ALTAIR: Längere Injektionsintervalle bei nAMD-Patienten durch Treat-and-extend

Glaukom, Augenkrebs, Altersweitsichtigkeit, Sehschwäche, Augenlinse, Grauer Star

Positive Erfahrungen bei der Behandlung der nAMD konnten mit dem proaktiven „Treat-and-extend“ (T&E)-Therapiekonzept gesammelt werden. Dies bestätigt Prof. Dr. Philipp S. Müther, Facharzt für Augenheilkunde, Netzhaut- und Glaskörperchirurg (Luisenhospital Aachen), der anlässlich des Forum Oculus in Berlin über das Behandlungskonzept referierte. In seinem Vortrag erwähnte er die zahlreichen Vorteile, die sich für Arzt und Patient durch T&E ergeben.

Die neovaskuläre altersbezogene Makulageneration ist die häufigste Erblindungsursache in den Industrie-Nationen. Zur Behandlung der Netzhauterkrankung finden moderne Angiogenese-Inhibitoren Einsatz. Sie gelten als heutiger Therapiestandard bei neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD). Über die vergangenen Jahre konnten Daten aus kontrollierten Studien durch umfangreiche Erfahrungen aus der praktischen Anwendung ergänzt werden. Die Kohortenstudie PERSEUS konnte zeigen, dass es im Praxisalltag entscheidend auf eine konsequente und kontinuierliche Behandlung ankommt, um dem chronischen Charakter der Erkrankung gerecht zu werden.1

Die Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs von Inhibitoren des Vascular Endothelial Growth Factors (VEGF) wird maßgeblich von der Wahl des Behandlungsansatzes beeinflusst. In der Phase IV-Studie ALTAIR überzeugte das „Treat-and-extend“ (T&E)-Therapiekonzept.2 Mit diesem individualisierten Ansatz gelang es mit Aflibercept im ersten Behandlungsjahr bereits bei rund 60 % aller Patienten die Injektionsintervalle auf zwölf Wochen und mehr auszuweiten bei gleichzeitigem Erhalt des initialen Visusgewinns.

VEGF-Inhibition: Visusverbesserung trotz ausgedehnter Injektionsintervallen

„Die bahnbrechenden Behandlungsergebnisse, die mit dem Einsatz von VEGF inhibierenden Substanzen erzielt werden können, sind in zahlreichen randomisierten klinischen Studien hinreichend belegt worden“, sagte Prof. Dr. Peter Kaiser, Ohio (USA), im Rahmen des ophthalmologischen Symposiums Forum Oculus, das bereits zum siebten Mal von Bayer organisiert stattfand. So konnten bereits die Aflibercept- Zulassungsstudien VIEW 1 und 2 die Wirksamkeit verlängerter Therapieintervalle im zweiten Behandlungsjahr unter Beweis stellen.3 Die Patienten wurden monatlich untersucht. Die Injektionen erfolgten im zweiten Jahr nach Bedarf1*, jedoch mindestens alle drei Monate. Bis zum Ende des zweiten Studienjahres gelang es bei fast der Hälfte aller Patienten, die Visusverbesserung des ersten Behandlungsjahres auch mit ausgedehnten Injektionsintervallen von bis zu zwölf Wochen zu erhalten. Die Studien sahen im ersten Behandlungsjahr nach drei initialen monatlichen Injektionen fixe Therapieintervalle von zwei Monaten vor, sodass die Patienten auf sieben Behandlungen in den ersten zwölf Monaten kamen.

„Bei der Übersetzung der positiven Resultate aus klinischen Studien in die Praxis unter Alltagsbedingungen sollten jedoch einige Bedingungen der Routineversorgung berücksichtigt werden, um vergleichbare Erfolge zu erzielen“, forderte Kaiser. Für ein ideales anti-VEGF-Behandlungskonzept wurden deshalb Kriterien ausgearbeitet.4 In der internationalen Expertengruppe der Vision Academy haben sich weltweit mehr als 80 Ophthalmologen zusammengefunden, um praxisbezogene Therapieempfehlungen zu verabschieden. Die vier Leitsätze aus dem Expertenkonsens des unabhängigen Entscheidungsgremiums lauten:

  • Sehschärfe maximieren und erhalten
  • Planung der Behandlung statt situativer Behandlungsentscheidung
  • Anpassung der Behandlungsintervalle an Patientenbedürfnisse
  • Behandlung bei jeder Kontrollvisite

T&E: Therapieerfolge bestätigt – 60 % der Patienten profitieren von Verlängerung des nächsten geplante Injektionstermins

