Alt sein und alt fühlen sind nicht das Gleiche

„Altwerden ist nichts für Feiglinge“, postuliert Joachim Fuchsberger. Der 84-jährige Entertainer und Schauspieler plaudert in seinem Buch über Lust und Last des Alters. Damit trifft er den Nerv einer Gesellschaft, die sich dem demografischen Wandel als Herausforderung stellen muss. Einer Gesellschaft, die sich selbst immer öfter als „vergreisend“ beschreibt.

„Wir haben einen eklatanten Unterschied zwischen alt sein und sich alt fühlen festgestellt“, sagt Prof. Dr. Stephan Lessenich von der Universität Jena. Der Soziologe konstatiert, dass sich die meisten Menschen im fortgeschrittenen Alter eher als „ältere Erwachsene“ sehen denn als Alte oder als die zuletzt vielzitierten „jungen Alten“. Lessenich bearbeitet mit seinem Team in Jena das Projekt „Zonen des Übergangs. Dimensionen und Deutungsmuster des Alterns bei jungen, älteren und alten Menschen“. Dieses wird von der VolkswagenStiftung in ihrer mittlerweile beendeten Initiative „Zukunftsfragen der Gesellschaft“ mit 460.000 Euro gefördert.

Zur Jenaer Gruppe gehören Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaft und Psychosozialer Medizin. Gemeinsam erforschen sie die „Zonen des Übergangs“. Bezogen ist dies auf das gängige Modell, das Leben eines Menschen in drei Phasen einzuteilen: Kindheit und Jugend, Erwachsenenalter – meist mit dem Erwerbsleben gleichgesetzt – und Alter. Innerhalb der Altersphase wird zudem in das gesunde, „junge“ Alter und die häufig mit Pflegebedürftigkeit verbundene Hochaltrigkeit unterschieden. „Vor dem Übergang in diese letzte Phase des Lebens herrscht bei den allermeisten Menschen eine diffuse, unbestimmte Angst“, sagt Prof. Lessenich. Daher werde er von ihnen häufig so lange wie möglich in die Zukunft verschoben und verdrängt; wirklich „alt“ erscheint man so nicht selbst, sondern sind dann eher die jeweils anderen.

Um ein genaueres Bild der Alterswahrnehmung älterer Menschen zu gewinnen, befragte die Jenaer Forschergruppe 800 Personen und führte mit ca. 60 von ihnen ausführliche Interviews. Die Ergebnisse dieser und von 13 weiteren Arbeitsgruppen werden vom 1. bis 3. Dezember beim Symposium „Individuelle und gesellschaftliche Perspektiven des Alterns“ an der Universität Jena vorgestellt. Eingeladen sind u. a. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Berlin, Bremen, Heidelberg, Mannheim und München, wo ebenfalls im Rahmen des Schwerpunkt-Programms der VolkswagenStiftung geforscht wird.

Zum Auftakt des Symposiums hält Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, am Donnerstag (1. Dezember) einen Vortrag über Alter und Diskriminierung. Zu diesem Vortrag ist die interessierte Öffentlichkeit um 19.15 Uhr in die Rosensäle (Fürstengraben 27) eingeladen, der Eintritt ist frei. Ebenfalls öffentlich sind am Freitag (2. Dezember) um 9.15 Uhr der Vortrag von Prof. Dr. Hans-Georg Pott aus Düsseldorf, der über „Altersdemenz und Literatur“ spricht, sowie die Podiumsdiskussion „Individuelle und gesellschaftliche Perspektiven des Alterns“ am Samstag (3. Dezember) um 9.30 Uhr. Unter der Leitung von Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung, debattieren Prof. Dr. Kirsten Aner (Berlin) und Prof. Dr. Andreas Kruse (Heidelberg) sowie die freie Journalistin Ulrike Baureithel. Beide Veranstaltungen finden ebenfalls in den Rosensälen statt.

Kontakt:
Prof. Dr. Stephan Lessenich
Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945571
E-Mail: Stephan.Lessenichuni-jena.de

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