangel in der Hornhauttransplantation –
sind Fischschuppen die Lösung?
Professor Dr. med. Claus Cursiefen
Generalsekretär der DOG; Direktor des Zentrums für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Köln

Schwachsichtigkeit: Je früher die Therapie, desto besser die Kinderaugen
Professor Dr. med. Maria Fronius
Leiterin der Forschungseinheit „Sehstörungen des Kindesalters“, Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Frankfurt/Main

Höhere UV-Strahlung am Auge: Wie können wir uns vor Schäden schützen?
Privatdozent Dr. med. Vinodh Kakkassery
Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Schleswig-Hostein, Campus Lübeck

Behandeln unter Kriegsbedingungen:
Zur Lage der Augenkliniken in der Ukraine
Privatdozent Dr. Lyubomyr Lytvynchuk
Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Gießen

Moderation:
Kerstin Ullrich, Pressestelle DOG, Berlin


Kongress-Pressekonferenz (hybrid) zur DOG 2022

Termin: Donnerstag, 29. September 2022, 12.30 bis 13.30 Uhr
Präsenz: Estrel Congress Center, Saal A, Sonnenallee 225, 12057 Berlin

Themen und Referierende:

Ökologische Nachhaltigkeit in der Augenheilkunde –
wie kann das gehen?
Professor Dr. med. Gerd Geerling
Präsident der DOG; Direktor der Klinik für Augenheilkunde,
Universitätsklinikum Düsseldorf

Alterssichtigkeit: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Professorin Dr. med. Maya Müller
Ärztliche Direktorin des Instituts für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie (IROC), Zürich/Schweiz

Trockene altersabhängige Makuladegeneration:
Hoffnungsträger Komplement-Inhibitoren?
Professor Dr. med. Frank Holz
Direktor der Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Bonn; Vorstand der Stiftung Auge

Long-COVID: Sind Störungen der Mikrozirkulation für die Dauer-Erschöpfung verantwortlich? Wie kann der Augenarzt die Erkrankung heilen?
Privatdozentin Dr. med. Dr. rer. biol. hum. Bettina Hohberger
Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Erlangen

Liquid Biopsy: Neue Möglichkeiten zur Krebsdiagnostik am Auge
Professor Dr. med. Dr. h.c. Nikolaos Bechrakis
Direktor der Klinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Essen

Moderation:
Anne-Katrin Döbler, Pressestelle DOG, Stuttgart

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