Positive Erfahrungen bei der Behandlung der nAMD mit Aflibercept konnten mit dem proaktiven „Treat-and-extend“ (T&E)-Therapiekonzept gesammelt werden. In der offenen randomisierten klinischen prospektiven Phase IV-Studie ALTAIR wurde dieser Ansatz mit Aflibercept bereits im ersten Behandlungsjahr systematisch untersucht.2 Dabei wurde getestet, inwieweit T&E mit verlängerten Injektionsintervallen zuverlässig zu einem erfolgreichen Behandlungsergebnis führen kann. In der Studie erhielten die Patienten nach drei monatlichen Injektionen zu Beginn der Behandlung gefolgt von einer Injektion nach zwei Monaten weitere Injektionen in schrittweise um zwei oder vier Wochen verlängerten Injektionsintervallen in Abhängigkeit von funktionellen und/oder morphologischen Kriterien. Dabei betrug das kürzeste Intervall acht Wochen, die maximale Dauer lag bei 16 Wochen. Die ALTAIR-Daten zeigen, dass zum Ende des ersten Studienjahres bei fast 60 % der Patienten2ader nächste geplante Injektionstermin auf zwölf Wochen und mehr verlängert werden konnte bei gleichzeitigem Erhalt des initialen mittleren Visusgewinns.2 Die Ergebnisse haben im Juli 2018 zu einer europaweiten Zulassung von Aflibercept für die nAMD-Therapie unter Anwendung von T&E bereit im ersten Behandlungsjahr nach einer Initialphase geführt.14

Die 2-Jahresdaten von ALTAIR wurden beim EURETINA-Kongress 2018 und auf der Jahrestagung 2018 der American Academy of Ophthalmology vorgestellt und zeigen, dass die Ergebnisse auch im zweiten Behandlungsjahr weitestgehend aufrechterhalten werden. Die Mehrzahl der Patienten erreichen auch bei ihrer letzten Visite nach zwei Jahren ein Behandlungsintervall von zwölf Wochen und mehr. Insgesamt lag die mittlere Anzahl der Injektionen bis zur Woche 96 in beiden Gruppen bei 10,4. Die mittlere Anzahl der Injektionen von Woche 52 bis Woche 96 betrug 3,7 im 4-Wochen-Arm bzw. 3,6 im 2- Wochen-Arm. Die auftretenden Nebenwirkungen nach 96 Wochen entsprachen dem bekannten Sicherheitsprofil von Aflibercept. Darüber hinaus läuft derzeit die Phase-IV- Studie ARIES, die die Effizienz von Aflibercept bei einem frühen im Vergleich zu einem späten Start der Therapie im T&E-Konzept vergleicht. Weiterführende Ergebnisse zu den 2-Jahresdaten der ALTAIR-Studie sowie der ARIES-Studie werden auf den kommenden wissenschaftlichen Kongressen vorgestellt.

Altair-Studie
Fazit nach 52 Wochen aus der ALTAIR-Studie

nAMD-Patienten im Praxisalltag konsequent und kontinuierlich behandeln

„Die positiven Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien ließen sich in den frühen Real World Studien aus der Anfangszeit der anti-VEGF-Therapie der nAMD allerdings nicht reproduzieren“, sagte Kaiser.5-13 Den wesentlichen Grund dafür sah er darin, dass die Patienten meist unterbehandelt waren. Die prospektive nicht-interventionelle Real-World- Studie PERSEUS mit insgesamt 848 Patienten legte den Schluss nahe, dass Patienten auch in der klinischen Praxis die guten Ergebnisse der klinischen Studien erreichen können – wenn bislang unbehandelte Patienten von Anfang an kontinuierlich behandelt werden.1 Die Studienteilnehmer, die nicht vorbehandelt waren und nach drei monatlichen Injektionen zu Beginn regelmäßig alle acht Wochen behandelt wurden (mit mindestens sieben Injektionen im ersten Therapiejahr3b), konnten unter Aflibercept-Therapie am Ende des ersten Jahres einen Visusgewinn von 8,0 Buchstaben verzeichnen. Allerdings erhielten nur 125 nicht vorbehandelte Patienten (26 %) eine solche kontinuierliche Behandlung im ersten Behandlungsjahr. Diese Ergebnisse sowie die derzeit zur Publikation aufgearbeitete Analyse der 24-Monats-Daten von PERSEUS weisen darauf hin, dass die längerfristige Therapieadhärenz ganz entscheidend für die Wirksamkeit der Behandlung ist. Die Zahl der Patienten, die kontinuierlich behandelt wurden, nahm allerdings stetig ab. Bereits in zahlreichen Beobachtungsstudien konnte eine hohe Rate an Behandlungsabbrüchen beobachtet werden.Viele Faktoren können zu einem Abbruch der Therapie führen – der Aufwand für Patienten und Angehörige ist nur einer davon. Eine Optimierung des Therapieablaufs könnte für viele Patienten eine konsequente und kontinuierliche Behandlung ermöglichen.

