Antikoagulation und niedermolekulares Heparin – CHADs Score, HAS-BLED Score und Khorana Score erlauben effektives Thrombosemanagement – Umfeld invasive und chirurgische Eingriffe

Der Erfolg der Antikoagulation mit Antithrombotika wird durch zwei Risikobereiche geprägt: Blutungen und Thromboembolien. Wird zu niedrig dosiert, steigt das Risiko einer Thromboembolie, wird zu hoch dosiert, drohen Blutungen. Das hat Konsequenzen für Risikopatienten vor allem bei operativen Eingriffen. Zur Risikominimierung gilt es daher, thrombosegefährdete Patienten zu identifizieren. Grob lassen sich dabei zwei Gruppen klassifizieren. Zur einen Gruppe gehören die Patienten, die bereits dauerhaft mit oralen Antithrombotika behandelt werden. Um das Blutungsrisko für diese Patienten möglichst klein zu halten, wird ihre orale Antikoagulation vor dem Eingriff abgesetzt. Methoden des Bridgings, also der Umstellung der oralen Antikoagulation auf eine Behandlung mit Niedermolekularem Heparin (NMH) gewährleisten auch in dieser Zeit eine erfolgreiche Antikoagulation. 

Die zweite Gruppe sind Patienten, die bisher noch nicht antikoaguliert werden, aber thrombosegefährdet sind. Diskussionen über Thromboseprophylaxe bei Hochrisikopatienten und – im Falle einer bereits erfahrenen Thrombose – die Wahl der Sekundärprophylaxe weisen die Komplexität eines erfolgreichen Thrombosemanagements vor allem im Zusammenhang mit operativen Eingriffen auf.

Border Register liefert Daten zum Bridging – Thrombosemanagement im Umfeld invasiver oder operativer Eingriffe
Bisher war unbekannt, ob beim Bridging die Empfehlungen der Fachgesellschaften berücksichtigt werden. Hierzu wurde das Border Register erstellt. Von 1000 Patienten kardiologischer Fachärzte wurden alle relevanten Daten bei der Umstellung der oralen Antikoagulation vor einem invasiven oder operativen Eingriff in 2009 und 2010 zusammengetragen und ausgewertet.

Als wesentliche Ergebnisse des BORDER Registers nennt Prof. Dr. med. Heymut Omran, Chefarzt und Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie am St.-Marien-Hospital in Bonn, dass Thromboembolien in nur 0,4% (4 Fälle) auftraten und auch das Blutungsrisiko (35 klinisch relevante Fälle =3,6%)  beherrscht wurde.  Um die Therapieentscheidung im Rahmen eines modernen Thrombosemanagements zu erleichtern, erwiesen sich zur Risikoeinschätzung im Vorfeld der Eingriffe der HAS-Bled Score, zur Identifikation des Blutungsrisikos, und der CHADs Score, zur Erfassung des Thromboembolierisikos, bei kardialen Eingriffen als nützliche Methoden.

Die Ergebnisse des Border Register zeigen, dass von beteiligten Kardiologen unfraktioniertes Heparin (UFH) zum Bridging bei invasiven oder operativen Eingriffen kaum noch eingesetzt wird (0,2%). In 93,7% wird im Rahmen eines effektiven Thrombosemanagements  niedermolekulares Heparin gespritzt. Dabei stellen die Empfehlungen der Fachgesellschaften, veröffentlicht in den S3-Leitlinien, eine sinnvolle und praktikable Therapiebasis dar.

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Der Tumor bestimmt Thromboembolierisiko bei Krebspatienten

Bei Tumorpatienten ist das Thromboembolierisiko abhängig von der Art der Krebserkrankung. So haben Patienten mit Harnblasenkrebs, Prostatakarzinom oder Brustkrebs ein geringes Risiko, eine Thromboembolie im Verlauf ihrer Krankheit zu bekommen. Hingegen steigt bei Patienten mit Pankreaskarzinom, mit einem malignen Hirntumor, einem Ovarialkarzinom oder aber auch mit Lymphomen die Gefahr für eine tiefe Beinvenenthrombose deutlich.  Nach Einschätzung von Prof. Weltermann, Vorstand der Abteilung für Hämatologie mit Stammzelltransplantation, Hämostaseologie und medizinische Onkologie am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz, erleiden 15% aller Tumorpatienten im Verlauf ihrer onkologischen Erkrankung  eine symptomatisch venöse Thromboembolie oder Lungenembolie. 

Krebstherapie beeinflußt das Thromboserisiko
Auch die Art der Krebstherapie beeinflußt das Thromboserisiko. So ist das Risiko für eine venöse Thromboembolie durch Chemotherapie um das Doppelte erhöht im Vergleich zu Patienten, die keine Chemotherapie erhalten. Bei Patienten, die eine Chemotherapie mit Platinen erhalten, steigt das Thromboembolierisiko. So steigt nach platinhaltiger Chemotherapie bei Lungenkrebspatienten die Thromboseraten nach einem Jahr um bis zu 20%.

Wie bei anderen invasiven oder operativen Eingriffen gilt daher auch im Vorfeld tumorchirurgischer Operationen, das Thromboserisiko zu definieren, um die Gefahr einer Thromboembolie durch eine tiefe Venenthrombose abzuwenden und das Blutungsrisiko zu minimieren.
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Khorana Score erleichtert Thrombosemanagement bei Tumorpatienten
Der Khorana Score berücksichtigt besondere Parameter von Tumorerkrankungen. Nach Einschätzung von Prof. Weltermann  lassen sich mit dem Khorana Score Tumor-Patienten identifizieren, die ein hohes oder erhöhtes Risiko für eine tiefe Venenthrombose haben. Hierbei werden verschiedene klinische Parameter bewertet. Die Tumorintentität, ob z.B. Pankreastumor oder Magenkarzinom, die Zahl der weißen Blutplättchen und das Gewicht der Patienten, sein Alter und Geschlecht werden dabei berücksichtigt. Auf der Basis der berechneten Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe lassen sich Entscheidungen über eine Antikoagulation wesentlich leichter treffen.

Studien zur Antikoagulation von Krebspatienten wie z.B. die Prospect CONKO 004 Studie der Charite in Berlin bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskrebs, sind angelaufen und werden Entscheidungsgrundlagen bei der Antikoagulation von Tumorpatienten liefern.

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Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten

Nach Prof. Weltermann liegt in der Form der Applikation niedermolekularer Heparine (NMH) bei der Thromboseprophylaxe für gefährdete Krebspatienten ein deutlicher Vorteil im Vergleich zu den unfraktionierten Herapinen (UFH). NMH haben außerdem bei längerer Gabe weniger Nebenwirkungen. Vitamin K Antagonisten, wie sie bei der Therapie bei Nichttumorpatienten z.B. bei Vorhofflimmern manchmal angewendet werden, spielen zur Thromboseprophylaxe bei Tumorpatienten keine Rolle. 

Quelle
55. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH)
Symposium ,,Herausforderungen an ein modernes Gerinnungsmanagement“
Veranstalter: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH
Wiesbaden, 16. Februar 2011

Vorsitz: S. Schellong, Dresden

  • Antikoagulation bei Polymedikation – relevante Wechselwirkungen und Risiken
    Referent:  T. Hohlfeld, Düsseldorf
  • Periinterventionelles Gerinnungsmanagement – neueste Empfehlungen und Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung
    Referent: H. Omran, Bonn
  • Gerinnung als besondere Herausforderung bei onkologischen Patienten
    Referent: A. Weltermann, Linz
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