Altes und neues Wissen über die heilende Wirkung aus der Natur

Mittel gegen Erkältungserkrankungen wie Sonnenhutpräparate, im Lateinischen Echinacea genannt, sind in unseren Breiten mittlerweile in vielen Hausapotheken zu finden. Der Grund dafür ist die vielseits beworbene Heilkraft, die Erkältungen lindern und das Immunsystem stärken soll. Ursprünglich stammt der Sonnenhut aus Nordamerika, wo er unter den indigenen Völkern über viele Jahrhunderte bereits als bewährtes Heilmittel, unter anderem bei Husten, Zahnschmerzen oder zur Wundheilung eingesetzt wurde. Aufgrund dieser heilenden Wirkung wurde die Pflanze Ende des 19. Jahrhunderts nach Deutschland importiert. Damit ist der Sonnenhut nur eines von vielen erfolgreichen Beispielen für die globale Verbreitung von traditionellem Wissen über die Heilkraft von Pflanzen.

Die Ethnopharmakologie (auch Ethnobotanik), ein interdisziplinäres Forschungsfeld, in dem Botaniker, Pharmakologen, Chemiker, Pharmazeuten und Anthropologen und viele andere zusammenarbeiten, beschäftigt sich mit der Erforschung und dem Verständnis der medizinischen Nutzung von Pflanzen in traditionellen Gesellschaften auf der ganzen Welt. Dies bedeutet auch dieses umfangreiche Wissen zu dokumentieren, zu bewahren und zu verbreiten.

Unter dem Motto „Bridging cultures and continents“ treffen sich in dieser Woche über 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus 33 Ländern zum 19. Kongress der Internationalen Gesellschaft der Ethnopharmakologie an der TU Dresden. Das Ziel dieses Kongresses ist es, das Wissen über traditionelle Arzneimittel und Nahrungsbestandteile hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Sicherheit in medizinischen und gesundheitlichen Anwendungen zu erweitern. Dabei wird das Wissen klassischer ethnobotanischer/-pharmakologischer Untersuchungen durch aktuellste Erkenntnisse aus der Pharmakologie, der biologischen Grundlagenforschung und der chemisch/pharmazeutischen Forschung ergänzt. Die mögliche Nutzung von Naturstoffen in der Wirkstoffforschung/-findung und in den (Bio-)Materialwissenschaften rundet das Themenspektrum der Konferenz ab.

Gastgeber Günter Vollmer, Professor für molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie der TU Dresden, tritt mit großer Vorfreude den kommenden drei Tagen entgegen: „Ich freue mich besonders auf den Freitag, der komplett dem Motto „Bridging continents“ gewidmet ist. Von Asien über Europa und Südamerika werden wir uns vor allem mit Afrika beschäftigen. Die traditionelle Medizin spielt dort im Alltag eine sehr große Rolle, da sich westliche Medizin nur wenige leisten können. Das uralte traditionelle Wissen der Heiler und ihre zahlreichen und wertvollen Detailkenntnisse werden nach wie vor meist mündlich und lokal überliefert. Dieses Wissen gilt es zu bewahren. Allerdings steht die hohe Bedeutung der traditionellen Medizin für die Gesundheit in Afrika in einem klaren Missverhältnis zu ihrer wissenschaftlichen Sichtbarkeit weltweit. Mit der Konferenz wollen wir dazu beitragen, diese Diskrepanz zu überbrücken“, verrät Prof. Vollmer.

Die Unterstützung afrikanischer Forscher ist für Prof. Vollmer ein wichtiger Teil seiner Arbeit. Er kooperiert in mehreren Projekten mit Kollegen aus Kamerun, Burkina Faso und Südafrika und freut sich, viele seiner Projektpartner im Rahmen des ISE-Kongress in dieser Woche in Dresden begrüßen zu dürfen.

An der Professur für molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie der TU Dresden beschäftigen sich Prof. Vollmer und sein Team unter anderem mit Untersuchungen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Alternativpräparaten zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden und zur Vorbeugung von Osteoporose. Diese sogenannten Alternativpräparate sind meist pflanzlichen Ursprungs und als Heilpflanzenpräparate oder Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Auch Isoflavone gehören dazu.

Isoflavone sind sekundäre Pflanzenstoffe, die in Sojabohnen, Leinsamen oder Rotklee vorkommen. Aufgrund ihrer hormonellen Wirksamkeit wird Isoflavonen eine lindernde Wirkung bei Wechseljahresbeschwerden zugeschrieben, sie sollen sogar vor Osteoporose schützen und werden deshalb in Drogerien, Apotheken und Reformhäusern in Form von Nahrungsergänzungsmitteln angeboten. Wissenschaftler und die Verbraucherzentrale warnen allerdings vor dem uneingeschränkten Gebrauch. Aufgrund ihrer hormonellen Eigenschaften stehen diese sogenannten Phytoöstrogene in Verdacht, das Risiko für Brustkrebs oder Hyperplasie der Gebärmutter zu erhöhen und die Funktion der Schilddrüse zu beeinträchtigen. In mehreren Forschungsprojekten untersuchte Professor Vollmer die molekulare Wirkung, aber vor allem auch die Sicherheit von Isoflavonen. Laut aktueller Studienlage besteht für gesunde Frauen kein erhöhtes Risiko aufgrund von Isoflavon-Zufuhr an Brustkrebs zu erkranken. Frauen, die an Brustkrebs leiden oder bereits ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben, sollten allerdings auf die Einnahme von Isoflavonen verzichten. Hier bedarf es noch weiterer grundlegender Untersuchungen.

Weitere Untersuchungen führt die Arbeitsgruppe um Prof. Vollmer an Präparaten aus Hopfen und sibirischem Rhabarber sowie dem südafrikanischen „Honey bush“-Tee durch, an dem zurzeit ein sehr großes lokales Interesse besteht.

wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Günter Vollmer
Professur für molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie
Tel. 0351 463 31933
E-Mail: guenter.vollmer@tu-dresden.de

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