Auf den Spuren einer oft übersehenen Krankheit

Etwa 4.000 bis 6.000 Menschen pro Jahr erkranken in Deutschland an einem follikulären Lymphom. Auslöser sind entartete Vorläuferzellen des Immunsystems, die sich unkontrolliert teilen. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt, lässt sie sich in der Regel gut behandeln; in fortgeschrittenen Stadien ist eine Heilung in der Regel nicht mehr möglich. Allerdings lässt sich dann das Voranschreiten der Krankheit deutlich verlangsamen.

Eine Untergruppe des follikulären Lymphoms steht im Mittelpunkt der Forschung von Alberto Zamò. Der Italiener ist Professor an der Universität von Verona; seit dem 1. Oktober 2015 ist er für ein Jahr als Stipendiat der Alexander-von-Humboldt-Stiftung zu Gast am Institut für Pathologie der Universität Würzburg. Unter der Leitung von Professor Andreas Rosenwald und Dr. Ellen Leich arbeitet er dort daran, Details dieser vergleichsweise unbekannten Krebsart zu entschlüsseln.

„Bisher ist man davon ausgegangen, dass die klassische Variante des follikulären Lymphoms etwa 85 Prozent aller Fälle ausmacht, und die von mir untersuchte Subgruppe für die restlichen 15 Prozent verantwortlich ist“, erklärt Zamò. Vor kurzem konnten jedoch Wissenschaftler vom Würzburger Institut für Pathologie zeigen, dass in frühzeitigen Stadien die klassische Variante nur in 50% der Fälle vorliegt. „Es existiert also eine Krankheitsform, über die wir nicht viel wissen, und die möglicherweise auf eine Therapie schlechter anschlägt“, so Zamò.

Schwierige Suche nach den verantwortlichen Mutationen

Im Rahmen seines Forschungsprojekts untersucht Zamò deshalb die entsprechenden Gewebe und Zellen und konzentriert sich dabei auf das Genom der entarteten Zellen. „Unser Ziel ist es, diejenigen Mutationen zu entdecken, die für die Krankheit verantwortlich sind, herauszufinden, welche Moleküle dadurch verändert sind, und die Frage zu beantworten, ob sich diese Moleküle als Angriffspunkt für neue Therapien anbieten“, erklärt der Wissenschaftler. Dabei standen am Anfang seiner Untersuchungen rund 1.000 Mutationen, die theoretisch Auslöser für die Entartung hätten sein können. Mittlerweile konnten er und seine Mitarbeiter diese Zahl auf unter 50 drücken. Unterstützung erhält er dabei von Bioinformatikern, die ihm die notwendigen Algorithmen liefern, mit denen er die gewaltigen Datenmengen des Erbguts analysiert.

Alberto Zamòs Heimat ist die Universität Verona, wo er seit 2005 als Professor lehrt und forscht. Nach seinem Medizinstudium hat sich der heute 42-Jährige auf das Fach Pathologie spezialisiert und in einem Bereich der Onkologischen Pathologie promoviert. Für das Humboldt-Stipendium hat er in Verona ein Sabbatical genommen. „In Verona muss ich neben der Forschung auch klinisch arbeiten“, sagt Zamò. Dank des Stipendiums der Alexander-von-Humboldt-Stiftung könne er sich nun „ein Jahr lang voll und ganz auf die Forschung konzentrieren“.

Faszinierender Blick auf den Tatort

Was treibt einen Mediziner dazu, statt Patienten zu behandeln, stundenlang histologische Schnitte unter dem Mikroskop zu betrachten und endlose Mengen an Daten zu analysieren? „Der Blick durch das Mikroskop ist wie ein Blick auf einen Tatort“, sagt Zamò. Wenn man einen Verdacht hat, wonach man suchen muss, könne man dort sehr viel erkennen. Außerdem könne ein Arzt häufig die richtige Diagnose nur mit der Hilfe des Pathologen stellen. „Man sagt deshalb nicht zu Unrecht: Ein guter Pathologe steht am Anfang einer guten Therapie“, so Zamò.

Ein erstes Zwischenergebnis seines Würzburger Forschungsprojekts hat Zamò so gut wie erreicht: die genaue Charakterisierung dieser Subgruppe des follikulären Lymphoms. Eine Publikation dieser Ergebnisse sei bereits in Arbeit. Der zweite Teil seiner Arbeit wird deutlich aufwendiger. Dann geht es um die Frage, wie die Mutationen den Krankheitsverlauf beeinflussen. „Dafür müssen wir etwa 200 Proben bearbeiten und dabei auch nach potenziellen Markern suchen“, erklärt Zamò. Bis zum Ende seines Stipendiums wird das nicht zu schaffen sein, ist er überzeugt. Deshalb plant er schon jetzt, das Vorhaben als Kooperationsprojekt weiterzuführen, wenn er wieder zurück in Verona ist. Ein Schritt, der, wie er vermutet, so auch von der Humboldt-Stiftung gewünscht ist.

Rückkehr nach Würzburg nach neun Jahren

Würzburg und das Institut für Pathologie kannte Zamò zum Zeitpunkt seiner Bewerbung bei der Humboldt-Stiftung gut. Schon vor neun Jahren hatte er sich dort für ein Forschungsprojekt aufgehalten. Warum Würzburg? „Hier gibt es eine große Gewebesammlung, passend zu meinem Forschungsgebiet“, sagt Zamò. Darüber hinaus sei der Leiter des Instituts, Professor Andreas Rosenwald, weltweit führender Experte, wenn es um die genetische Untersuchung von Lymphomen geht.

Was den Umzug von der Etsch an den Main außerdem erleichterte: „Würzburg und Verona gleichen sich ziemlich“, sagt Alberto Zamò: Die Städte nicht zu groß, die Universitäten allerdings groß genug, um in der Forschung wettbewerbsfähig zu sein. „Außerdem liegen beide an einem Fluss, sind von Bergen umgeben und haben den Wein“.

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