Behandlungskonzept T&E mit Vorteilen für Arzt und Patient

Aus der Diskrepanz zwischen den positiven Ergebnissen klinischer Studien und den teilweise ernüchternden Erfahrungen aus dem Praxisalltag der Anfangszeit der anti- VEGF-Therapie können laut Prof. Dr. Philipp S. Müther, Aachen, aufschlussreiche Schlussfolgerungen gezogen werden. So sollten die unterschiedlichen Resultate dazu veranlassen, die möglichen Behandlungskonzepte als grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen zu differenzieren. Er bezeichnete den Behandlungsansatz „Pro re nata“ (PRN) als nur auf den ersten Blick dem Bedarf entsprechend. Bei diesem Ansatz findet eine reaktive Therapie statt – anders als beim Konzept T&E, bei dem individuell und proaktiv behandelt wird. „Es kann bei PRN zu einer Fehleinschätzung kommen, wenn die Indikation zur erneuten intravitrealen operativen Medikamenteneingabe (IVOM) ausschließlich anhand eines Funktionsverlustes gestellt wird“, sagte Müther. Morphologische Veränderungen würden zwar frühzeitiger durch die optische Kohärenztomographie (OCT) detektiert, aber selbst mit einem OCT-Befund als entscheidendem Kriterium für ein Erkrankungsrezidiv könne es zu kontraproduktiven Verzögerungen kommen. Ein Rezidiv kurz nach einer vermeintlich trockenen OCT-Kontrolle werde frühestens erst einen Monat später entdeckt und auch nur dann unverzüglich behandelt, wenn entsprechende Kapazitäten in der Praxis vorhanden sind.

Demgegenüber attestierte Müther dem Vorgehen T&E wesentliche Vorteile: „Es wird dem chronischen Charakter der nAMD gerecht und geht vorausschauend auf die unvermeidliche, aber dennoch individuelle Krankheitsaktivität ein.“ T&E basiert auf im Voraus geplanten, in den Praxisalltag integrierten IVOM-Terminen. Die Behandlung startet zeitnah nach der Diagnose mit initial monatlichen Injektionen, bis ein stabiler Befund vorliegt. Danach entscheiden aktuell erhobene OCT-Befunde und Visusmessungen je nach individuell festgestellter Krankheitsaktivität über eine Verlängerung oder Verkürzung der Zeit bis zum darauffolgenden Termin. Grundsätzlich erhalten die Patienten bei jedem Arztbesuch eine Injektion. „Auf diese Weise wird sowohl dem fortbestehenden Krankheitsprozess als auch der sich stets verändernden Krankheitsaktivität Rechnung getragen“, hob Müther hervor. Die Chance für einen Visusgewinn, bzw. -erhalt werde so erhöht – bei Minimierung des Gesamtaufwands und gleichzeitiger Kostenoptimierung. Für den Patienten ergebe sich zudem Planungssicherheit, da bei jedem Arztbesuch behandelt wird. Dadurch kann sich die Therapieadhärenz verbessern. Als ganz entscheidend für eine gute Adhärenz nannte er darüber hinaus die richtige Aufklärung, denn nur bei einer kontinuierlichen Therapie der chronischen Erkrankung nAMD könne der Visus erhalten und in vielen Fällen sogar verbessert werden.

Weitere Informationen  / Literatur & Quellen:

  1. Framme et al., Ophthalmology Retina, “Aflibercept for Patients with Neovascular Age-Related Macular Degeneration in Routine Clinical Practice in Germany”, 2017
  2. Bayer EYLEA – Zusammenfassung der Produktcharakteristika; Okada ePoster AAO 2017
  3. Schmidt-Erfurth U et al., Ophthalmology 2014; 121(1):193-201
  4. Lanzetta et al., Greafe`s Archive for Clinical and Experimental Ophthalmology, “Fundamental principles of an anti-VEGF treatment regimen: optimal application of intravitreal anti–vascular endothelial growth factor therapy of macular diseases”, 2017
  1. Cohen SY et al., Retina 2013;33(3);474-81
  2. Holz FG et al., Br J Ophthalmol 2015; 99(2):220-226
  3. EMR Users Group Ophthalmology 2014; 121(5):1092-101
  4. Finger RP et al., Acta Ophthalmol. 2013; 91(6):540-546
  5. HELIOS study group Acta Ophthalmol. 2015; 93(2):126-33
  6. Souied EH et al., Retina 2015; 35(9):1743-9
  7. Pagliarini s et al., J Ophthalmol. 2014; 857148
  8. Ross AH et al., Eye (Lond). 2013; 27(1):56-64
  9. Pushpoth S et al., Br J Ophthalmol. 2012; 96(12):1469-73
  10. Fachinformation Eylea, Bayer AG Leverkusen, Stand Juli 2018
  11. Forum Oculus, 2019, Berlin; Veranstalter: Bayer Vital GmbH

 

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